Das Europäische Parlament hat am Mittwochabend in Brüssel mit großer Mehrheit das Luftverkehrsabkommen der EU mit Israel gebilligt. Ein Antrag von Linken, Sozialdemokraten und Grünen, aus Protest gegen die Annektierungspläne der Netanjahu-Regierung im Westjordanland die endgültige Ratifizierung des Abkommens hinauszuschieben, wurde zurückgewiesen.
Die Vereinbarung zwischen Brüssel und Jerusalem wurde bereits 2013 unterzeichnet und zwischenzeitlich von allen 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert. In der Praxis werden die darin enthaltenen Bestimmungen schon seit sieben Jahren angewendet. Das Abkommen ersetzt bestehende bilateralen Vereinbarungen zwischen Israel und den EU-Mitgliedsstaaten.
NUTZEN Es habe beiden Seiten »erheblichen Nutzen eingebracht und die Anbindung zwischen der EU und Israel deutlich verbessert, da seit seiner Unterzeichnung weitere annähernd 70 Städtepaare miteinander verbunden sind«, hieß es in der Beschlussvorlage für die Abgeordneten. Außerdem enthalte das Abkommen »gesonderte Schutzmechanismen für den fairen Wettbewerb, die Wahrung von Arbeits- und Sozialstandards, den Schutz von Fluggastrechten und die Zusammenarbeit im Umweltbereich« und sorge so für ein hohes Maß an Übereinstimmung der in Israel geltenden Rechtsvorschriften im Luftverkehrsbereich mit denen der EU.
Bis vor wenigen Wochen galt die Annahme des Vertrags durch das Plenum daher als reine Formsache. Im April befürwortete der Verkehrsausschuss des Parlaments die Annahme – einstimmig. Doch seitdem wurde bei vielen israelkritischen Abgeordneten auf der Linken die Forderung laut, mit der Verschiebung der endgültigen Ratifizierung im Plenum ein Zeichen der Kritik an Israels Plänen zur Einverleibung von Gebieten im Westjordanland zu setzen.
»SYMBOLISCHE BEDEUTUNG« Die irische Abgeordnete Clare Daly von der Linksfraktion gab dies offen zu: »Diese Ratifizierung hat keine praktischen Auswirkungen, denn das Abkommen wird provisorisch bereits seit 2013 angewendet«, sagte sie. Eine Verschiebung dieses »Upgrades« der Beziehungen zwischen der EU und Israel wäre aber von hoher »symbolischer und politischer Bedeutung,« so Daly, um, wie sie hinzufügte, »dem schamlosen Bruch des Völkerrechts« durch Israel zu begegnen.
Der zuständige Berichterstatter des Verkehrsausschusses, der Ungar Andor Deli, hielt dem entgegen, das Europaparlament dürfe dem von der Corona-Krise gebeutelten Luftfahrtsektor nicht noch mehr Steine in den Weg legen. Der Ratifizierungsprozess sei so gut wie zu Ende, sagte Deli und fügte an: »Das Europaparlament muss immer Teil der Lösung sein, nicht Teil des Problems.«
Wenige Stunden zuvor hatte die sozialdemokratische S&D-Fraktion via Twitter die Forderung verbreitet, »neue Abkommen mit Israel« müssten aufgehalten werden, solange die Regierung dort damit drohe, »einseitig palästinensisches Land zu annektieren«.
Diese Forderung stieß beim deutschen Fraktionsmitglied Dietmar Köster auf scharfe Kritik. In einem Interview mit dieser Zeitung sagte der SPD-Europaparlamentarier, die Drohung mit der Verschiebung bedeute, an Israel andere Standards anzulegen als an andere Länder. »Wir haben so viele Abkommen über den Luftverkehr in der Welt mit Staaten, die diktatorisch regiert sind. Soweit ich weiß, ist Israel der einzige Staat, dem wir drohen, ein solches Abkommen auszusetzen«, so Köster. Ein solches Vorgehen öffne »die Tür für Antisemitismus«.
MEHRHEIT Köster war neben der früheren Bundesjustizministerin Katarina Barley aber der einzige SPD-Abgeordnete, der die Verschiebung des Votums ablehnte. Auch fast alle Abgeordneten von Grünen und Linken stimmten dafür, allerdings erfolglos: Eine deutliche Mehrheit von Konservativen, Christdemokraten und Liberalen pochte darauf, das Ratifizierungsverfahren des Vertrages abzuschließen und auf symbolische Warnschüsse an die Adresse Israels zu verzichten.
Der deutsche Europarlamentarier Sergey Lagodinsky sagte der Jüdischen Allgemeinen, auch er sei wegen der Annexionspläne der Regierung in Jerusalem »sehr besorgt«. Allerdings, so der Grünen-Politiker, »sehen viele von uns nicht, wieso ein weitgehend technisches Abkommen präventiv zum Scheitern gebracht werden sollte, ohne zu wissen, ob und was am 1. Juli in Israel beschlossen wird«. Israel sollte nicht anders behandelt werden als jeder andere Staat, betonte Lagodinsky.
In der Schlussabstimmung im Plenum billigten schließlich 437 der 686 teilnehmenden Abgeordneten das Abkommen. Darunter waren auch die meisten deutschen Parlamentarier.
Weniger kontrovers ging es im Parlament bei den Abstimmungen über die Luftverkehrsabkommen der EU mit anderen Ländern zu. So wurden ohne Aussprache die entsprechenden Verträge mit der Volksrepublik China, Jordanien und Georgien vom Parlament durchgewunken. Im Gegensatz zum Abkommen mit Israel äußerte dabei keiner der Abgeordneten völkerrechtliche Bedenken oder hatte ein Bedürfnis zu protestieren.