Wie immer hat Yair Lapid die Facebook-Plattform genutzt, um seine Meinung zu verbreiten: »An alle, die die Nase voll von Israel haben«, lautete die Überschrift zu seinen letzten Äußerungen. Im Folgenden kritisierte der Finanzminister Landsleute, »die bereit sind, das einzige Land, das die Juden haben, wegzuwerfen, weil es sich in Berlin gemütlicher leben lässt«.
Anlass war eine Dokumentation im israelischen Privatfernsehen gewesen, die über Auswanderungswillige – meist junge Israelis – berichtete. Demnach sind ein Grund für ihren Entschluss die nach wie vor hohen Lebenshaltungskosten im Land, des Weiteren ist speziell Berlin für viele ein Anziehungspunkt. Nicht nur, weil die Stadt wie Tel Aviv kreativ und lebendig ist, sondern weil zudem Mieten und Nahrung dort noch bezahlbar sind.
Intolerant Am Montagabend hatte Lapid seine Kritik gepostet, zu dieser Zeit befand er sich noch in Ungarn und nutzte den Besuch als Argument für seine Kritik: Gerade habe er dort im Parlament über das Schicksal enger Verwandter in Ungarn während des Zweiten Weltkrieges berichtet. Diese seien teilweise ermordet worden, weil sie kein eigenes Land hatten, das ihnen Zuflucht geboten hätte. Man möge es ihm deshalb verzeihen, wenn er Auswanderern gegenüber etwas intolerant sei, schrieb der Vorsitzende von Jesch Atid, der bei den Wahlen im Januar viele Stimmen aus der Sozialprotestbewegung gewinnen konnte.
Lapid bekam daraufhin Tausende – meist empörte – Antworten. »Wir würden alle augenblicklich nach Israel zurückkommen, wenn diese Regierung ihre Bürger nicht so ausnützen würde«, sagte ein Facebook-User. Und: »Akademiker etwa betreiben Raubbau an sich, sie arbeiten und studieren und danach müssen sie trotzdem um ein angemessenes Gehalt kämpfen. Warum? Wenn Sie das ändern, komme ich zurück«, schreibt ein Frau.
Gehalt Auch die Zeitung Maariv griff die Vorwürfe Lapids auf und rechnete die Lebenshaltungskosten in Israel im Vergleich zu anderen Ländern vor – bei deutlich höherem Gehalt seien woanders gleichzeitig die Lebenshaltungskosten deutlich niedriger.
Schlecht kam auch an, dass Lapid den Holocaust als Argument genutzt hat. »Es tut mir echt leid, dass in unserem wundervollen jüdischen Staat Leute wie Sie täglich auf den wenigen verbliebenen Holocaust-Überlebenden herumtrampeln. Diese Selbstgerechtigkeit ist verabscheuungswürdig.« Ein anderer wies darauf hin, dass Lapid selbst 1997 aufgrund eines lukrativen Jobs in die USA gezogen war.
Auch Knesset-Abgeordnete reagierten heute. Eitan Cabel (Arbeiterpartei) sagte etwa, die Menschen würden keine übertriebenen Forderungen stellen, wenn sie verlangten, dass das Leben bezahlbar sei. Er würde gerade vom Finanzminister etwas anderes erwarten. Lapid sei vor wenigen Monaten bei den Wahlen noch der Hoffnungsträger gewesen für die Mittelschicht. Verbessert habe er nichts, stattdessen prügle er noch auf den Menschen herum.
Erst Anfang September hatte eine Umfrage ergeben, dass Yair Lapid unter allen Politikern der ist, von dem die Israelis am meisten enttäuscht sind.