Die Angst vor der Schwarzen Liste geht um. Ende dieses Jahres will der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen eine Aufstellung von Unternehmen herausgeben, die Geschäfte in oder mit den von Israel besetzten Gebieten tätigen. Unter den rund 150 Unternehmen sind führende israelische und internationale Namen wie Motorola, HP, Ahava, Bezeq und andere. Der Hochkommissar der Organisation, der Jordanier Seid bin Ra’ad Seid Al-Hussein, hat bereits im September Briefe an die Unternehmen geschickt, in denen er diesen Schritt ankündigte.
Zu den umstrittenen Gebieten gehören neben den jüdischen Siedlungen im Westjordanland auch der Ostteil Jerusalems und die Golanhöhen. Die Liste war auf Anregung der Palästinenserbehörde und verschiedener arabischer Staaten zusammengetragen worden.
Der Menschenrechtsrat ersetzte vor elf Jahren die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, nachdem diese mehrfach in die Kritik geraten war, weil sie Staaten aufnahm, die für Menschenrechtsverletzungen berüchtigt sind, darunter China, Syrien und der Iran. Es ist auch bekannt, dass der Rat Israel überdurchschnittlich oft anprangert, während andere Staaten gar nicht oder nur selten erwähnt werden.
Boykott Einheimische Unternehmen bezeichneten den Schritt bereits als hochgradig anti-israelisch. Doch bislang wird meist nur hinter vorgehaltener Hand Kritik geübt. Die wenigsten sprechen sich öffentlich dagegen aus und versuchen sich in Schadensbegrenzung durch Stillschweigen. Nach dem Motto: Je weniger Reklame, desto besser. Das israelische Außenministerium versucht derzeit, hinter den Kulissen gemeinsam mit Vertretern der USA die Veröffentlichung zu verhindern. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, hat sich bereits gegen die Liste ausgesprochen. Doch wie es derzeit aussieht, ist diese bereits beschlossene Sache.
Obwohl sie keine Maßnahmen vorgibt oder (noch nicht) mit gesetzlichen Folgen droht, wird die Schwarze Liste als sehr bedenklich und geschäftsschädigend gewertet. Sie könnte beispielsweise potenzielle internationale Investoren davon abhalten, mit Israel Geschäfte zu machen, oder sie dazu bringen, ihre Tätigkeiten zu reduzieren. Zudem könne man davon ausgehen, dass die Liste die BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) stärkt, meinen Experten. Einige der angeschriebenen israelischen Firmen sollen bereits in Erwägung ziehen, Al-Hussein und den UN-Menschenrechtsrat zu verklagen. Sie meinen, die Liste sei eine rein politische Angelegenheit.
Diesen Schritt überlegen nach einem Bericht der Washington Post auch internationale Unternehmen. Einige lassen derzeit prüfen, ob Klagen erfolgversprechend sind. Sie glauben, dass der Eintrag ihrer Marke und ihren Einkünften schaden werde, und argumentieren, dass gegen Firmen, die in anderen umstrittenen Regionen tätig sind – etwa auf der Krim oder in der West-Sahara –, nichts unternommen wird.
international Die Zeitung Yedioth Ahronoth veröffentlichte in der vergangenen Woche eine Liste von 25 Top-Unternehmen, die aufgeführt sein sollen: Israel Aerospace Industries, Ahava Cosmetics, Rami Levy und Shufersal-Supermärkte, Nesher-Bier, die Kette Café Café, Angels-Bäckerei sowie die Telekommunikationsfirmen HOT, Partner, Cellcom und Bezeq. Auf internationaler Ebene sollen die Tech-Giganten Hewlett Packard (HP) und Motorola sowie das Immobilien-Geschäft RE/MAX dabei sein. Ein Fernsehbericht in Kanal 2 berichtete, Airbnb und TripAdvisor hätten ebenfalls Post von Al-Hussein erhalten.
In diesem Brief stand, dass man erwäge, das betreffende Unternehmen aufzulisten, und gern noch weitere Informationen hätte, um es abschließend zu bewerten. Außerdem bat Al-Hussein um Vertraulichkeit. Stella Handler, Geschäftsführerin des größten israelischen Telekommunikationsunternehmens Bezeq, wollte diese Zeilen nicht still hinnehmen und äußerte sich nach Erhalt auf Facebook: »Wir werden einer Bitte, die so vollständig anti-israelisch ist, nicht nachkommen.« Weiter schrieb sie, Bezeq sei stolz auf die Zusammenarbeit mit der Armee und stelle allen Menschen, egal welche Religion, ethnische Zugehörigkeit oder welches Geschlecht sie haben, ihre Dienste zur Verfügung.
löschung Darüber hinaus beschrieb Handler die Petitionen des Menschenrechtsrates: »Von den 68 Entscheidungen waren 50 Prozent gegen Israel gerichtet. Nicht Nordkorea, nicht Syrien, nicht der Sudan und nicht der Jemen bekamen diese Aufmerksamkeit.« Obwohl ihr Posting eindeutig pro Israel war, bat das Außenministerium die Bezeq-Chefin, es zu löschen – was sie auch tat. Offenbar besteht auf offizieller Seite die Sorge, dass andere Betroffene es Bezeq gleichtun und sich öffentlich äußern. Die Regierung indes präferiert derzeit offensichtlich die diplomatische Hintertür.
Dass Boykottaufrufe tatsächliche Auswirkungen für Firmen haben, zeigt das Beispiel SodaStream. Der international erfolgreiche Sprudelgeräte-Hersteller hatte seinen Produktionssitz in der jüdischen Siedlung Maale Adumim bei Jerusalem und beschäftigte dort Juden und Araber gemeinsam. Doch die BDS-Aktionen schädigten SodaStream so sehr, dass die Geschäftsleitung beschloss, die Firma ins israelische Kernland zu verlegen. Diejenigen, die den Preis dafür bezahlten, waren die mehr als 500 palästinensischen Angestellten, die ihre gut bezahlten und sicheren Jobs verloren.