Es waren zwar nicht sieben auf einen Streich, aber doch drei. Denn das Timing hätte perfekter nicht sein können: Einen Tag nach dem »Nationaltag der Nukleartechnologie« im Iran und mitten während der internationalen Gespräche zum Atomabkommen gab es eine massive Explosion in der iranischen Urananreicherungsanlage Natanz. Zur selben Zeit stattete der neue US-Verteidigungsminister Lloyd Austin Jerusalem eine offizielle Visite ab.
Nur Stunden zuvor hatten iranische Wissenschaftler in Natanz hoch entwickelte Zentrifugen angeschaltet, die den Prozess der Urananreicherung hätten verkürzen sollen – und damit den Countdown bis zu einer iranischen Atombombe.
Am Sonntag habe »eine große Explosion das interne Stromversorgungssystem zerstört, das die Zentrifugen zum Anreichern von Uran betreibt«, schreibt die »New York Times«, die sich auf anonyme israelische und amerikanische Quellen beruft. Angeblich würde die Explosion die Fähigkeit, eine Atombombe herzustellen, um neun Monate oder sogar mehr verzögern. Der Iran hatte zunächst von einem Cyberanschlag auf Natanz berichtet.
SANKTIONEN Wer auch immer dafür verantwortlich ist – er wollte eine klare Botschaft senden. Und zwar gleich an drei Adressaten auf einmal: das Regime in Teheran, die neue US-Regierung und die internationalen Partner des Atomabkommens mit dem Iran. Der Leiter der iranischen Atombehörde, Ali Akbar Salehi, verkündete, dass es sich bei der Explosion um einen »Terrorakt« handele. Ein Ziel sei es gewesen, die Atomverhandlungen in Wien zu sabotieren, so Salehi.
Der Vorfall ereignete sich während der internationalen Gespräche zum Atomabkommen.
Teheran glaubt auch zu wissen, wer dafür verantwortlich ist. Außenminister Javad Zarif gab unumwunden Jerusalem die Schuld: »Die Zionisten wollen Rache nehmen, weil wir mit der Aufhebung der Sanktionen so weit fortgeschritten sind. Doch jetzt rächen wir uns an ihnen.« Man wolle nun noch stärkere Zentrifugen in die Anlage einbauen. Einige dieser neueren Maschinen benutze der Iran bereits – ein eindeutiger Bruch des Abkommens, das im Jahr 2015 unterzeichnet wurde.
Zudem präsentierten Wissenschaftler am vergangenen Samstag in Teheran stolz die IR-9-Zentrifuge, die Uran 50-mal schneller anreichern kann als die der ersten Generation, IR-1. Der Vertrag mit den internationalen Mächten beschränkt das Regime auf die Benutzung der IR-1-Zentrifugen.
Es war nicht das erste Mal, dass es in Natanz zu Vorfällen kam, die Israel zugeschrieben werden. Bereits im vergangenen Sommer hatte ein großes Feuer Teile der unterirdischen Anlage vernichtet. Menschen waren damals wie bei dem jüngsten Vorfall nicht zu Schaden gekommen. Nach iranischen Angaben sei auch keine Radioaktivität ausgetreten. Es wird angenommen, dass in Natanz der Hauptteil der Atomforschung und Urananreicherung des Landes stattfindet.
POSITION Jerusalem hat stets betont, eine atomare Bewaffnung des Irans um jeden Preis verhindern zu wollen. Auch ist die derzeitige Regierung, allen voran Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, vehementer Gegner des internationalen Abkommens mit dem Iran. Dieses soll das Teheraner Programm so sehr einschränken, dass es keine atomaren Waffen herstellen kann.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump hatte die Vereinbarung kurz nach seinem Amtsantritt für null und nichtig erklärt. Das möchte der Iran ändern und Washington an den Verhandlungstisch zurückholen. Noch ist nicht klar, welche Position der neue amerikanische Präsident Joe Biden vertreten wird.
Der Ausgang könnte die politische Lage im Iran maßgeblich beeinflussen. Denn derzeit rumort es auf dem dortigen politischen Parkett. Das Parlament will gegen Präsident Hassan Ruhani Anzeige erstatten, weil dieser Gesetze missachtet haben soll. 190 der 235 Abgeordneten stimmten für eine Anzeige. Kritiker Ruhanis werfen ihm schon lange vor, »zu westlich« zu sein. Eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen, die wegen Verstößen gegen das Atomabkommen verhängt wurden, würde Ruhanis Position stärken.
Der Iran hatte stets betont, dass seine nukleare Forschung ausschließlich für zivile Zwecke bestimmt sei. Doch das glauben die wenigsten in der internationalen Gemeinschaft.
Unterdessen hatte Israels Verteidigungsminister Gantz seinen Amtskollegen Austin in Jerusalem empfangen. Es handelte sich dabei um den ersten hochrangigen Besuch aus den USA seit der Amtsübernahme des neuen Präsidenten im Januar. In einer gemeinsamen Erklärung versprach Gantz, mit den USA zu kooperieren, während Austin beteuerte, dass das Weiße Haus den militärischen Vorsprung Israels in der Gegend wahren werde. »Dies ist Teil der starken Verbindung zu Israel und dem israelischen Volk.« Den Iran erwähnte Austin nicht direkt.
ZWISCHENFALL Jerusalem veröffentlichte weder eine Bestätigung des Anschlags noch ein Dementi. Am selben Tag aber erklärte Netanjahu, dass der Kampf gegen den Iran und seine Verbündeten eine gewaltige Aufgabe sei.
Der Iran hatte stets betont, dass seine nukleare Forschung ausschließlich für zivile Zwecke bestimmt sei. Doch das glauben die wenigsten in der internationalen Gemeinschaft.
Einige Tage zuvor hatte es bereits einen Zwischenfall im Roten Meer gegeben. Dabei war ein iranisches Schiff bei einer Explosion vor der Küste Dschibutis beschädigt worden. Das iranische Außenministerium bestätigte den Vorfall. Und am Dienstag wurde ein Schiff, das unter der Flagge der Bahamas vor den Vereinigten Arabischen Emiraten segelte, aber einer israelischen Reederei gehört, von einer iranischen Rakete getroffen.
Es sind nur die jüngsten in einer ganzen Reihe von Angriffen auf iranische und israelische Schiffe. In den vergangenen zwei Monaten sollen bereits zwei Frachtschiffe aus Israel durch iranische Attacken beschädigt worden sein, eines im Golf von Oman und eines auf dem Weg nach Indien.
All diese Entwicklungen laufen vor dem Hintergrund der Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen dem Iran und den verbliebenen Partnern ab: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China. »Was wir gerade aus Teheran hören, ist kein positiver Beitrag, besonders im Angesicht der Entwicklung in Natanz«, kommentierte der deutsche Außenminister Heiko Maas vor dem Beginn der Gespräche in Wien.
Der Chef der israelischen Streitkräfte, Aviv Kochavi, äußerte sich auch, allerdings ähnlich vage wie Ministerpräsident Netanjahu: »Unsere militärischen Operationen in Nahost bleiben unseren Feinden nicht verborgen. Sie beobachten uns, sehen unsere Fähigkeiten und wägen jeden ihrer Schritte mit Vorsicht ab.«