Uri Buri

»Fisch ist so einfach«

Der israelische Koch über sein Restaurant während des Lockdowns, Liebe zu Akko und sein neues Buch

von Katrin Richter  28.11.2020 18:02 Uhr

Foto: Vivi d’Angelo

Der israelische Koch über sein Restaurant während des Lockdowns, Liebe zu Akko und sein neues Buch

von Katrin Richter  28.11.2020 18:02 Uhr

Herr Buri …
… Nein, wir sagen bitte du, denn ich bin niemandes Herrn. Ich bin Uri.

Uri, sehr gern. Was macht dein Restaurant?
Es war zweimal geschlossen. Aber ich will mich gar nicht beschweren, denn meine Situation ist etwas besser als die der meisten Geschäfte. Die Läden, die neu eröffnet haben und noch keine Einnahmen aus dem vergangenen Jahr nachweisen können, die haben Probleme, Unterstützung durch die Regierung zu bekommen. Ich habe vor über zweieinhalb Jahren angefangen, etwas zurückzulegen. Deswegen kann ich nachts ganz gut schlafen und meinen Mitarbeitern auch eine Sicherheit geben, dass das Restaurant auch wieder öffnet. Das ist sehr viel wert, denn Sicherheit in unserer Branche ist wichtig.

Wie hast du den zweiten Lockdown erlebt?
Im Oktober hatten wir in Akko eine Küche eröffnet, in der wir für mehr als 30 alte alleinstehende Menschen gekocht haben. Zweimal in der Woche brachten wir Mahlzeiten zu ihnen nach Hause. Wir lieferten für alle – Juden, Araber. Die Sozialabteilung der Stadtverwaltung hat uns dabei geholfen.

Was hast du für die Menschen gekocht?
Eine komplette Mahlzeit mit allem: Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise. Und das ist auch etwas, was meine Mannschaft zusammenhält, wenn man nicht aus dem Haus gehen kann. So treffen wir uns zweimal in der Woche.

Das klingt nach einer sehr familiären Zusammenarbeit.
Vielleicht nicht familiär, denn in einer Familie hat man solche und solche. Aber ich möchte es einmal so formulieren: Wir trinken aus dem gleichen Brunnen. Unser Team ist gemischt, wir haben keine Professoren und Doktoren. Wir haben die besten Leute, die es gibt. Wenn man von Koexistenz spricht, dann muss klar sein, dass alle an einem Strang ziehen, denn die stärkste Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Und wir haben eine sehr starke Kette.

Wie würdest du die Atmosphäre bei euch beschreiben?
Im Restaurant ist alles sehr ruhig. Keiner schreit, es gibt keine Klingel, auf die jemand haut, wenn das Essen fertig ist. Das sind so die kleinen Dinge, die für mich den Unterschied ausmachen. Wir sammeln zum Beispiel immer leere Flaschen ein, die so herumliegen. Und alle zwei, drei, vier Monate machen wir von dem Pfandgeld eine Party mit allen Mitarbeitern. Das ist unsere »Leere-Flaschen-Party«. Sogar die Eltern der Freiwilligen kommen dorthin.

Wie sieht dein Tag in Akko aus?
Ich habe immer zu tun. Und gehe zwischendurch auch ausgefallene Projekte an wie zum Beispiel Forschungsreihen mit Universitäten in Haifa. Aber hauptsächlich bin ich in meinem Restaurant – das ist mein Platz. Ich fange immer etwas später am Tag an, weil ich gut schlafen muss, um effektiv zu arbeiten. Um zehn Uhr morgens beginne ich, und dann kann es aber auch gut und gerne bis zwei Uhr nachts gehen. Als meine Frau Yael und ich vor über 50 Jahren geheiratet haben, habe ich ihr gesagt: Ich kann dir eines versprechen, es wird nie langweilig sein. Unsere Verpflichtung im Leben ist zu leben und nicht, es sich in seiner Komfortzone gemütlich zu machen. Ich habe ADHS, und meine Art zu lernen ist nicht, in der Schule zu sitzen. Ich muss sie für mich erforschen. Ich bin schon sehr früh aus der Schule geflogen, meiner Meinung nach immer noch fünf Jahre zu spät.

Das beschreibst du auch in deinem Buch »Uri Buri – meine Küche«. Du warst ja fast in der ganzen Welt unterwegs.
Ja, mit 16 bin ich durch Europa getrampt – alleine. Als ich zurückgekommen bin, ging ich zur Armee, und sobald ich etwas Geld zusammenhatte, war ich für die nächsten vier Jahre mit einem Volkswagen-Bus auf dem Weg nach Indien unterwegs. Den VW-Bus hatte ich übrigens in Hamburg gekauft.

Mit 16 allein trampen – hattest du niemals Angst?
Angst ja, aber keine Panik. Denn den Unterschied zwischen diesen beiden Dingen habe ich sehr intensiv untersucht. Ich war viele Jahre lang Bombenentschärfer bei der israelischen Armee und an den merkwürdigsten Orten. Ich habe alles Mögliche erlebt. 1000-mal hat man mich während dieser Zeit nach Angst gefragt. Ich habe immer gesagt: Die Angst schützt uns, die Panik zerstört uns. Angst lässt mich konzentriert sein, Panik verwirrt.

Du warst in Indien, in ganz Europa und an vielen entlegenen Orten der Welt. Heute bist du in Akko: Was hat Akko, was die Welt nicht hat?
Eine Geschichte von 5300 Jahren. Das klingt vielleicht komisch, aber Akko altert nicht in einem Jahr um ein Jahr, sondern im Durchschnitt in einem Jahr um 20 oder 40 Jahre.

Was meinst du damit?
Jedes Jahr gibt es archäologische Ausgrabungen, und jedes Mal findet man neue und ältere Schichten. Vor 20 Jahren schätzte man das Alter der Stadt auf 4500 Jahre, nun ist sie viel älter. Und das ist interessant. Aber was wirklich wichtig ist: Akko ist eine der schönsten und wichtigsten Städte. Sie hat den sichersten Hafen des Mittelmeers. Er ist durch seine Lage natürlich beschützt. Jeder Herrscher in der Vergangenheit, der mehr als nur ein lokaler Held sein wollte, wusste um Akkos Bedeutung als Knotenpunkt für den internationalen Handel.

Und wie ist Akko heute?
Ich finde es gerade am besten, dass Akko keine »Plastic Fantastic«-Stadt wie die anderen Städte rund um das Mittelmeer ist.

Das müsstest du bitte erklären.
Egal, ob die touristischen Zentren in Griechenland, der Türkei, Italien oder Spanien – diese Städte sind doch irgendwie alle gleich. Die Atmosphäre ist sehr ähnlich. Man muss sich zwischendurch oft fragen: Wo sind wir eigentlich?

Und das ist in Akko anders.
Ja, definitiv. Hier ist noch viel von dem ursprünglichen Charme erhalten geblieben. In den vergangenen zehn oder 15 Jahren ist Akko viel bekannter geworden in der Welt, aber noch ist diese besondere Atmosphäre da. Meine Hoffnung ist, dass wir nicht dem Klub von »Plastic Fantastic« beitreten.

Was macht diese besondere Atmosphäre aus?
Die Beziehungen zu den arabischen Bewohnern sind gut, die Stadt wird immer beliebter, auch bei israelischen Touristen. Wir haben schöne Strände, und man kann fantastisch Wassersport betreiben. Es gibt tolle Restaurants und Hotels.

Vielleicht sprechen wir kurz noch über dein Kochbuch.
Ach, stimmt, ich habe ja eins geschrieben.

Die Rezepte, die du ausgesucht hast, nehmen einen großen Teil ein, aber mindestens genauso groß und ausführlich ist die Beschreibung der Vor- und Zubereitung. Ist es dir wichtig, dass der Leser sich haargenau daran hält?
Man kann Kochbücher heute in Rezeptbücher und in Kochbücher unterteilen. Rezepte kann man heute überall bekommen. Irgendwann stehen sie auch noch auf Toilettenpapier. Deswegen: Wenn jemand ein Rezept bekommt und dazu nicht die genauen Informationen erhält, welche Arten es bei der Zubereitung gibt, kann es sehr gut möglich sein, dass das Ergebnis ein anderes ist als angedacht. Ich möchte den Menschen das ganze Bild geben. Vom Fischfang oder der Gemüseernte bis hin zum Teller. Wenn jemand wie Uri Buri kochen will, dann kann er ein Gericht, das ohne Deko auskommen soll, nicht mit essbaren Blumen bestreuen. Das ist nicht mein Stil und auch nicht Sinn der Sache. Selbst die Atmosphäre in der Küche zeigt sich in den Rezepten: Sie ist ruhig, ohne Geschrei. Jeder weiß, was er zu tun hat.

Du beschäftigst bewusst keine ausgebildeten Köche. Weshalb nicht?
Ich bilde sie auf meine Art aus. Jeder Koch kann bei uns auch Geschirr spülen. Und jeder, der Geschirr spült, kann auch kochen. Wir haben eine Dame, die seit mehr als 20 Jahren bei uns ist und die – ohne ein Wort Hebräisch zu sprechen – nach Israel kam. Heute kann sie alles machen bei uns: Vorbereitungen, Organisation und eben auch das Spülen übernehmen, wenn es sein muss. Wenn jemand kommt und denkt, alles schon zu wissen – das kann ich nicht akzeptieren.

Das klingt ziemlich streng, Uri.
Ich bin kein Tyrann, aber ich bin seit vielen Jahren Chef eines Restaurants, in das Leute kommen, die wissen, was sie erwarten können.

Dein Restaurant gilt als das beste Fischrestaurant Israels. Auch viele Hobbyköche haben Respekt vor dir. Ahnst du, weshalb?
Also: Fisch ist so einfach. Wenn man einen frischen Fisch kauft, weiß, wie man mit ihm umgeht, dann versteht man, dass Fisch viel unkomplizierter zuzubereiten ist als Fleisch. 20 Minuten sind beim Fisch schon zu viel. Man muss ihn nicht tagelang vorbereiten. Man kann ihn kaufen und zubereiten. Ich hoffe, dass die Menschen die Angst vor dem Fisch verlieren.

Hast du einen Lieblingsfisch?
Nein, so etwas habe ich nicht. Es gibt auch keinen schlechten Fisch, nur einen schlechten Koch. Fische haben verschiedene Texturen und Geschmacksarten, ich kann da keinen herausnehmen.

Und was kochst du am liebsten für deine Frau?
Yael, was koche ich für dich? Ach, sie sagt, sie mag alles, was ich zubereite. Jetzt weißt du, weshalb wir schon 50 Jahre verheiratet sind. Sie ist eine ganz besondere Frau. So eine findet man nicht jeden Tag.

Mit dem israelischen Koch Uri Jeremias – genannt Uri Buri – sprach Katrin Richter.

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