Man mag von Israels ehemaliger Justizministerin Ayelet Shaked halten, was man will. Aber Rabbi Shlomo Aviners Erklärung, dass sie und Frauen allgemein »in der komplexen Welt der Politik nichts zu suchen« hätten, dürfte selbst Gegner der forschen Politikerin, die sich vom Likud 2012 losgesagt hatte, weil er ihr zu links war, zumindest für kurze Zeit auf ihre Seite gebracht haben.
Für die vorgezogenen Neuwahlen im September 2018 versuchte sich die bei den Wahlen im April vor zwei Jahren gescheiterte neue Partei von Shaked und Ex-Bildungsminister Naftali Bennett, »Die Neue Rechte«, stärker aufzustellen. Nachdem das Duo sich nicht durchsetzen konnte, zog sich Shaked, die seit rund zehn Jahren im israelischen Politzirkus immer wieder Volten nah am Rand der Demokratie schlägt, zurück.
führung Kurz darauf war Shaked wieder da. Pünktlich zum Kampf um die Führung ihrer Partei für die Neuwahlen. Da schien der erzkonservative Rabbi, der für seine anti-emanzipatorischen Ansichten bekannt ist, nur auf seinen Einsatz gewartet zu haben.
Denn natürlich hatte Shaked, deren Sinn für PR einst in einem satirischen Werbe-Videoclip für »Faschismus-Parfum« ihren tragischen Höhepunkt erreichte, die Vorlage sofort dankend angenommen und via Twitter aus dem Urlaub in Kanada verkündet, dass »eine Frau alles tun kann – reisen, Mutter sein, eine Partei anführen, sogar als Bürgermeisterin, Firmenchefin oder Staatenlenkerin dienen«.
Die Stellung der Frau in Israel ist so eine einfache Sache nicht.
Fast, Frau Shaked, fast, möchte man sagen. Denn die Stellung der Frau in Israel ist so eine einfache Sache nicht. Ja, Golda Meir war die vierte Frau in der ganzen Welt, die es bis dahin zum höchsten Regierungsamt brachte. Aber in Israels bisheriger Geschichte ist sie auch die einzige geblieben. Zwar zierte ihr Gesicht seit 1985 den 10-Schekel-Schein; der wurde jedoch fünf Jahre später wieder aus dem Verkehr gezogen.
neuzugänge Tatsächlich war auf den Scheinen zwischen 1990 und 2017 keine einzige Frau mehr zu sehen. Deshalb hat sich Präsident Reuven Rivlin im November 2017 besonders über zwei Neuzugänge gefreut: die israelischen Dichterinnen Leah Goldberg und Rachel Bluwstein.
Was besagen schon Geldscheine? Nun: Frauen machen 50,6 Prozent der israelischen Bevölkerung aus. 58 Prozent der Studenten sind weiblich, bei den M.A.-Studenten sind es sogar 60 Prozent. Israels Frauen sind im Ranking der Lebenserwartung mit 84,3 Jahren an weltweit neunter Stelle. Trotzdem verbringen sie ihr recht langes Leben meist nicht in der von Gründervater Ben Gurion einst versprochenen Gleichstellung zwischen Mann und Frau.
Dabei heißt es in der Unabhängigkeitserklärung: »Der Staat Israel wird all seinen Bürgern, ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen.«
Durchschnittlich verdienen Frauen in Israel 59 Prozent des Gehalts der männlichen Kollegen.
Gleichstellung, Schmeichelei: Frauen in Israel verdienen durchschnittlich gerade einmal 59 Prozent des Gehalts ihrer männlichen Kollegen, berichtet der Global Diversity Report von 2018 der Commission for Equal Opportunities at Work. Bei gleicher Arbeit. Und die gläserne Decke hält.
air force Als Alice Miller 1994 vor das Oberste Gericht zog, weil die israelische Armee sie nicht als Air-Force-Pilotin zulassen wollte, verstieg sich der damalige Präsident Ezer Weizman zu der Aussage: »Hör mal, Maidele, hast du jemals einen Mann Socken stricken sehen?«
1994 ist lange her? 2016, also vor gerade einmal drei Jahren, pöbelte Generalmajor a.D. Yiftah Ron Tal, dass die Idee, Frauen in der israelischen Armee auch bei den Panzern dienen zu lassen, eine Verschwörung der Linken sei, um das Militär zu schwächen. Bei den Politikern der Linken hat er sich hinterher entschuldigt, bei den Frauen nicht.
Immerhin, und das müssten alle panisch um ihre Machtstellung besorgten Männer eigentlich langsam mitbekommen haben: Israels Frauen schlagen zurück. Alice Miller hat damals gegen die IDF gewonnen und Dutzenden Pilotinnen den Weg geebnet. Dass Frauen auch bei den Panzern dienen, wurde durchgezogen, wenn auch nicht etabliert, und Ayelet Shaked wird ihren Weg sicher weitergehen.
Auch in der Gemeinschaft der Charedim tut sich etwas.
gleichheit Auch in der Gemeinschaft der Charedim, der geistigen Heimat von Rabbi Aviner, tut sich etwas. Die Computerexpertin Michal Zernowitski hat im April 2019 als erste ultraorthodoxe Frau für die Arbeitspartei kandidiert, nachdem sie zusammen mit Parteichef Amir Peretz eine Charedi-Gruppe in der Partei ins Leben gerufen hat.
»Hunderttausende ultraorthodoxer Israelis wollen Veränderung«, sagte Zernowitski, als sie ihre Kandidatur ankündigte, »und sie glauben an Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und Frieden.«
Zu guter Letzt hat das Oberste Zivilgericht unlängst verfügt, dass die ultraorthodoxe Partei Agudat Israel auch Frauen aufnehmen muss.
Es sind mitunter symbolische Siege, aber alles sind weitere Schritte auf dem Weg zur Geschlechtergleichstellung. Und wenn es so weitergeht, dann können Frauen in Israel eines Tages wirklich alles tun.
Die Autorin ist Journalistin und lebt in Berlin.