Unfälle mit Fahrrädern, Schwächeanfälle und Dehydration von Fastenden, Schwangere in den Wehen und schließlich die Geburt von sieben Babys: An Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, mussten die Ambulanzen des Magen David Adom in Israel mehr als 1700-mal ausrücken. Das teilten die Rettungskräfte mit. Tausende zusätzliche Retter hatten an diesem Tag Dienst. Für sie ist Jom Kippur der »geschäftigste« Tag des ganzen Jahres.
Der Versöhnungstag hatte am Dienstag nach Sonnenuntergang begonnen und war am Mittwochabend nach Einbruch der Dunkelheit zu Ende gegangen. Im Gegensatz zu Krankenwagen fahren in Israel an Jom Kippur so gut wie keine gewöhnlichen Autos. Flugzeuge dürfen nicht fliegen, Maschinen nicht arbeiten, Radio- und Fernsehstationen übertragen nicht. Doch während die zivile Wirtschaft ruhte, waren die Sicherheitskräfte wie Armee, Polizei und medizinisches Personal in Alarmbereitschaft.
Fasten Viele Israelis begingen den jüdischen Sühnetag mit dem traditionellen Fasten, indem sie 25 Stunden lang keine Nahrung und Getränke zu sich nahmen. Die Synagogen waren mit Gläubigen gefüllt. In allen Orten hörte man das Gemurmel der Gebete durch die Luft hallen. An der Kotel in Jerusalem versammelten sich an diesem Tag Tausende.
Gegen Abend an Jom Kippur hatte ein 26-jähriger Palästinenser nach Angaben der Polizei in der Stadt versucht, einen jüdischen Gläubigen mit einem Schraubenzieher niederzustechen. Beamte erschossen den Angreifer, das Opfer sei unverletzt geblieben. Die Armee hatte zuvor das palästinensische Westjordanland abgeriegelt, wie an den meisten jüdischen Feiertagen.
Auch die Grenzübergänge zum Gazastreifen waren geschlossen und wurden lediglich für Notfälle geöffnet. An der Grenze zum Gazastreifen waren mehrere Proteste ausgebrochen, gab die israelische Armee an. »Hunderte von Demonstranten rollten brennende Reifen und warfen Molotowcocktails gegen die Soldaten und den Grenzzaun. Rund 20 Palästinenser durchbrachen den Zaun«, hieß es in einer Stellungnahme der Armee. Sie seien festgenommen worden, Verletzte oder größeren Sachschaden habe es nicht gegeben.
Muskelkraft Auch säkulare Israelis pflegen eine lange Tradition an diesem besonderen Tag: Sie übernehmen die verlassenen Straßen und Autobahnen einmal im Jahr gänzlich mit ihrer Muskelkraft. Keine Autos und Lastwagen, sondern Kinder, Jugendliche und Erwachsene düsen mit Fahrrädern, Rollern, Skateboards und Rollschuhen über den Asphalt.
Einige Minuten nach 19 Uhr am Mittwoch begann wieder langsam der israelische Alltag: Die Familien versammelten sich zum Fastenbrechen, die Motoren wurden wieder angeworfen.
Ganz Eifrige holten bereits am selben Abend die Werkzeuge heraus. Denn am Sonntag beginnt das nächste Fest im jüdischen Kalender: Sukkot. Und dafür gilt es, Laubhütten zu bauen, um sieben Tage darin zu wohnen. Besonders in den ultraorthodoxen Gegenden des Landes ertönte das Hämmern und Sägen bis spät in die Nacht.