Israel hat längst einen Namen als Start-up-Nation. Neue Computerchips, preisgekrönte Apps oder Technologien, die für Milliarden von Euro aufgekauft werden, kommen aus den Denkerstuben in Haifa, Tel Aviv, Jerusalem und Beer Sheva. Doch israelische Forscher, Erfinder und Geschäftsleute sind auch mit ihren Entwicklungen im Kampf gegen den Hunger in der Welt ganz vorne dabei.
Schon vor der Staatsgründung haben die Israelis begonnen, die Wüste fruchtbar zu machen. Mit großem Erfolg. Immer wieder erfanden sie neue, bessere Methoden für die Landwirtschaft. Doch sie teilten ihr Wissen auch mit anderen, etwa durch die Agentur für internationale Entwicklungszusammenarbeit im Auswärtigen Amt, Mashav. Die Israelis arbeiten mit verschiedenen Methoden und in vielen Bereichen für die Ernährungssicherung.
Fische Die neueste Erfindung im Bereich der Fischzucht kommt von der Hebräischen Universität. Dort entdeckte die Zoologin und Aquakulturwissenschaftlerin Berta Levavi-Sivan eine Möglichkeit, größere Fische ohne weiteren Input, beispielsweise mehr Futter, zu züchten. Im Gehirn von Fischen entdeckte sie zwei winzige Proteine (Neurokinine), die eine bedeutende Rolle bei der Reproduktion darstellen. Mit ihrem Team arbeitete die Professorin daran, diese Neurokinine statt in die Vermehrung in das Wachstum umzuleiten. Mit Erfolg. Für ihre bahnbrechende Erkenntnis wurde Levavi-Sivan bereits ausgezeichnet.
»Wenn wir die Reproduktion etwas verzögern, wachsen die Fische mehr. Denn sie produzieren Millionen von Eiern und bringen dafür immense Energie auf. Wird dieses Konzept durchbrochen, fließt die Energie ins Wachstum«, so die Professorin. Bewiesen hat das Forscherteam seine Theorie bereits beim St.-Petersfisch, der im See Genezareth lebt. Er wuchs in zwei Monaten um 25 Prozent. Das Start-up zu dieser Idee hat den Namen AquiNovo.
Bewässerung Die strahlend weißen Plastiktabletts der Firma Tal-Ya Wassertechnologien sammeln Morgentau auf den Blättern der angebauten Pflanzen und bewässern sie damit. »Das Wasser wird direkt an die Wurzeln geleitet, die Bauern müssen dadurch viel weniger Wasser benutzen«, weiß Geschäftsführer Abraham Tamir. Die Ersparnis liegt bei bis zu 50 Prozent. Gleichzeitig würden die wiederverwertbaren Tabletts verhindern, dass Sonne auf die Erde um die Pflanze scheint, und somit das Wachstum von Unkraut verhindern. »Und das vermindert den Einsatz von Düngemitteln.«
Bio-Bienen Bei den biologischen Insektiziden der Firma Bio-Bee aus dem Kibbuz Sde Eliyahu werden nützliche Insekten und Milben gezüchtet, die die Aussaat schützen. Acht verschiedene Insekten sind derzeit im Angebot. Besonders beliebt ist eine winzige orangefarbene Spinne, die als Feind gegen die verheerende Spinnenmilbe eingesetzt wird. Es werden auch Hummeln für die natürliche Pollination in Gewächshäusern und offenen Feldern geliefert. Neuestes Angebot ist Bio-Fly, die sterile Fruchtfliegen produziert, um die Schädlinge in Obstplantagen unter Kontrolle zu halten. Gifte sind bei dem Einsatz dieses natürlichen Schutzes überflüssig. Bio-Bee kooperiert auch mit den Nachbarn in den palästinensischen Gebieten und in Jordanien.
Weizen Raz Avni vom Institut für Molekularbiologie an der Universität Tel Aviv arbeitet mit einem internationalen Team zusammen, um die DNS von Wildem Weizen zu verstehen. Die Forschung dauerte jahrelang, die Sequenzierung ist noch immer nicht komplett fertiggestellt. Während Wilder Weizen über rund zwölf Milliarden Säuremoleküle verfügt, die die DNS bilden, hat der Mensch lediglich rund dreieinhalb Milliarden. Die Wissenschaftler erhoffen sich von der Erkenntnis die Möglichkeit, resistentere Sorten von Weizen zu züchten, die auch in extrem unwirtlichen Gegenden angebaut werden können.
Haltbarkeit Die Firma Pimi Agro will mit ihrer Erfindung nicht nur die Haltbarkeit von frischen Lebensmitteln um ein Vielfaches verlängern, sondern es auch mit dem Hunger in der Welt aufnehmen. Dass sie die Konservierung frischer Waren revolutionieren kann, hat Pimi Agro in ausführlichen Studien bewiesen. Nimrod Ben Yehuda, Gründer und Forschungsleiter, würde gern die Welt retten. Er hat aber auch harte Zahlen parat: Ein Drittel bis die Hälfte aller Lebensmittel, die auf der Erde produziert werden, schaffen es nicht auf die Märkte, da sie bei der Lagerung oder auf dem Transportweg verderben. Als Folge würden Hunderte Millionen Menschen Hunger leiden. »Doch das müssen sie nicht mehr, wenn unsere Formel für Lebensmittel angewandt wird.«
»Auf Basis von simplem Wasserstoffperoxid (H2O2), einer Flüssigverbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff, verlängert das Produkt die Haltbarkeit etwa von Kartoffeln oder Paprika auf zehn Wochen oder länger. Und das ganz unabhängig von Lagerung oder Kühlung.« Die Forschung an dem Mittel dauerte 23 lange Jahre in Zusammenarbeit mit Forschern des Technion in Haifa und der Hebräischen Universität.
Tröpfchenbewässerung Es ist die wahrscheinlich weitreichendste Erfindung aus Israel, die schon Jahrzehnte alt und immer noch wirkungsvoll ist. Die Tröpfchenbewässerung wurde im Kibbuz Chatzerim von dem Wasseringenieur Simcha Blass erfunden und wird dort heute noch in der Firma Netafim hergestellt. Blass stellte fest, dass die stetige Bewässerung mit Tropfen zu großem Wachstum führt. Heute werden die Systeme von Netafim in die ganze Welt exportiert und helfen vor allem Entwicklungsländern, auch auf kargem Grund erfolgreiche Ernten einzufahren. Mit Tipa gibt es eine Innovation, die Gravitation nutzt, wenn es keine Wasserzufuhr gibt. Vor allem für afrikanische Länder eine lebensnotwendige Erfindung. Das neueste Produkt ist eine selbstreinigende Röhre, die stets denselben Wasserfluss ermöglicht.
Milchwirtschaft Weltweit anerkannte Innovationen gibt es auch im Bereich der Milchwirtschaft. Sie sind so beliebt, dass chinesische Investoren israelische Technologie kauften und regelmäßig Teams ins Heilige Land senden, um das richtige Melken zu lernen. Jetzt sind zehn israelische Unternehmen in einem besonderen Projekt in Vietnam involviert. Innerhalb von fünf Jahren soll dort eine riesige Milchfarm mit 30.000 Kühen aufgebaut werden. Es ist das größte Projekt seiner Art in der ganzen Welt – und Israel ist mit dabei.