Corona-Krise

Enger zusammenrücken

Wie die Pandemie den Alltag von Israelis beeinflusst, die in Deutschland leben

von Ralf Balke  29.03.2020 11:20 Uhr

Eldad Stobezki schaut in diesen Tagen besorgt nach Israel. Foto: Judith König

Wie die Pandemie den Alltag von Israelis beeinflusst, die in Deutschland leben

von Ralf Balke  29.03.2020 11:20 Uhr

»My home is my castle« – nach dieser Devise funktioniert in Zeiten der Corona-Krise auch das Leben der meisten Israelis in Deutschland. Ihr Alltag wird aber nicht wie vielleicht bei vielen anderen hierzulande nur von Netflix, Kochen und Chillen geprägt. Sie machen sich alle selbstverständlich auch Sorgen um ihre Familien und ihre Freunde in Israel, wo gleichfalls strenge Quarantäne-Auflagen beschlossen wurden. »Nur eben sehr viel früher als in Deutschland«, wie Ohad Stolarz betont.

»Israelis können meinen Beobachtungen zufolge etwas schneller und flexibler auf unvorhergesehene Veränderungen reagieren«, meint der 30-jährige israelische Musiker, der seit 2013 in Berlin lebt. »Ob das alles so richtig ist, was dann geschieht, das steht natürlich auf einem anderen Blatt.«

Selbstwahrnehmung Aber es gibt durchaus einige Gemeinsamkeiten in der Selbstwahrnehmung zwischen beiden Ländern, glaubt er. »Die Israelis sind überzeugt, dass bei ihnen keinerlei Disziplin herrscht, was das Einhalten der neuen Regeln im Alltag betrifft.

Interessanterweise sagen das die Deutschen ebenfalls über sich selbst. Und sogar die Schweizer verhalten sich so.« Für ihn als Chormusiker hatten die aktuellen Entwicklungen jedenfalls schon spürbare Auswirkungen. »Alle meine Auftritte sind sofort abgesagt oder verschoben worden.«

Doch Ohad Stolarz kann der unfreiwilligen Pause auch etwas Positives abgewinnen. »Nach meiner gerade fertiggestellten ersten Publikation ›Sefardische Volkslieder – Acht Sätze für gemischten Chor‹ habe ich nun reichlich Zeit, mich sofort in mein nächstes Buchprojekt zu stürzen.«

Herausforderungen Vertreter der älteren Generation sind dagegen mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. »Mit meinen 68 Jahren gelte ich ja bereits als Risikogruppe«, sagt Eldad Stobezki aus Frankfurt am Main, der seit bald schon 40 Jahren in Deutschland lebt und viele Jahre im Literaturbetrieb hierzulande tätig war.

»Viele aus meinem sozialen Umfeld sind in einem ähnlichen Alter und oftmals alleinstehend.«übersetzer und lektor Eldad Stobezki

»Viele aus meinem sozialen Umfeld sind in einem ähnlichen Alter und oftmals alleinstehend. Doch nun kommt für sie das Problem hinzu, dass das Haus nicht mehr verlassen werden darf«, berichtet er. »Ich habe das große Glück, mit einem Partner zusammenzuleben. Trotzdem rückt man jetzt enger zusammen, telefoniert häufiger miteinander und erkundigt sich, wie es anderen geht.«

Die Auswirkungen der Corona-Krise in Israel sieht Stobezki mit großer Sorge. »Auch wenn man dort eher als in Deutschland tiefgreifende Maßnahmen auf den Weg gebracht hat, wird es schwierig, weil Israel einfach nicht über dieselben wirtschaftlichen Ressourcen wie Deutschland verfügt. So etwas wie Kurzarbeit gibt es nicht, und die Zahl der Arbeitslosen explodiert ja gerade.«

Trotzdem hält er sich mit Kritik zurück. »Egal, was in Deutschland oder in Israel gerade geschieht – ob man richtig oder falsch gehandelt hat, das lässt sich erst nach der Krise sagen.« Über eine Familiengruppe bei WhatsApp hält er nun verstärkt Kontakt mit Angehörigen in Großbritannien und in Israel.

GROSSMUTTER Das macht auch Tomer Friedler aus Marburg. »Eigentlich habe ich mit meiner Familie schon vor der Corona-Krise einmal am Tag gesprochen. Deswegen ändert sich da nicht so wahnsinnig viel.« Nur der Kontakt mit Freunden sieht gerade völlig anders aus, weil fast alle zu Hause bleiben. »Das findet jetzt alles nur noch online oder am Telefon statt.«

Der 28-Jährige lässt sich aus einem ganz konkreten Grund durch die Pandemie wenig aus der Ruhe bringen. »Schließlich studiere ich Biomedizin mit dem Schwerpunkt Infektionsbiologie.«

Zudem macht er im Moment ein Praktikum in einem Forschungslabor. »Die Arbeit läuft also weiter. Die einzige Einschränkung, die ich dort spüre, ist die Auflage, dass sich nicht mehr als zwei Personen in einem Raum gleichzeitig aufhalten dürfen. Außerdem sind noch Semesterferien, weshalb ohnehin weniger Studenten in der Stadt sind und es nicht ganz so auffällt, dass die Straßen leerer geworden sind.«

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