Herr Minister, Israel steht nach Ministerentlassungen erneut vor Neuwahlen. Geht es dabei um Posten oder Positionen?
Ganz klar geht es nur um Inhalte. Denn der Premierminister könnte ganz einfach weitere drei Jahre im Amt verbleiben, die nächsten Wahlen waren erst für November 2017 geplant. Und er hatte auch schon einigen Gesetzentwürfen des bisherigen Finanzministers Yair Lapid zugestimmt, zum Beispiel dem Projekt der Null-Mehrwertsteuer bei Wohnungskäufen. Aber als der Premierminister zur Kenntnis nehmen musste, dass Lapid gleichzeitig versuchte, ihn in der Knesset und unter Umgehung des Wählerwillens aus dem Amt zu drängen, war das Maß voll. Immer wieder kam aus den Reihen der Koalition bei Fragen nationaler Bedeutung heftige Kritik, wie dem Wohnungsbau in Jerusalem oder der Aberkennung der israelischen Staatsbürgerschaft von Terroristen in Jerusalem. Das ist inakzeptabel. Insofern hatte Netanjahu keine andere Möglichkeit, als sich von ihm zu trennen.
Muss Netanjahu jetzt erst einmal um die Macht im Likud kämpfen? Es heißt, Gideon Sa’ar könnte ihm den Platz an der Parteispitze streitig machen.
Das berichten vor allem liberal-säkulare linke Medien in Israel. Sie wollen immer über Alternativen zu Netanjahu diskutieren. Aber ich bin optimistisch, dass er Parteichef und Premierminister bleibt, obwohl man einen Wahlausgang nie prognostizieren kann. Wir müssen die Öffentlichkeit jetzt davon überzeugen, dass unser Weg der bessere für die Zukunft Israels ist.
Welche politischen Partner bieten sich an?
Netanjahu hat bereits nach den Wahlen 2012 versucht, die Regierungskoalition möglichst breit aufzustellen. Er hatte selbst Schelly Jachimowitsch von der Arbeitspartei das Finanzministerium angeboten. Bedauerlicherweise lehnte sie damals ab. Wenn er nun nach den Wahlen die Chance erhält, auch die nächste Koalition zusammenzustellen, denke ich, dass er sich an alle zionistischen und ultraorthodoxen Parteien wenden wird.
Wieder Wahlkampf: Bleiben nun wichtige politische Entscheidungen liegen?
Nach der Entscheidung für Neuwahlen sind wir natürlich in unseren Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt, aber wichtige politische Fragen werden auf jeden Fall behandelt.
Sie haben das Innenressort erst vor wenigen Wochen übernommen. Wurden Sie persönlich von der Entwicklung besonders überrascht?
Ich hatte nicht geplant, dieses Ministerium zu übernehmen. Es gab Überlegungen, nach meiner Zeit als Kommunikationsminister zur UN nach New York zu gehen. Aber als Gideon Sa’ar das Amt des Innenministers aufgab, bat mich der Premierminister, das Ressort zu übernehmen. Eine große Herausforderung für mich, ich hätte dort auch noch viel zu tun. Aber insgesamt ist mein Ziel, dazu beizutragen, das Leben in Israel zu verbessern. Ich kann dies in verschiedenen Positionen erreichen. Aber jetzt müssen wir erst einmal die Wahlen gewinnen.
Mit dem israelischen Innenminister sprach Detlef David Kauschke.