Es sind unerträgliche Berichte. Doch die Welt muss sie hören. Denn sie sind nicht nur geschehen – sie geschehen noch immer. Fast eineinhalb Jahre nach seiner Freilassung äußerte sich die ehemalige Geisel Ron Krivoi am Freitag zum ersten Mal über seine schrecklichen Erlebnisse in der Gewalt der Hamas. Doch Krivoi sprach in Channel 12 nicht nur über sich selbst. Er erzählte auch davon, welche Misshandlungen dem verschleppten jungen israelischen Soldaten Matan Angrest durch die Terrorgruppe angetan werden.
Er sei »ein stiller Mensch, der einfach sein Leben lebt«, sagte Krivoi. Daher habe er bislang keine Interviews gegeben. »Ich habe einfach mein Leben weitergeführt.« Doch jetzt wolle er mit seinen Aussagen vor allem helfen, dass Matan freigelassen wird, betonte er in dem Fernsehinterview. In den letzten Monaten habe er zudem versucht, mit Premierminister Benjamin Netanjahu Kontakt aufzunehmen, um ihm direkt über Angrests schwere Verletzungen zu informieren. Bemühungen, die der Premier nach seinen Angaben bisher nicht erwidert habe.
Krivoi arbeitete als Tontechniker auf dem Nova-Festival
Der 27-jährige russisch-israelische Staatsbürger Krivoi arbeitete am 7. Oktober als Tontechniker auf dem Nova-Musikfestival in Re’im, als die blutrünstigen Hamas-Horden kamen, mordeten und verschleppten. Sie nahmen auch ihn als Geisel. Zunächst sei er in einem Wohnhaus festgehalten worden. Nachdem das Haus von der israelischen Armee beschossen worden war, gelang es ihm zu fliehen.
Vier Tage und Nächte sei er durch Gaza geirrt, versteckte sich auch in Feldern, und versuchte, an die Grenze zu Israel zu gelangen. Doch schließlich wurde er von palästinensischen Zivilisten entdeckt.
»Als mich jemand sah, endete es nicht gut«, sagte er und fügte hinzu, dass es sich um »ganz normale Gazaner« gehandelt habe. »Was ich dort erlebt habe, war alles andere als leicht. Die Leute, die mich fingen und zur Hamas zurückbrachten, schlugen mich und ließen ihren ganzen Frust an mir aus.«
Zurück bei den Terroristen wurde es noch schlimmer. Die Tunnel der Hamas seien ein unvorstellbarer, klaustrophobischer Albtraum gewesen. »Wo wir waren, sind nicht die Tunnel, die man auf den veröffentlichten Bildern sieht. Wir waren in etwas ganz Kleinem, Tiefem, Unterirdischem. Wir hatten nicht einmal einen Boden, sondern lagen auf Sand und Matratzen, die völlig verschimmelt waren. Wir waren in einem wirklich, wirklich kleinen Käfig. Genau genommen nur eineinhalb mal eineinhalb Meter. Man musste ständig liegen. Stehen ging einfach nicht.«
»Das sind die Befürchtungen: Matans Hand ist gelähmt, seine Augenhöhle und Nase sowie sein Kiefer sind gebrochen.«
ron krivoi
Es habe auch keine Toilette und kaum Essen gegeben. »Wir waren zu fünft und bekamen einen Teller mit etwas aus einer Konserve und ein Pita-Brot, das wir unter uns aufteilten.« In den 51 Tagen seiner Geiselhaft habe er neun Kilogramm an Gewicht verloren.
Unter diesen fürchterlichen Bedingungen traf Krivoi auf den schwer verwundeten Matan Angrest, ein junger Soldat der IDF, der einzige Überlebende einer Panzerbesatzung. Der 20-Jährige sei »völlig verängstigt« gewesen. Er war am 7. Oktober von Hamas-Terroristen von israelischem Gebiet nahe der Grenze zum Gazastreifen entführt worden.
Die Folter habe noch in Israel begonnen, so Krivoi. »Sie schlugen ihn, bis er ohnmächtig wurde und versetzten ihm auf dem Weg Stromschläge mit einer Autobatterie, um ihn aufzuwecken und zu verhören«, wusste er zu berichten. Doch Angrest habe immer wieder das Bewusstsein verloren. »Er war wahrscheinlich gar nicht in der Lage zu sprechen, denn er war so schwer verletzt. Seine Verletzungen sind wirklich sehr schwer.«
Matan sei auch während der Geiselhaft immer wieder an Autobatterien angeschlossen worden, um ihn zu foltern und Informationen zu erhalten, erinnerte sich Krivoi. Die Schmerzen hätten oft dazu geführt, dass er das Bewusstsein verlor. Soldaten, betonte er, wurden noch härter behandelt als Zivilisten, die von der Terrorgruppe festgehalten wurden.
Matan habe »schreckliche Verbrennungen an den Fingern«
Nach der Veröffentlichung eines Propagandavideos der Hamas von Matan analysierten Mediziner in Israel die Aufnahmen. Sie gehen davon aus, dass die Hand von Matan wahrscheinlich gelähmt sei. Diese Informationen wurden von den Eltern des Soldaten bestätigt.
Auch Krivoi nimmt an, dass dies so ist. »Das sind die Befürchtungen: Seine Hand ist gelähmt, seine Augenhöhle und Nase sowie sein Kiefer sind gebrochen«, lautete die fürchterliche Zusammenfassung der ehemaligen Geisel. »Die Folter und Misshandlungen, die sie ihm zugefügt haben…«, sagte er dann und stockte. »Selbst wenn man versucht, es sich vorzustellen. Was er durchmacht, kann sich kein Mensch vorstellen.«
Der junge Israeli habe auch Verbrennungen an den Fingern gehabt. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Es sah aus, als käme es von Säure oder etwas ähnliches. Es kann kein normales Feuer gewesen sein. Es war schrecklich.«
Krivoi wurde im November 2023 im Rahmen des ersten Geiselabkommens aus der Gefangenschaft entlassen. Während das Abkommen die Rückkehr von hauptsächlich Frauen, Kindern und älteren Menschen vorsah, die am 7. Oktober verschleppt worden waren, erklärte Krivoi, dass ihn einzig seine russische Staatsbürgerschaft vor der langen Gefangenschaft bewahrt habe, die die verbleibenden Geiseln derzeit erleiden. Mehr als eineinhalb Jahre nach dem Massaker der Hamas sind nach wie vor 59 Geiseln in der Gewalt der Hamas in Gaza. 24 von ihnen sollen noch am Leben sein, alles jüngere Männer, die meisten von ihnen Zivilisten.
»Ich bin durch ein Wunder hier. [Der russische Präsident Wladimir] Putin hat mich nach Hause gebracht«, schloss Krivoi. »Wenn ich nicht die russische Staatsbürgerschaft hätte – ich weiß, dass ich noch immer mit Matan in den Tunneln wäre.«