Nach scharf kritisierten Äußerungen der rechten Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, denen zufolge die humanitäre Krise im Gazastreifen mit »freiwilliger Migration« der jetzigen Bewohner »gelöst« werden müsse, hat nun Verteidigungsminister Yoav Gallant in die Diskussion eingegriffen.
Israelischen Medien zufolge erklärte der Verteidigungsminister: »Die Hamas wird Gaza nicht regieren.« Ebenso wenig werde Israel eine zivile Statthalterschaft einsetzen. Vielmehr werde auch künftig eine palästinensische Körperschaft für den Gazastreifen verantwortlich sein.
»Die Bewohner Gazas sind Palästinenser«, so Gallant in einer von seinem Ministerium verbreiteten Erklärung. Daher werde das Gebiet auch in Zukunft von Palästinensern regiert. Die Bedingung: Es dürfe keine feindseligen Aktionen oder Drohungen gegen Israel geben.
Streit um Autonomiebehörde
Die USA wollen, dass die im Westjordanland regierende und von der Palästinenserorganisation Fatah dominierte Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wieder die Kontrolle im Gazastreifen übernimmt. Netanjahu ist dagegen. Einige Vertreter der Fatah-Partei hatten Verständnis für das Hamas-Massaker am 7. Oktober in Israel geäußert.
Die Hamas hatte die PA 2007 gewaltsam aus dem Küstenstreifen vertrieben. Die Fatah und die Hamas sind die zwei größten Palästinenserorganisationen – und seitdem erbitterte Rivalen. Seit einigen Jahren gab es aber Versöhnungsgespräche zwischen beiden.
Blinken kommt zurück
Derweil wird US-Außenminister Antony Blinken an diesem Freitag zu einem erneuten Vermittlungsbesuch im Nahen Osten erwartet. Bei den Gesprächen soll es auch um mehr humanitäre Hilfe für Gaza, die Befreiung der restlichen Hamas-Geiseln sowie um einen besseren Schutz von Zivilisten in dem Konflikt gehen. Blinken plant Stopps in der Türkei, Griechenland, Jordanien, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien, Israel, dem Westjordanland und in Ägypten.
Regierungschef Netanjahu pochte derweil bei einem Treffen mit dem US-Gesandten und Vermittler Amos Hochstein auf eine Lösung an der Grenze zum Libanon, damit die von dort evakuierten Anwohner zurückkehren können. Israel bevorzuge, dass dies auf diplomatischem Weg geschehe, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros am Donnerstag.
Es brauche dafür eine »grundlegende Änderung« an der Grenze. Wie konkret diese aussehen soll, teilte er nicht mit. Israelischen Medien zufolge will das Land, dass die libanesische Hisbollah-Miliz ihre Kämpfer vollständig aus dem Grenzgebiet abzieht.
Zuspitzung der Lage
Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober nach dem Massaker der Hamas in Israel hat sich die Lage auch dort zugespitzt. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006. Bei dem regelmäßigen Beschuss zwischen der israelischen Armee und der pro-iranischen Hisbollah-Miliz gab es auf beiden Seiten bereits Tote, darunter auch Zivilisten.
Die Tötung eines Hamas-Anführers in Beirut am Dienstag, für die die Hisbollah Israel verantwortlich macht, schürt die Sorge vor einer Ausweitung des Konflikts weiter. Die Hisbollah hat Verbindungen zur Hamas, gilt aber als schlagkräftiger.
Minister Gallant sprach unterdessen auch über die Strategie der Streitkräfte in Gaza. Nach der Phase schwerer Bombardierungen werde die Armee im Norden des Küstenstreifens nun zu einem neuen Kampfansatz übergehen. Dieser umfasse gezielte Razzien, die Zerstörung von Tunneln, Bodeneinsätze sowie Luftangriffe, um »verbleibende Terrorherde in der Gegend« zu bekämpfen.
Freilassung der Geiseln
Der Krieg werde so lange fortgesetzt, bis alle Geiseln freigelassen würden und die militärische und politische Führung der Hamas zerschlagen sei. Die Armee geht nach neuen Informationen von derzeit noch 136 Geiseln im Gazastreifen aus.
Wie viele Geiseln aber möglicherweise tot sind, blieb nach diesen Armeeangaben unklar. Drei zuvor als vermisst gemeldete Zivilisten gelten Erkenntnissen des Militärs zufolge nun als entführt, wie Armeesprecher Daniel Hagari am Donnerstagabend mitteilte. Zuletzt hatte das Militär die Zahl der noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln mit 133 angegeben.
Israelische Medien meldeten, 23 der 136 Entführten seien bereits tot. Unklar war zunächst, ob sie bereits am 7. Oktober oder erst nach ihrer Verschleppung getötet wurden und auch wodurch sie ums Leben kamen. Im Dezember hatte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu von 20 Toten unter den Verschleppten berichtet.
Tunnel gesprengt
Die israelischen Streitkräfte meldeten indessen den Fund weiterer Terror-Tunnel im Zentrum Gazas. Darin wurden demnach Granatwerfer, Granaten, Raketen und eine Waffenschmiede entdeckt. Die 99. Division der IDF sprengte die Tunnelschächte in Kooperation mit der Elite-Einheit Yahalom.
Am Donnerstag wurde zudem ein ranghohes Mitglied der Terrorgruppe Islamischer Dschihad im Norden Gazas getötet. Mamdouh Lolo starb bei einem Angriff der israelischen Luftwaffe. ja (mit dpa)