Es war die reinste Charme-Offensive. Wie Benjamin Netanjahu 2016 angekündigt hatte, kehrt Israel jetzt, wie er es selbst beschrieb, »im großen Stil nach Afrika zurück«. Nach fast drei Jahrzehnten ist er damit der erste israelische Premier, der Nationen südlich der Sahara eine Visite abstattete.
Am Sonntag vergangener Woche war er gemeinsam mit Landwirtschaftsminister Uri Ariel, Infrastruktur, Energie- und Wasserminister Yuval Steinitz sowie dem Vorsitzenden des Knessetgremiums Israel–Afrika, Avraham Neguise, der aus Äthiopien stammt, nach Liberia gereist.
In dessen Hauptstadt Monrovia warb er um afrikanische Unterstützung bei den Vereinten Nationen und in anderen internationalen Gremien. Netanjahu sprach auf dem Wirt- schaftsforum westafrikanischer Staaten (ECOWAS), das sich für eine Kooperation der Mitgliedstaaten einsetzt, und betonte kurz davor: »Ich bin als erster nichtafrikanischer Regierungschef eingeladen worden, dort zu reden – das ist eine große Ehre.«
In seiner Ansprache vor 15 afrikanischen Staatsoberhäuptern gedachte er zunächst der Terroropfer in London, doch auch der vielen unschuldig Getöteten in Mali und im Niger. Die Anschläge würden nur die Entschlossenheit stärken, den Terror zu bekämpfen, sagte Netanjahu. »Zusammen, hier in Afrika, im Nahen Osten, in Europa und überall, werden wir ihn schneller besiegen.« Er glaube an das Potenzial Afrikas in Gegenwart und Zukunft, »es ist ein Kontinent, der sich im Wachstum befindet«.
Neuanfang Für ihn, erläuterte er, habe die Stärkung der Bindungen zwischen Israel und Afrika Priorität. Offenbar sind es nicht nur schöne Worte. Denn Netanjahu hatte nur ein Jahr zuvor, im Juni 2016, vier Länder im östlichen Teil des Kontinents bereist, nachdem sich 29 Jahre lang kein israelischer Regierungschef dort hatte blicken lassen. Das allerdings hatte einen Grund: Viele der Nationen hatten die Verbindungen zu Israel in Folge des Jom-Kippur-Krieges 1973 abgebrochen.
Die muslimischen Staaten Nordafrikas – von Marokko über Libyen bis zu Mauretanien – werden in naher Zukunft wohl kaum zu engen Verbündeten Israels werden. König Mohammed VI. von Marokko sagte die Teilnahme am jetzigen Gipfel in Liberia ab, als bekannt wurde, dass Netanjahu dabei sein wird. Doch südlich der Sahara sieht es anders aus. Besonders von israelischer Seite fand in den vergangenen Jahren eine Annäherung auch an jene Staaten statt, die einst als feindlich galten.
Einen unmittelbaren Erfolg verbuchte der Ministerpräsident vor Ort: Er verbesserte die Verbindung zum Senegal, bedeutend für die frankophonen Länder Afrikas. Im Dezember 2016 hatte der Senegal eine UN-Resolution mit auf den Weg gebracht, die den Bau israelischer Siedlungen im Westjordanland und Ost-Jerusalem verurteilte. Israel strich daraufhin das Entwicklungsprogramm für das Land und rief seinen Botschafter nach Hause. Nach dem jetzigen Treffen mit dem senegalesischen Präsidenten Macky Sall kündigte Netanjahu an, dass der Botschafter wieder entsandt wird.
Aus seinem wahren Anliegen macht Netanjahu keinen Hehl. Die Unterstützung Afrikas für Israel in internationalen Gremien ist erklärtes Ziel. »Der Zweck dieser Reise ist die Auflösung der Majorität, dieses gigantischen Blocks von 54 afrikanischen Nationen, die automatisch zu einer Mehrheit gegen Israel bei den Vereinten Nationen führt«, machte Netanjahu vor seiner Abreise nach Liberia deutlich. Vor allem bei Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat zum Siedlungsbau oder Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern könnte das zukünftig entscheidend sein.
Doch es sind auch die wirtschaftlichen Verbindungen, die große Bedeutung für beide Seiten haben. Aus historischer Sicht war es Golda Meir, die als damalige Außenministerin erklärte, Israel müsse in Afrika investieren, damit die Länder ihre Einwohner ernähren, bilden und heilen können. In den Zeiten der engen Verbindungen von den 50er-Jahren bis zum Sechstagekrieg sandte Israel im Sinne von Tikkun Olam Tausende Berater und Hilfskräfte nach Afrika.
Technologie In der Gegenwart ist es vor allem die Lieferung israelischer Top-Technologie an afrikanische Nationen, die auf der Agenda steht, allen voran für Bewässerung und saubere Energien. Viele afrikanische Anführer sind zudem an hochwertigen Waffen interessiert. Äthiopien mit seiner christlichen Mehrheit will von den Israelis aufgerüstet werden, um die islamistische Bedrohung abzuwehren, die jenseits der Grenzen zu Eritrea und Somalia lauert.
Ebenso sucht Kenia israelische Unterstützung in Sachen Militär und Sicherheit. Israel schickte bereits 2013 Experten ins Land, um den Terroranschlag im Einkaufszentrum Westgate zu untersuchen, bei dem Attentäter der islamistischen Terrorgruppe Al-Shabab mehr als 60 Menschen töteten.
Zu den eingeschworenen Feinden gehört bislang noch immer der Sudan. Israelis etwa wird die Einreise in den Sudan verweigert. Doch nachdem das afrikanische Land im vergangenen Jahr seine Verbindung zum Iran aufkündigte, besteht eventuell sogar Hoffnung für eine zukünftige Annäherung und etwaige Handelsbeziehungen.
ECOWAS Mit vielen Nationen florieren diese mittlerweile. Am Rande der ECOWAS-Konferenz traf sich Netanjahu mit den Präsidenten von Liberia, Togo und der Elfenbein- küste. Eine Kooperationsvereinbarung und zwei gemeinsame Absichtserklärungen für eine Vielzahl von Bereichen wurden unterzeichnet, dazu gehören allgemeine sowie Cybersicherheit, Agrartechnologie und Müllverwertung. Auch bei der Solarenergie funktioniert die Zusammenarbeit.
Zu einer sofortigen Einlage in Höhe von 20 Millionen Dollar in Liberia und der Zusage, eine Milliarde auf dem Kontinent zu investieren, um saubere Energie in westafrikanische Nationen zu bringen, hat sich der israelische Solaranlagen-Hersteller Energiya Global verpflichtet. »Wir sind bereit, die ersten Solarprojekte in jedem Land, das interessiert ist, zu finanzieren und aufzubauen«, so der Geschäftsführer Josef Abramovitz. »Wir wollen damit politische Stabilität, soziale und wirtschaftliche Entwicklung fördern sowie Know-how an die Länder weiterleiten.« Eine Zusage, die Netanjahu mit seinem Handschlag in Afrika besiegelte.