Israel

»Es tobt ein Kulturkrieg«

Herr Goodman, hat die israelische Regierung die Demonstrationen der Charedim im ganzen Land dadurch provoziert, dass sie zu lange zu viel toleriert hat?
Ich glaube nicht. Es tobt ein Kulturkrieg zwischen säkularen Juden und den Charedim, der viele Höhen und Tiefen hat. Momentan befinden wir uns auf einem Höhepunkt. Der Kampf gegen den Staat gehört zur ultraorthodoxen Identifikationsbildung. Es ist den Charedim wichtig, ihren Unmut auszudrücken. Dieses Mal ist der Oberste Gerichtshof dran, das nächste Mal etwas anderes.

Das Urteil gegen die Trennung von aschkenasischen und sefardischen Schülern in der Siedlung Immanuel erklärt der Oberste Gerichtshof mit Rassismus. Die ultraorthodoxen Aschkenasim sagen, es gehe ausschließlich um Religiosität. Wer hat recht?
Es gibt tatsächlich Unterschiede in der Religiosität zwischen Aschkenasim und Sefardim. Doch hört man genau hin, erkennt man, dass das nicht der einzige Grund ist. Zwar sprechen die offiziellen Vertreter der Gemeinschaft nur davon, dass die Religion geschützt werden müsse. Doch die Leute auf der Straße reden anders: Mütter und Väter wollen nicht, dass ihre Sprösslinge mit Kindern zusammen sind, die »aus den ›niedrigeren Familien‹ stammen«. Vielleicht ist das Wort Rassismus zu stark, doch ethnische Trennung und Klassendenken ist es definitiv.

Ist die Kluft zwischen Aschkenasim und Sefardim tatsächlich so tief, wie sich in Immanuel gezeigt hat?
Ich fürchte, ja. Die Aschkenasim werden die ethnische Trennung nicht so leicht aufgeben.

Sogar der stellvertretende Bildungsminister Meir Porusch, selbst ultraorthodoxer Jude, demonstrierte gegen das Urteil. Sind die Charedim ein Staat im Staat?
Das ist eine komplexe Angelegenheit. Früher waren sie einfach nur gegen den Staat. In den vergangenen 25 Jahren sind sie aber immer mehr ein Teil davon geworden. Heute besetzen sie sogar wichtige Regierungsämter. Dennoch halten sie sich strikt an ihr eigenes Bildungswesen, hören auf ihre Rabbiner und hegen tiefes Misstrauen gegen Behörden und Sozialarbeiter. Ihre Gefühle für den Staat sind sehr ambivalent. Sie behalten ihre kulturelle Autonomie, sind wie ein eigenes Volk, aber auch gleichzeitig sehr involviert in unsere Nation.

Wer hat die kulturelle Schlacht um das Gerichtsurteil gewonnen? Der Staat, indem er sich zumindest zum Teil durchsetzte und die Väter eine Weile hinter Gitter brachte, oder die Charedim, die zu Zigtausenden auf den Straßen dagegen protestierten?
Die Charedim wollen sich in das bedeutende Thema der religiösen Erziehung nicht hineinreden lassen. Durch ihre friedliche Demonstration haben sie Punkte gewonnen. Doch auch das säkulare Gericht hat nicht nachgegeben und gezeigt, dass es respektiert werden muss. Dieser Kulturkrieg wird jedoch nicht durch den einen oder anderen Zusammenstoß beendet. Er wird noch lange ausgefochten werden.

Mit dem Soziologieprofessor und Spezialisten für Charedim an der Hebräischen Universität Jerusalem sprach Sabine Brandes.

London

Nach 26 Monaten: Amnesty wirft der Hamas Verstöße gegen das Völkerrecht vor

Die Organisation brauchte viel Zeit, um bekannte Tatsachen zu dokumentieren. Bisher hatte sich AI darauf konzentriert, Vorwürfe gegen Israel zu erheben

von Imanuel Marcus  12.12.2025

Nahost

USA verlangen von Israel Räumung der Trümmer in Gaza

Jerusalem wird bereits gedrängt, im Süden der Küstenenklave konkrete Maßnahmen einzuleiten

 12.12.2025

Meinung

Nemo unverbesserlich

Nemo gibt mit Rückgabe der ESC-Siegertrophäe auch Haltung ab. Statt Rückgrat zu zeigen, schwimmt das Schweizer Gesangswunder von 2024 im postkolonialen Strom mit

von Nicole Dreyfus  12.12.2025

Andrea Kiewel

Ein Weltwunder namens Regen

Jedes Jahr im Dezember versetzt der Regen die Menschen in Israel in Panik - dabei ist er so vorhersehbar wie Chanukka

von Andrea Kiewel  11.12.2025 Aktualisiert

Unwetter

Wintersturm »Byron« fordert zwei Tote

Der Sturm »Byron« hält an. Regenfälle und starke Winde kosten einem Kind im Gazastreifen und einem 53-Jährigen in Israel das Leben

 11.12.2025

Gazastreifen

»Ein Arzt injizierte ihr Luft«

Der Vater der von der Hamas am 7. Oktober 2023 nach Gaza verschleppten israelischen Soldatin Noa Marciano beschuldigt einen Arzt im Al-Schifa-Krankenhaus, seine Tochter ermordet zu haben

 11.12.2025

Waffenruhe

Hamas-Auslandschef: Waffen abgeben wäre wie Seele verlieren

Khaled Meshaal widerspricht in einem Interview den Kernforderungen von US-Präsident Trump und Ministerpräsident Netanjahu

 11.12.2025

Interview

»Ein jüdischer Film braucht keinen jüdischen Regisseur«

Leiterin Daniella Tourgeman über das »Jerusalem Jewish Film Festival«, eine Hommage an israelische Krankenschwestern und Boykottaufrufe in der Kunstwelt

von Joshua Schultheis  11.12.2025

Israel

Kibbuz will Einwohnerzahl nach Hamas-Massaker verdoppeln

Der 7. Oktober war ein tiefer Einschnitt für die Gemeinde an der Grenze zum Gazastreifen. Doch die Menschen dort denken nicht ans Aufgeben

 10.12.2025