Terror

Ende der Hoffnung

Es war eine seltsame Stille, die sich am späten Montagabend über das Land legte: Die sonst so belebten Straßen waren fast leer, ebenso die Bars und Restaurants. Wenn Menschen irgendwo zusammensaßen, sprachen sie mit gedämpfter Stimme. Spontan versammelten sich Dutzende auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv, stellten Kerzen auf und sangen. Es schien, als habe die Nachricht vom Tod der drei Jugendlichen das Land in einen Mantel gehüllt: einen von Trauer und vielleicht auch Enttäuschung, weil der Wunsch auf ein gutes Ende schließlich doch wieder so grausam zerstört worden ist.

Gedächtnis Mehr als zwei Wochen hatte die Entführung von Eyal, Gilad und Naftali die Menschen in Atem gehalten. Jeden Tag berichteten die Medien über den Stand der Dinge, über die Suche im Westjordanland, wo Soldaten Tag und Nacht jeden Stein umdrehten. Nach und nach lernte man die Teenager, die in der renommierten Jeschiwa »Makor Chaim« studierten, immer besser kennen. Da war zum einen das Foto, das sie nebeneinander zeigte und das sich ins Gedächtnis einbrannte: Eyal mit seinem kecken Blick, Gilad mit den Sommersprossen und Naftali mit der Gitarre. Und da waren die vielen Interviews und Gespräche mit den Eltern der Entführten, mit Verwandten und mit Lehrern, von denen jeder dazu beitrug, dem Foto Leben einzuhauchen.

Naftali, der schlaksige Junge, der sich das Gitarrespielen selbst beigebracht hatte, jede Art von Musik liebte, ausgezeichnet Basketball spielte und einen ausgesprochen trockenen Humor hatte. Gilad, der trotz seiner Jugend bereits ein reifer Bursche war und niemals aufgab, wenn es schwer wurde. Und Eyal, der noch so viele Pläne für sein Leben hatte, nach der Armee reisen wollte und studieren. Das alles schuf Verbundenheit. Die Menschen sprachen über die Jugendlichen, Gleichaltrige verglichen sich mit ihnen, Eltern dachten an ihre eigenen Kinder.

Schmerz Die Hoffnung und der Optimismus, der im Land trotz der vergeblichen Suche immer vorzuherrschen schien, kam jedoch ausgerechnet von denen, die den größten Schmerz ertragen mussten: von den Müttern. Sie strahlten eine Ruhe und Zuversicht aus, die sich auf die Menschen übertrug. Allen voran Rachel Frenkel, die – vermutlich, weil sie gebürtige Amerikanerin ist – meist die Rolle der Sprecherin übernahm.

So etwa bei ihrer zweiminütigen Rede vor den Vereinten Nationen, bei der sie die internationale Gemeinschaft bat, sich für die Rückkehr der drei Jungen einzusetzen und solche Verbrechen zu verdammen. Es sei ihr wichtig, die Welt auf die Entführung aufmerksam zu machen, sagte sie in einem Interview noch vor wenigen Tagen. Die drei Mütter seien jedoch nicht so naiv gewesen, zu glauben, dass sich dadurch irgendetwas zum Besseren wenden würde, sagte sie. »Aber wir hatten das Bedürfnis, alles zu tun, was möglich ist.«

glauben Ihre Kraft ziehe sie aus ihrem Glauben, sagte Frenkel. Aber das bedeute nicht, dass dieser reiche, um auch die schlechteste Nachricht zu ertragen. »Ich bin in erster Linie Mutter, und ich möchte, dass Naftali zurückkommt, ich ihn in meine Arme nehmen kann und er in seinem Bett liegt.« Ein weiterer Aspekt, der viele beeindruckte, war die Fähigkeit der Mütter, ohne Hass zu handeln, politische Agitation zu vermeiden und stattdessen zu versöhnen: So dankte Rachel Frenkel Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dafür, dass er die Entführung der Jungen verurteilt hatte.

»Danke all denen, die verstehen, dass Kinder nicht Teil dieses Konflikts sind«, sagte sie. Und bei der Solidaritätskundgebung »Wir singen für eure Rückkehr« am Sonntagabend auf dem Rabin-Platz in Tel Aviv, zu der Tausende kamen, hatten die Eltern im Vorfeld bestimmt, dass keine politischen Reden gehalten werden dürfen. Es sollte ein Signal der Hoffnung sein – für ihre Kinder und die ganze Nation: »Wir denken an euch, wir lieben euch, und für euch stehen wir zusammen: Wir sehnen uns nach eurer Rückkehr.«

Einheit Der Traum wurde nicht wahr. »Eure Plätze in der Schule sind leer«, sagte Dov Singer, der Leiter der Jeschiwa beim Begräbnis der drei Teenager in Modiin am Dienstagabend. »Wir vermissen euch.« Außer ihm sprachen die beiden Oberrabbiner des Landes, David Lau und Yitzhak Josef, sowie Premier Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Schimon Peres. Zudem hatten sich Tausende Israelis auf dem Friedhof versammelt, um gemeinsam mit den Familien zu trauern. »Wie sollen wir nach diesem Verlust weitermachen?«, fragte Lau und beschwor wie Netanjahu und Peres die nationale Einheit, die Kraft gebe.

Der Premier, der sich wiederum auf Bitten der Familien jeglicher politischer Statements enthielt, sagte, das tragische Ereignis führe vor Augen, »wer wir sind und warum wir so viel innere Stärke besitzen«. Während die »anderen vor einem moralischen Abgrund« stünden, »feiern wir das Leben, sie den Tod«. Netanjahu hob auch die beeindruckende Haltung der Mütter hervor, die »allen in der Welt eine Lektion über Stärke und Liebe erteilt« hätten.

»Ich habe noch Zeit, zusammenzubrechen, wenn das Schlimmste eingetreten ist«, hatte Rachel Frenkel vor einigen Tagen gesagt, als sie gefragt wurde, wie sie die Zeit überstehe. Es sei besser, zu kämpfen als zu weinen, es gebe allen Grund, anzunehmen, dass die Kinder noch am Leben seien, man brauche Geduld, hatte sie beteuert. Beim Begräbnis saß die Mutter von sieben Kindern während der Trauerreden in sich zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Sie schien eingehüllt in einen Mantel der Trauer und einer zerbrochenen Hoffnung.

Benjamin Netanjahu

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