Herr Peres, Israel hat kürzlich sein 70. Jubiläum gefeiert. Wenn sich Ihr Vater Schimon Peres das Land heute ansehen könnte, wäre er stolz auf Israel?
Sehr! Kurz bevor er starb, sagte er mir, er hätte sich in den Gründungsjahren des Staates nicht träumen lassen, was eines Tages alles erreicht würde. Dass er sich nicht mehr für das Land erträumt hat und die Träume nicht noch größer waren, das hat er bereut. Israel hat seine Erwartungen übertroffen. Er wäre sehr stolz zu sehen, was wir alles erreicht haben.
Welchen Traum konnte er nicht verwirklichen?
Er hat mir nicht erzählt, welcher das war, aber ich vermute einmal, dass es darum ging, Frieden zu schließen. Sein innigster Wunsch war es, dass innovative Staaten über die Grenzen hinaus miteinander arbeiten, dass es keine Kriege mehr gibt, dass niemand auf Kosten des anderen stark wird. Eine Welt der Gewinner ohne Verlierer. Diese Wünsche konnte er nicht mehr umsetzen. Er hat erlebt, wie Israel und Ägypten Frieden miteinander geschlossen haben, wie Israel und Jordanien Frieden geschlossen haben, und er hat so sehr gehofft, dass wir auch mit den Palästinensern Frieden schließen könnten.
Jeder kennt Schimon Peres als Politiker. Wie war er als Vater?
Ein großer Geschichtenerzähler, ein inspirierender Mensch, der immer nur den Bürgern dienen wollte. Er liebte die Menschen. Ich erinnere mich an ihn als jemanden, der andere Menschen respektierte. Er hatte einen ausgeprägten Sinn für Humor, las gern und war sehr neugierig. Er hatte ein großes Interesse an neuen Technologien, konnte Ideen so erklären, dass jeder sie verstand. Mein Vater glaubte an seine Kinder. Er war immer davon überzeugt, dass wir die Fähigkeiten, die in uns steckten, entdecken würden. Er war uns ein Beispiel. Ich werde seine Augen und sein Lächeln nie vergessen. Mein Vater war sehr aufrichtig. Er war einfach ein Mensch.
Wie hat er Sie beeinflusst?
Er hat mir beigebracht, wie ich ein Leben führe, das sich nicht um mein Ego dreht. Durch ihn habe ich gelernt, dass es wichtig ist, etwas Nachhaltiges zu schaffen. Ich leite das Peres Peace Center und kümmere mich um die Projekte, die er begonnen hat, und auch um die, die er noch umsetzen wollte. Ich setzte in meiner Arbeit also seinen Weg fort. Ich sage immer, dass ich nicht in seine Fußstapfen trete, aber seinen Weg fortsetze. Mein Vater hat mich mehr als jede andere Person in meinem Leben beeinflusst.
War es für Sie jemals eine Last, der Sohn von Schimon Peres zu sein?
Nun, wenn man das Kind eines berühmten Vaters ist, gelingt es einigen Menschen manchmal nicht, die Arbeit des Kindes eigenständig zu beurteilen. Wenn du etwas besonders gut und erfolgreich machst, geht das Lob nicht an dich. Wenn du versagst, wirst du verglichen, und es heißt: Aus dir ist nicht so viel geworden, was? Die Last ist also, nicht nach seinem eigenen Wirken beurteilt zu werden. Es gibt immer die andere Perspektive. Ich hatte Glück, dass es bei mir anders war und es für mich also keine Last war.
Es gibt das berühmte Video, das Schimon Peres am Ende seiner Amtszeit als Staatspräsidenten Israels bei der Jobsuche zeigt. Wie oft haben Sie es sich angesehen?
Oft! Ich finde es großartig und witzig. Und es zeigt genau diese neugierige Seite an ihm. Er war immer bereit, Neues zu entdecken und alles mitzumachen. Ganz wichtig ist aber zu sehen, dass er Humor hatte. Die Menschen mochten den Clip sehr.
In seinem Buch »Mein Leben für Israel. Über Mut, Verantwortung und die Kraft der Träume«, das kürzlich erschienen ist, erzählt Ihr Vater viel Politisches, aber auch viele Geschichten hinter den Geschichten. Waren diese Anekdoten eine Art Ventil für ihn, wenn er zu Hause war?
Sein Rückzugsort waren eher Bücher, und er hat meiner Mutter immer beim Abwasch geholfen. Das hat ihm Zeit gegeben, nachzudenken. Geschirr in heißem Wasser zu reinigen, hat ihn sehr entspannt. Er war sehr stolz darauf, im Haushalt mitzuhelfen.
Was können jüngere Menschen aus dem Buch lernen?
Mein Vater wollte, dass junge Menschen aus seinen Geschichten Inspiration ziehen. Seine Botschaft an die jüngere Generation war: Es liegt an uns, die Zukunft zu gestalten. Es liegt an uns, dem Land zu dienen und Ideen zu entwickeln. Es liegt an uns, optimistisch und belastbar zu sein. Mein Vater glaubte daran, dass wir auf einer Reise sind: von einer alten Welt, in der sich die Menschen wegen Land bekämpfen, zu einer neuen Welt, in der Menschen zusammenarbeiten und neue Technologien entwickeln. Das Buch zeigt, wie man eine bessere Zukunft schaffen kann.
Mit Chemi Peres sprach Katrin Richter.
Schimon Peres: »Mein Leben für Israel. Über Mut, Verantwortung und die Kraft der Träume«. S. Fischer, Frankfurt 2018, 288 S., 24 €