Mit offenen Armen empfangen wurden die wenigsten. Die strikten Regeln des Oberrabbinats machten es für Konversionswillige in Israel oft schier unmöglich, zum Judentum überzutreten. Doch eine Alternative gab es nicht. Das orthodoxe Rabbinat hielt bislang das Monopol für sämtliche Übertritte. Nach langwierigen Debatten beschloss das Kabinett am vergangenen Wochenende nun aber eine Reform in Sachen Übertritt zum Judentum.
In den Wochen zuvor hatte das umstrittene Gesetz sogar die Koalition ins Wanken gebracht. Denn während Regierungschef Benjamin Netanjahu noch im Sommer dem Vorschlag sein Okay gegeben hatte, knickte er im Herbst ein. Der Druck des religiösen Establishments war ihm zu groß geworden, hieß es.
Halacha Doch die Befürworter der Reform blieben hart. Allen voran Elazar Stern von der Partei Hatnua, der den Vorschlag eingebracht hatte. Mit der Hilfe von Yair Lapids Jesch Atid und der Arbeitspartei schaffte er es schließlich, seine Idee von städtischen Konversionsgerichten durch die Knesset zu bringen.
Immer wieder hatten Konversionswillige geklagt, dass die ultrafrommen Rabbiner lediglich ihre eigene Auffassung vom Judentum akzeptierten und andere schlichtweg ablehnten. Besonders den nichtjüdischen Angehörigen russischer Juden, die in Israel lebten, wurde es schwer gemacht.
Jana Koslowa weiß genau, wie sich das anfühlt. Als Tochter eines jüdischen Vaters und einer nichtjüdischen Mutter ist sie nach der Halacha nichtjüdisch. »Ich fühle mich aber schon immer als Jüdin. Israel ist mein Land, hier lebe ich, hier bin ich zur Armee gegangen, hier will ich bleiben – aber so richtig dazu gehöre ich leider nicht.«
Oberrabbinat Die junge Frau würde gern »so richtig jüdisch sein«, doch die strengen Voraussetzungen des Oberrabbinats hielten sie bisher davon ab, den Schritt zu wagen. »Ich müsste dann ja auch völlig orthodox leben«, sagt sie. »Das Judentum ist mir sehr wichtig, aber orthodox bin ich nicht.«
Durch die Änderung soll es künftig möglich sein, in jedem städtischen Rabbinat eine Konversion zu beantragen. Dies ermöglicht den Kandidaten, einen Rabbiner selbst auszusuchen. Den Rabbinern wäre es erlaubt, Batei Din, religiöse Konversionsgerichte, einzurichten. Stern ist erleichtert, dass seine Anstrengungen endlich Früchte getragen haben. »Diese Batei Din werden einen frischen Wind in die Angelegenheit der Übertritte bringen und vielen Menschen Hoffnung machen, die wegen ihrer Konversion schon verzweifelt waren.«
Doch es geht nicht nur um einfachere Bedingungen. Das Gesetz soll zudem dazu beitragen, dass es weniger Heiraten zwischen Juden und Nichtjuden gibt. Etwa 330.000 Israelis, die aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert sind, oder deren Nachfahren gelten als nichtjüdisch.
Pforten Auch die Jewish Agency kann dem neuen Gesetz nur Positives abgewinnen. Deren Chef Natan Sharansky sagte, die Reform sei für die Eingliederung der Einwanderer von größter Bedeutung. Er hat allen Grund zur Freude, denn den Zahlen des Statistikamtes zufolge waren ein Drittel der Israelis, die 2012 das Land verließen, nichtjüdische russische Einwanderer oder deren in Israel geborene Angehörige. Yogev Karasenty von der Jewish Agency ist sicher: »Wenn es einen leichteren Konversionsprozess gibt, wäre diese Zahl nicht so hoch.«
Das glaubt auch Justizministerin Zipi Livni: »Es gibt israelische Bürger, die wir ermutigt haben, nach Israel zu kommen. Nach der Halacha sind es keine Juden. Mit der neuen Regelung geben wir jenen, die sich immer als Bürger zweiter Klasse gefühlt haben, nun die Botschaft, dass wir unsere Pforten öffnen – die Pforten zum jüdischen Volk.«
Sogar der nationalreligiöse Vorsitzende der Partei Jüdisches Haus, Naftali Bennett, stellt sich hinter die Reform: »Sie ermöglicht eine viel wärmere und positivere Annäherung an das Thema Übertritt, das sonst eine sehr verstörende Angelegenheit für viele Menschen sein kann.« Auch Vertreter anderer Strömungen, etwa der konservativen, der reformierten und der nationalreligiösen Bewegung, lobten die Reform als »zeitgemäß und hilfreich«.
Protest Das Oberrabbinat indes kündigte bereits an, sich gegen das neue Gesetz zu stemmen. Der aschkenasische Oberrabbiner David Lau erklärte: »Wir respektieren die städtischen Rabbis, wir haben gegen niemanden etwas, doch es gibt keinen Grund, dass Konversionen nicht mehr unter der Aufsicht der Autorität stehen sollten.« Lau meint, die Übertritte sollten in Übereinstimmung mit dem jüdischen Gesetz durchgeführt werden – und das geht für ihn ausschließlich per Oberrabbinat. Er drohte allerdings nicht an, wie von vielen erwartet, die »neuen« Konversionen nicht anzuerkennen.
Stern konterte nach Laus Worten, die Oberrabbiner wüssten genau, dass die Reform keine Verletzung der Halacha darstellt. »Wenn sie wirklich die Einheit des Judentums und den jüdischen Charakter des Staates Israel bewahren wollen, dann müssen sie dem jüdischen Volk erklären, dass diese Übertritte gültig sind«, forderte der Parlamentarier auf einer Pressekonferenz. Und zwar nicht nur wegen des Regierungsauftrages, sondern weil es echte Konversionen seien. »Und das ist die Wahrheit.«
Jana stimmt die Nachricht aus Jerusalem froh. Sie hat zwar noch Bedenken, ob sie »es schaffen kann, endlich wirklich als Jüdin akzeptiert zu werden«, wie sie sagt. Doch sie will es versuchen. Das hat sie sich fest vorgenommen.