Es war eine dramatische Wende im Politkrimi, der sich am Montagabend in der Knesset in Jerusalem abspielte. Statt an den Rechtsblock um den rechtskonservativen Likud ging die Mehrheit in einem maßgeblichen Gremium an den sogenannten Anti-Netanjahu-Block: Das Vorbereitungskomitee, das bis zu einer neuen Regierung die Agenda der Knesset bestimmt, ist von den Rivalen des amtierenden Premierministers zusammengesetzt worden.
GREMIUM Dabei hatte sich Benjamin Netanjahu bereits siegessicher gegeben, dass er ausreichend Stimmen habe, um das außerordentlich bedeutende Gremium unter seine Fittiche zu nehmen. Wer es leitet, bestimmt, welche Gesetzesvorschläge in der Knesset gehört werden. Und genau das hätte Netanjahu in jedem Fall für sich beanspruchen wollen.
Schließlich hatte er nur wenige Stunden zuvor klargemacht, dass er die Israelis wieder an die Wahlurnen schicken will. Dieses Mal, um sich in einer Direktwahl als Premierminister bestätigen zu lassen.
Die strengreligiöse Schas-Partei hatte als enger Verbündeter von Netanjahu den Vorschlag der Direktwahlen in die Knesset einbringen wollen. Angeblich hätte so der politische Stillstand aufgelöst werden sollen. Denn mehr als einen Monat nach den vierten Wahlen innerhalb von zwei Jahren ist von einer regierungsfähigen Koalition immer noch nichts zu sehen.
Die islamische Partei Raam änderte ad hoc ihre Meinung und stimmte für den Vorschlag des Anti-Netanjahu-Blocks.
Doch dann kam plötzlich alles anders. Die islamische Partei Raam änderte ad hoc ihre Meinung und stimmte für den Vorschlag des Anti-Netanjahu-Blocks. Der wurde dadurch mit 60 Stimmen angenommen, 51 Parlamentarier sprachen sich dagegen aus. Diese Einbringung besagt, dass Parteien für sechs Mandate in der Knesset zwei Sitze im Komitee erhalten. Als Konsequenz erhält Netanjahus Block lediglich 14 Sitze, der Block um Yair Lapid, der den Premier absetzen will, 16.
KEHRTWENDE Die Rechtspartei Jamina von Naftali Bennett bekommt zwei Sitze, die islamische Partei Raam einen. Letztere hatte eine Kehrtwende vollführt und wird damit praktisch das Zünglein an der Waage bei jeglicher Entscheidung dieses Komitees sein.
Während sich der Raam-Vorsitzende Mansour Abbas zunächst an den Rechtsblock angelehnt und mehrfach mit Netanjahu getroffen hatte, machte er im Endeffekt gemeinsame Sache mit Lapid, dem Chef der Zentrumspartei Jesch Atid. Jesch Atid war aus den Wahlen am 23. März als zweitstärkste Partei hervorgegangen.
»Dieser Sieg ist ein weiterer kleiner Schritt in Richtung einer Einheitsregierung.«
Yair Lapid (Jesch Atid)
»Ich danke meinen Partnern«, twitterte Lapid im Anschluss. »Dieser Sieg ist ein weiterer kleiner Schritt in Richtung einer Einheitsregierung.« Abbas sagte: »Nur die, die unsere Bedingungen akzeptieren, werden unsere Unterstützung gewinnen.« Er verlangt vor allem Hilfe bei der Bekämpfung der ausufernden Gewalt innerhalb der in Israel lebenden arabischen Minderheit.
EINFLUSS Die Entscheidung, sich gegen den Likud-Vorschlag auszusprechen, habe Raam »in allerletzter Minute gemacht«, berichtete der Vorsitzende im Anschluss an die Abstimmung. Abbas war zwar von Netanjahu ein Platz im Finanzkomitee versprochen worden, jedoch hätte er keinen wirklichen Einfluss gehabt. Lapid stattdessen habe den Forderungen der Partei zugestimmt, erklärte er.
Lapid hofft jetzt auf seine Chance, eine Regierung zu bilden. Er nennt sie »Einheitsregierung«, an der sowohl linke wie rechte Parteien beteiligt wären. Wenn das Mandat zur Regierungsbildung für Netanjahu in etwa zwei Wochen abgelaufen ist, könnte Präsident Reuven Rivlin es an Lapid übergeben. Sollte dieser es schaffen, eine regierungsfähige Koalition auf die Beine zu stellen, wäre dies das Ende der Netanjahu-Ära in Israel.