Nach der Eskalation im Gaza-Konflikt zeichnete sich am Donnerstagabend kaum Beruhigung ab. Palästinensische Terroristen im Gazastreifen hielten mehr als drei Tage nach Beginn der Raketenangriffe am Montagabend am Beschuss Israels fest. Im Großraum Tel Aviv, dem am dichtesten besiedelten Gebiet Israels, heulten am Donnerstag auch am Tag die Warnsirenen.
HAMAS-GEHEIMDIENST Das israelische Militär setzte unterdessen seine Angriffe auf den Gazastreifen fort, um seine Bürger zu schützen und weitere Angriffe aus Gaza zu unterbinden. Israelische Kampfjets beschossen nach Militärangaben eine Anlage des Hamas-Geheimdienstes. Auf dem Areal befindet sich das wichtigste militärische Beobachtungszentrum der Organisation. Dutzende Mitglieder der islamistischen Hamas sollen sich demnach zur Zeit des Angriffs dort aufgehalten haben.
Ob es Tote oder Verletzte unter ihnen gab, sagte die Armee nicht. Ihr zufolge wurden in Israel bislang mindestens sieben Menschen durch Beschuss getötet. Im Gazastreifen starben nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums 87 Menschen seit der Eskalation der Gewalt.
Nach Angaben der israelischen Armee feuerten Palästinenser bislang insgesamt mehr als 1600 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab. Rund 400 davon seien noch in dem Küstengebiet niedergegangen, sagte Sprecher Jonathan Conricus am Donnerstag. Die Erfolgsquote des Abfangsystems Eisenkuppel (»Iron Dome«) betrage weiterhin im Schnitt rund 90 Prozent.
TUNNEL Conricus sagte, das israelische Militär habe bislang rund 600 Ziele in dem Gazastreifen beschossen, darunter Stätten zur Produktion von Raketen und Lagerräume. Angegriffen worden sei zuletzt auch ein Tunnel, der Kämpfern unter anderem als Versteck gedient habe. Dieser sei unter einer Schule in besiedeltem Gebiet gegraben worden.
Zur Größe des Raketenarsenals der Terroristen im Gazastreifen äußerte sich der Sprecher nicht konkret. Sie hätten einen sehr großen Bestand gehabt. Noch immer verfügten sie über eine beträchtliche Menge.
FLUGHAFEN Laut einem Bericht der »Times of Israel« von Donnerstagmorgen, der sich auf eine offizielle Quelle beruft, wurde beschlossen, in Israel eintreffende Passagierflugzeuge vorerst nicht mehr auf dem Ben-Gurion-Flughafen im Zentrum des Landes, sondern auf dem Ramon-Flughafen bei Eilat landen zu lassen. Die Flugzeuge sollen, so die Zeitung, anschließend leer zum Ben-Gurion-Flughafen fliegen und dort neue Passagiere für Ziele ins Ausland an Bord nehmen.
Ziel sei es, den Luftkorridor zu verbreitern und damit die Gefahr zu minimieren, dass ein Flugzeug von einer Rakete aus Gaza getroffen wird. Frachtflugzeuge und private Flieger sollen nach Angaben eines Flughafensprechers weiterhin in Ben-Gurion landen.
In Sderot wurden am Mittwoch bei einem direkten Einschlag in ein Gebäude sieben Menschen verletzt, unter ihnen ein fünfjähriges Kind. Es erlag laut israelischen Medienberichten wenige Stunden später seinen schweren Verletzungen. Auch die Metropole Tel Aviv und deren Vororte wurden erneut unter Beschuss genommen.
SOLDAT Am Mittwochmorgen war der 21-jährige Soldat Omer Tabib bei einem Angriff der Hamas mit einer Panzerabwehrrakete getötet worden. Tabib war mit zwei Kameraden in einem Jeep unterwegs, als die Rakete das Fahrzeug traf.
Die beiden anderen Soldaten und der stellvertretende Bürgermeister von Hof Aschkelon, Gil Timor, wurden von Schrapnellen verletzt, als die Hamas die Gruppe weiter beschoss. Timor hatte dabei geholfen, die Opfer aus dem Wagen zu ziehen. Alle werden derzeit im Barzilai-Krankenhaus von Aschkelon behandelt.
Israelische Medien berichten, die Hamas wolle »auf gegenseitiger Basis« ihre Angriffe einstellen.
Die im Gazastreifen regierende Hamas erklärte, am Abend 130 Raketen auf das Zentrum Israels gefeuert zu haben, unter anderem schrillten die Sirenen in Ramat Gan, Rischon LeZion, Petach Tikwa und Cholon. Es habe allerdings keine Einschläge gegeben. Die Attacke sei die Vergeltung für die Tötung von mehreren führenden Terroristen durch die israelische Armee einige Stunden zuvor, hieß es in einer Erklärung der islamistischen Organisation.
Direkte Treffer habe es auch in der Hafenstadt Aschkelon und in Netivot gegeben.
RUSSLAND Gleichsam berichteten israelische Medien, dass »die Hamas auf gegenseitiger Basis die Angriffe einstellen« wolle. Das habe das russische Außenministerium mitgeteilt. Die Hamas fordere zudem, heißt es weiter, dass die internationale Gemeinschaft Israel dazu drängen solle, auf den »Einsatz von Gewalt an der Al-Aksa-Moschee zu verzichten«. Russland hatte in der Vergangenheit des Öfteren zwischen Gaza und Jerusalem vermittelt.
Premierminister Benjamin Netanjahu sprach am Mittwochabend mit US-Außenminister Antony Blinken. Netanjahu dankte ihm für die Unterstützung der USA bei Israels Selbstverteidigung. Blinken habe dies während des Telefonats bestätigt, heißt es aus dem Büro des Ministerpräsidenten.
Am Abend bekämpften sich in Lod jüdische und arabische Einwohner.
Währenddessen gehen die Ausschreitungen in der Stadt Lod weiter. Am Abend bekämpften sich dort jüdische und arabische Einwohner. Rechtsextreme jüdische Krawallmacher lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Mindestens 20 Personen seien insgesamt festgenommen worden, gaben die Sicherheitskräfte an.
Der sefardische Oberrabbiner Yitzhak Yosef rief dazu auf, keine Gewalt gegen arabische Israelis zu richten. »Die Tora erlaubt es uns nicht, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Wir müssen ein Licht unter den Nationen sein – und nicht das Gegenteil.«
AUSGANGSSPERRE Außerdem wurde eine nächtliche Ausgangssperre für die Stadt von acht Uhr abends bis vier Uhr am nächsten Morgen verhängt. Es gehe darum, die »Bewohner und deren Eigentum zu beschützen«, so die Polizei.
Mindestens 500 Beamte sind derzeit in Lod stationiert, um für Ruhe zu sorgen. In den vergangenen Tagen war es in mehreren Städten des Landes zu Aufständen vorwiegend junger arabischer Israelis gekommen. (mit ag und dpa)