Die Flugblätter haben verschiedene Farben: Rot für die Gegenden, die evakuiert werden müssen, Blau für die Erklärung der humanitären Zonen, in die sich die Menschen begeben sollen. Am Montagmorgen hat die israelische Armee damit begonnen, die Flugblätter auf den südlichen Gazastreifen abzuwerfen.
Damit scheint klar, dass sich die IDF auf einen Einsatz in Rafah vorbereitet. Einen Tag zuvor waren vier Soldaten von einem Angriff der Hamas am Grenzübergang zwischen Israel und Gaza, Kerem Schalom, getötet worden.
Die Offensive hatte die rechtsreligiöse Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu seit Monaten angekündigt. Verbündete hatten ebenso lange gedrängt, von einem Einmarsch in das Gebiet, in dem sich Hunderttausende Flüchtlinge aus dem nördlichen Gaza befinden, abzusehen. Es werden hohe zivile Verluste erwartet.
Israel bezeichnet Rafah als die letzte Hochburg der Hamas und argumentiert, dass die Bedrohung der Hamas gegen Israel weitergehen werde, wenn es keine Bekämpfung der Bataillone und Infrastruktur der Terrororganisation an diesem Ort gibt.
Außerdem werden Geiseln in der Stadt an der Grenze zu Ägypten vermutet. Die Armee kommentierte: »Wir werden die Hamas überall in Gaza weiterverfolgen, bis alle Geiseln, die sie in Gefangenschaft halten, wieder zu Hause sind.
Gewaltsame Erinnerung an operative Fähigkeiten der Hamas
Die Hamas-Attacke vom Sonntag sei eine »gewaltsame Erinnerung an die Präsenz und die operationalen Fähigkeiten der Hamas in Rafah«, so die IDF am Montag. Vom israelischen Grenzübergang Keren Schalom aus werden Hilfsgüter aus Israel in den Gazastreifen geliefert.
Das Militär griff nach eigenen Angaben im Anschluss an den Anschlag »mit Kampfflugzeugen der Luftwaffe über Nacht Terrorziele in der Gegend von Rafah an. Zu den Zielen gehörten ein Scharfschützenposten, eine Militärstruktur und terroristische Infrastruktur. Darüber hinaus identifizierten IDF-Truppen eine bewaffnete Terrorzelle. IAF-Flugzeuge griffen die Terroristen an und eliminierten sie«.
Bei der Evakuierung handele es sich um einen »eingeschränkten Einsatz«. Von den Maßnahmen betroffen sind etwa 100.000 Menschen, die sich in Ost-Rafah aufhalten, wie ein IDF-Sprecher angab. Die Zivilisten seien neben den Flugblättern in arabischer Sprache auch per SMS, Telefon und durch arabischsprachige Medien informiert worden.
»Die Armee hat den humanitären Bereich in Al-Mawasi erweitert, um den gestiegenen Hilfslieferungen gerecht zu werden. Dieser umfasst Feldlazarette, Zelte und größere Mengen an Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und anderen Hilfsgütern.«
sprecher der Idf
Sie sollen sich in das Flüchtlingslager Al-Mawasi am Mittelmeer begeben. »Die Armee hat den humanitären Bereich in Al-Mawasi erweitert, um den gestiegenen Hilfslieferungen nach Gaza gerecht zu werden. Dieser erweiterte humanitäre Bereich umfasst Feldlazarette, Zelte und größere Mengen an Nahrungsmitteln, Wasser, Medikamenten und zusätzlichen Hilfsgütern«, so das israelische Militär.
Es wurde auch betont, dass die Versorgung der Bevölkerung mit humanitären Hilfsgütern während des Räumungseinsatzes ungehindert weitergehen werde. Man könnte diese über verschiedene Routen in den Küstenstreifen bringen, etwa über den Hafen in Aschdod.
Dass die Offensive nach den Evakuierungen in Etappen vorgehen und einige Wochen andauern soll, hatten bereits mehrfach nationale und internationale Medien berichtet. Israelische Medien berichteten am Montag zudem, dass sich ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte im vergangenen Monat in Kairo unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef getroffen haben, um Israels geplanten Einsatz in Rafah zu besprechen.
In Rafah liegt der Grenzübergang zwischen Gaza und Ägypten
Ägypten befürchtet unter anderem, es könnte dadurch zu einem Ansturm von Palästinensern über die Grenze kommen. Kairo weigert sich bislang kategorisch, palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen. In Rafah liegt der Grenzübergang vom Gazastreifen nach Ägypten, der ein wichtiges Tor für humanitäre Hilfslieferungen ist.
Israel habe bei den jüngsten indirekten Gesprächen mit der Hamas weitreichende Zugeständnisse gemacht und unter anderem die Möglichkeit einer Feuerpause von bis zu einem Jahr angeboten, berichtete das »Wall Street Journal« in der vergangenen Woche unter Berufung auf ägyptische Beamte. Israel hatte diese Verhandlungen, die Wochen andauerten, als »letzte Chance« gesehen. Ein Regierungsbeamter wurde in mit den Worten zitiert: »Entweder ein Abkommen in naher Zukunft oder Rafah«.
Doch die Eskalation am Sonntag mit dem Raketenangriff der Hamas scheint eine Vereinbarung für einen Waffenstillstand und eine Befreiung von Geiseln in naher Zukunft unwahrscheinlich gemacht zu haben. Zwar würden ägyptische Unterhändler noch versuchen, die aktuelle Eskalation zwischen Israel und der Hamas einzudämmen, berichtete der ägyptische Nachrichtensender Al Qahera. Doch der Bericht hob auch hervor, dass der tödliche Angriff der Hamas ganz klar zu einer Sackgasse bei den Verhandlungen geführt habe.