Es ist heiß in Israel an diesem ersten Schultag. Über 30 Grad. Viele Mädchen und Jungen drängen sich auf den schattigen Plätzen der Pausenhöfe, unterhalten sich, lachen und zupfen hin und wieder ihre Masken zurecht. Sie sind aufgeregt, nach zwei Monaten Sommerferien wieder in die Schule gehen zu dürfen. Am Tag zuvor hatte Israel mit etwa 11.000 Neuinfektionen in 24 Stunden die höchste Zahl seit Beginn der Pandemie verzeichnet.
Fast zweieinhalb Millionen israelische Kinder in den Klassen eins bis zwölf drücken seit heute wieder die Schulbank oder besuchen die Kindergärten. Zuvor waren an alle Schüler Corona-Heimtests ausgeteilt worden. Mehr als 250.000 von ihnen können nicht am Präsenzunterricht teilnehmen, weil sie sich in Quarantäne befinden oder in ihren »roten Wohnorten« mit hoher Inzidenzzahl nicht ausreichend Klassenkameraden geimpft sind. In diesen Gegenden ist eine Impfrate von 70 Prozent verlangt.
»Wir haben eine moralische Verantwortung, die Kinder wieder in die Schulen zu bringen.«
Bildungsministerin Yifat Shasha-Biton
Obwohl sich Experten einig sind, dass der Beginn des Schulbetriebes eine wahrscheinliche Erhöhung der Corona-Fälle nach sich ziehen wird, sind die meisten der Meinung, dass die Bildungseinrichtungen unbedingt geöffnet werden müssen. So meint Bildungsministerin Yifat Shasha-Biton: »Die gemeinsame Anstrengung hat dies möglich gemacht. Einige Eltern haben Sorge, und ich weiß, dass es nicht leicht werden wird. Doch wir haben eine moralische Verantwortung, die Kinder wieder in die Schulen zu bringen. Das schulden wir ihnen als Gesellschaft«.
LÜCKEN Das Programm mache es möglich, dass die Kinder eine Routine haben und sicher sind. Sie werde jedoch nicht zögern, es anzupassen, sollte sich die Realität ändern. »Doch«, machte sie klar, »das Bildungssystem ist die Lösung, nicht das Problem«. Im kommenden Jahr wolle man sich hauptsächlich darauf konzentrieren, die Lücken zu schließen, die in den vergangenen eineinhalb Jahren aufgrund des Corona-Ausbruchs entstanden seien.
Shasha-Biton forderte zudem die noch ungeimpften 18.000 Lehrkräfte auf, sich das Vakzin abzuholen und mit »gutem Beispiel voranzugehen«. All jene, die nicht geimpft sind, müssen sich mehrfach pro Woche testen lassen, um ihren Job weiterhin ausführen zu können.
Auch der Generaldirektor im Gesundheitsministerium, Nachman Ash, versicherte den Eltern und Kindern, »dass der Schulbetrieb kein Roulette ist«. Stattdessen treffe man eine Entscheidung, die mit der Regierungspolitik einhergehe. »Wir wollen die Wirtschaft und das Bildungssystem offenhalten.« Dass es eine Steigerung der Fälle geben werde, sei für ihn unvermeidbar, »ich hoffe aber, dass wir in der Woche darauf einen anderen Trend sehen werden«.
»Ich werde eine Super-Anstrengung machen, um die Schulen offen zu halten.«
Premier Naftali Bennett
Derzeit habe Israel nach Angaben der Website »Our World in Data« der Oxford Universität die höchste Anzahl von Neuinfektionen mit dem Coronavirus innerhalb von sieben Tagen pro einer Million Einwohner. Die Zahl der schwerkranken Patienten in den Krankenhäusern ist in den vergangenen Tagen allerdings etwas zurückgegangen. Von Montag auf Dienstag beispielsweise sank sie um 34.
BEGRÜSSUNG In Israel ist es Tradition, dass der Präsident, Premierminister und viele Minister am ersten Schultag die Kinder begrüßen. Premier Naftali Bennett reiste zur Eli Cohen Meuchad Grundschule in Jerucham, etwa 20 Kilometer südlich des Zentrums. Er erklärte ihnen die Bedeutung der Einhaltung von Regeln während der Pandemie und versprach, dass er »eine Super-Anstrengung« machen werde, um die Schulen offen zu halten, damit alle lernen können.
»Für mich ist der erste Schultag immer besonders bewegend«, erzählte Bennett. »Gestern, als ich etwas früher nach Hause kam, so gegen Mitternacht, sah ich Davids Schulranzen. Ich habe nachgeschaut, dass alles in Ordnung ist. Heute früh bin ich, wie jeder andere, aufgestanden, um belegte Brote zu schmieren. Ich glaube, wir sind alle froh, dass die Sommerferien endlich vorbei sind.«