Es ist ein schwerer Gang. Jeder, der die Ausstellung besucht, weiß, dass diese Geschichte ein unendlich trauriges Ende hat. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem widmet ihre neue Schau dem grausamsten und dunkelsten Kapitel des Holocaust. »Sterne ohne Himmel« gedenkt der eineinhalb Millionen Kinder, die von den Nazis ermordet wurden. Die Ausstellung wurde zum nationalen Gedenktag Israels, Jom Haschoa, in Jerusalem eröffnet.
Der Überlebende Wlodiemerz Zeev Portnoi wusste, dass er Jude war, während er als Kind vier Jahre lang allein durch die polnische Landschaft streifte, immer auf der Flucht. Er verstand nur nicht, warum alle ihn töten wollten. Mit zitternder Stimme sagte er bei der Eröffnung ein Gedicht auf, dass er während dieser furchtbaren Zeit geschrieben hatte: »Ich war noch ein kleiner Junge / Als das Nazi-Biest mein Leben übernahm. / Sie nahmen mich fort. / Von meinen Eltern. Für immer.«
Zeichen Die Ausstellung will dem Schicksal der ermordeten Mädchen und Jungen Ausdruck verleihen, indem ihre Geschichten sowie die der wenigen Überlebenden öffentlich gemacht werden. Es werden Gegenstände wie Puppen, Bücher, Bilder und Aufzeichnungen aus dem Archiv des Museums ausgestellt. Auch die Arbeiten von Angehörigen werden gezeigt. Dazu haben Studenten der Bezalel-Kunsthochschule speziell für »Sterne ohne Himmel« Glasarbeiten kreiert; andere aus dem Bereich Visuelles Kommunikationsdesign am Technologischen Institut Holon haben animierte Filmclips erstellt, um die persönlichen Geschichten verständlich zu machen.
»Marek hat kein Zeichen hinterlassen«, schreibt Michal Govrin über ihren ermordeten Bruder. Yehudit Kol-Inbar, Kuratorin und Leiterin des Yad Vashem-Museums, weiß, warum: »Es ist besonders schwer, die Welt der jüdischen Kinder während der Schoa darzustellen, da das vorhandene Material so extrem rar ist. Als Konsequenz bildete den Ausgangspunkt der Ausstellung jeder einzelne Gegenstand, der einen möglichen Nutzen für die Präsentation hatte, um das Leben, die Träume und Leistungen der Kinder darzustellen.«
Filter »Die Kinder waren wohl die verletzlichste, naivste und unschuldigste Gruppe, die vom Holocaust betroffen war«, sagt der Direktor von Yad Vashem, Avner Shalev. »Doch sie waren auch in der Lage, sich so auszudrücken, wie es Erwachsenen oft schwerfällt. Sie sprechen direkt und ohne Filter. Ihre Kreativität ist noch immer klar.«
Der Designer Chanan de Lange gestaltete die Ausstellung als symbolischen Wald, in dem 33 Bäume die Geschichten erzählen. Der Hauptteil der Ausstellung ist in acht Bereiche aufgeteilt, darunter »Zuhause«, »Spiel«, »Lernen«, »Jugendgruppen« und »Abschiednehmen«.
In einem Bereich wird die Geschichte der Schwestern Eva und Vera Silberstein erzählt. Während Eva, die ältere, in ein Arbeitslager geschickt wurde und überlebte, ermordeten die Nazis die kleine Vera in der Gaskammer von Auschwitz. Sie ist nicht in Vergessenheit geraten.
In Yad Vashem zeugen ihre farbenfrohen Buntstiftzeichnungen von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft in Israel. Eva erinnert sich, dass Vera lächelte, als sie in die andere Selektionsreihe geschickt wurde. »Sie war froh, dass sie nun ohne die Aufsicht ihrer älteren Schwester sein konnte, der die Mutter eingebläut hatte, auf die Jüngere aufzupassen«, schreibt Eva. Vera wusste nicht, dass dieser Weg direkt in das Verderben führt.
»Der Holocaust gehört zu den schmerzhaftesten Episoden in der Menschheitsgeschichte – mit dem diabolischen Plan, alle Juden zu ermorden. Nur wenige Tausend jüdische Kinder haben die Schoa überlebt. Unter derart unmöglichen Umständen könnte man glauben, dass die Opfer der Nazi-Verfolgung ebenfalls ihre Menschlichkeit verloren haben und in eine gewalttätige Spirale ums Überleben gezogen wurden«, sagt Kol-Inbar. Doch das Gegenteil sei der Fall gewesen: Viele Juden, darunter auch Kinder, hätten das menschlichste Verhalten gerade im Angesicht des Todes gezeigt.
Sehnsüchte Die Kuratorin erklärt das abrupte Ende der Kindheit: »Nicht nur, dass viele für ihre Familien zu Geldverdienern wurden. Sie ermutigten ihre Eltern, den harten Kampf ums Überleben weiterzukämpfen, und gaben ihnen Hoffnung. Gleichzeitig benahmen sie sich wie gewöhnliche Kinder, wann immer sie konnten: Sie spielten, lachten, schrieben Geschichten und malten Bilder. Sie drückten ihre Ängste und Sehnsüchte aus.«
Die Bilder, Tagebücher, Briefe, die Musik und die Spielzeuge geben einen faszinierenden Einblick in die Kindheit im Schatten der Schoa. Ihre Kreativität und Vitalität sowie der Wille, zu überleben und den Optimismus trotz der schrecklichen Umstände zu bewahren – all das zeugt von der Widerstandsfähigkeit der Kinder. »Die Tatsache, dass die meisten von ihnen keine Chance gegen die brutalen Mächte des Bösen hatten, macht ihr Verhalten umso eindrucksvoller«, hebt Kol-Inbar hervor. »Das lehrt uns, wie wir unser Leben besser und mitfühlender leben können.« Das sei die ultimative moralische Botschaft.
Die Ausstellung anzusehen, ist nicht leicht. Doch das Team von Yad Vashem wollte das Vermächtnis der zehnjährigen Dunia Rosen erfüllen, die sich allein in einem Wald versteckte. Sie glaubte, dass sie der einzige noch lebende Jude auf der Welt war.
Ihren letzten Willen schrieb das Mädchen auf einen Zettel: »Ich wünsche, dass ihr für uns ein Denkmal baut. Eine Erinnerung, die den Himmel erreicht, eine Säule, die die ganze Welt sehen kann. Eine Statue, nicht aus Marmor, nicht aus Stein, sondern aus guten Taten. Ich glaube fest daran, dass solch ein Monument eine bessere Zukunft für euch und eure Kinder sichert.«