Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Regierungen der 27 EU-Staaten einen Vorschlag für Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder unterbreitet. Bestraft werden sollen demnach Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor einem EU-Außenministertreffen an diesem Donnerstag bestätigten.
Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sorgten zuletzt mit Äußerungen zu Gaza für Empörung. Sie sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Zudem sind beide Verfechter der Siedlungspolitik im Westjordanland.
Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Smotrich. Er bezeichnete eine mögliche Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt.
Vermögenswerte und Reisen
Die Hamas hat nach israelischer Zählung derzeit noch 107 Geiseln in ihrer Gewalt. Mindestens ein Drittel davon gilt als tot. Insgesamt verschleppten palästinensische Terroristen am 7. Oktober vergangenen Jahres mehr als 250 Menschen aus Israel in das Küstengebiet. Rund 1200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terroranschlag ermordet.
Dem Vorstoß Borrells zufolge könnten die Sanktionen gegen Smotrich und Ben-Gvir wegen Aufstachelung zu Hass und Menschenrechtsverletzungen verhängt werden. Demnach müssten von ihnen in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden und sie dürften nicht mehr in die EU einreisen.
Ob und wenn ja, wann der Vorschlag umgesetzt wird, ist allerdings noch unklar. Hintergrund ist, dass Sanktionsbeschlüsse in der Europäischen Union einstimmig gefasst werden müssen und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn Sanktionsforderungen gegen Israel bislang eher kritisch gegenüberstanden.
Gefährdete Gesprächskanäle
Als ein Argument gegen eine Sanktionierung der Minister nennen Diplomaten in Brüssel die anhaltenden Bemühungen um eine Deeskalation des Konflikts im Nahen Osten. Vor diesem Hintergrund könne es kontraproduktiv sein, durch Sanktionen Gesprächskanäle in die israelische Regierung zu gefährden, heißt es. Bislang hat die EU nur Sanktionen gegen einige radikale israelische Siedler und deren Strukturen verhängt.
Der israelische Außenminister Israel Katz schrieb unterdessen am Abend auf der Plattform X: »Wir arbeiten unermüdlich mit unseren europäischen Verbündeten zusammen, um israelfeindliche Entscheidungen auf dem morgigen Treffen der EU-Außenminister zu verhindern, die von israelfeindlichen Elementen vorangetrieben werden.«
Angesichts einer Bedrohung Israels durch den Iran und »seine stellvertretenden Terrororganisationen« müsse die freie Welt an der Seite Israels stehen und dürfe sich nicht gegen das Land wenden.
Scharfe Sanktionen
Die Forderungen nach einem Kurswechsel der EU im Umgang mit Israel wurden zuletzt lauter. So forderte die seit Jahren als überaus Israel-kritisch bekannte Organisation Amnesty International kurz vor dem EU-Außenministertreffen scharfe europäische Sanktionen wegen der Siedlungspolitik.
In einem Brief an die Teilnehmer spricht sich Amnesty International für ein umfassendes Waffenembargo und ein Verbot von Investitionen in bestimmte israelische Unternehmen und Banken aus. Zudem empfiehlt die Organisation, in der EU den Handel mit Gütern aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten zu verbieten. Auch Ost-Jerusalem solle dabei eingeschlossen werden.
Dies stimmt mit Forderungen der antisemitischen BSD-Bewegung überein, die Israel sowohl wirtschaftlich als auch kulturell boykottieren will.
Rückzug aus Gaza
Als Grund für ihre Forderungen nennen die Menschenrechtler das im Juli veröffentlichte Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zur angeblichen israelischen Besatzung der palästinensischen Gebiete. In diesem vertritt das höchste UN-Gericht die Auffassung, dass diese illegal sei und so schnell wie möglich beendet werden müsse.
Israel hat sich im Jahr 2005 einseitig und komplett aus Gaza zurückgezogen. Aus dem Küstenstreifen machten die Palästinenser eine Terrorhochburg und griffen Israel von dort aus unentwegt an. Diese Attacken schließen die Massaker vom 7. Oktober mit ein.
Seit dem Jahr 2000 hat Israel den Palästinensern mehrfach Gaza, 91 Prozent des Westjordanlandes und ein autonomes Ost-Jerusalem für einen eigenen Staat angeboten. Die Palästinenserführung lehnte diese Zweistaatenlösung ab und zog es vor, Israel mit Terror zu überziehen. dpa/ja