»Wir werden niemals vergessen«, stand auf hebräischen Lettern auf blauem Grund. Daneben brannte symbolisch das Olympische Feuer. Zum 50. Jahrestag entsprechend des hebräischen Kalenders des Massakers von München fand am Mittwoch in Tel Aviv die Gedenkveranstaltung für die elf ermordeten israelischen Athleten statt. Extra angereist war IOC-Präsident Thomas Bach. Es war seine erste Reise nach Israel.
GEISELN Am 5. September 1972, während der Olympischen Spiele in München, hatte ein palästinensisches Terrorkommando die israelische Mannschaft im Olympischen Dorf angegriffen und nahm elf Geiseln. Alle elf Israelis und ein deutscher Polizist starben dabei.
Bei der Gedenkveranstaltung sprachen nun auch Präsident Isaac Herzog, Sport- und Kulturminister Chili Troper sowie Familienangehörige der Opfer. Herzog wandte sich an die Familien: »Wer von uns erinnert sich nicht an die dunklen und endlosen Stunden des bitteren Septembers 1972, als wir uns so sehr nach einem anderen Ende gesehnt haben. Aber zu unserem Herzschmerz und unserer Zerbrochenheit kam das Ende der Hoffnungen. Denn einen Tag später erhielten wir die harten Nachrichten.« Es sei der Moment gewesen, »an dem die olympische Fackel erloschen und die Flagge der fünf Ringe mit Blut befleckt war«.
»Die vergangenen Jahre und Ihr Kampf, liebe Familien, haben bewiesen, dass dies eine globale Tragödie ist.«
Präsident isaac herzog
»Das Gedenken an die Athleten verpflichtet uns alle zu wiederholen, dass der Kampf gegen den Terrorismus gemeinsam, entschlossen und aggressiv sein muss. Für uns war und ist das Massaker an den Athleten eine nationale Katastrophe, doch die vergangenen Jahre und Ihr Kampf, liebe Familien, haben bewiesen, dass dies eine globale Tragödie ist.« Nichts sei dem Sport so entgegengesetzt wie der Terrorismus.
GEBOT Herzog dankte Bach für sein Engagement, damit die Welt das Massaker von München nicht vergisst und forderte das Internationale Olympische Komitee auf: »Bei jeder Olympiade und in jeder Generation eine offizielle Zeremonie als ewiges Gebot abzuhalten.«
Die Vorsitzende des Olympischen Komitees in Israel, Yael Arad, betonte: »Der israelische Sport ist nicht verschwunden, der Terrorismus hat nicht gesiegt. Wir stehen hier vor Ihnen und tragen in unseren Rucksäcken das Vermächtnis von 13 olympischen Medaillen«. Dann hob sie hervor, dass vor einem Jahr im Olympiastadion in Tokio zum ersten Mal eine Zeremonie zum Gedenken an die Ermordeten stattfand. »Thomas Bach, das gesamte Volk Israels dankt Ihnen dafür.«
DUNKELSTER TAG Bach, Präsident des Olympischen Komitees, begann mit den Worten: »Die Olympischen Spiele vereinen die Menschheit. Die Olympischen Spiele sind ein Fest der Lebensfreude und des Besten, was die Menschheit sein kann. Doch alles, was die Spiele symbolisieren, wurde vor 50 Jahren zerschmettert, als der Angriff auf die israelische Delegation stattfand. Der 5. September 1972 ist der dunkelste Tag in der Geschichte der Olympischen Spiele.«
Er erinnere sich noch immer an diesen schrecklichen Tag, als er ein 19-jähriger Athlet mit Olympia-Hoffnungen war. »Die menschenverachtenden Bilder verfolgen mich bis heute. Dieser Anschlag hat mein Leben und mein Denken geprägt«, sagte der Sportfunktionär Bach, der wegen seines oft einseitig pro-arabischen Handelns regelmäßig in Israel in der Kritik steht. Und trotz allem, was passiert ist, hätte Israel den Olympischen Spielen nicht den Rücken gekehrt, israelische Athleten haben seit dem Angriff jedes Mal an allen Spielen teilgenommen. »Dafür bedanken wir uns.«
»Durch die Beharrlichkeit der Angehörigen sind die Gedenkmomente in Rio und in Tokio herbeigeführt worden.«
IOC-Präsident Thomas Bach
Dann entschuldigte er sich bei den Familien der Opfer für den Schmerz, der ihnen zugefügt wurde, »als Sie viele Jahre warten mussten, bis das Olympische Komitee endlich Ihre Lieben verewigte«. Und auf Hebräisch: »Möge ihr Andenken gesegnet sein«. Es sei die Beharrlichkeit der Angehörigen gewesen, so der IOC-Präsident, durch die die Gedenkmomente in Rio und in Tokio herbeigeführt wurden. Dafür schulde er seine Anerkennung.
»Anki und Ilana, was mich am meisten bewegt hat und immer noch Tränen in meine Augen bringt, ist der Moment, als Sie in Tokio sagten: ›Endlich werden wir Gerechtigkeit bekommen. Wir werden uns in Liebe an sie erinnern, in den Himmel schauen und dort die Sterne des Septembers über uns sehen – alle elf Sterne in Gold‹«.
SCHWEIGEN Der Gerechtigkeit sei Genüge getan, fasste die Witwe des ermordeten Yosef Romano, Ilana Romano, zusammen. »Ich möchte zu den Ermordeten sprechen: Kein Leugnen und Schweigen mehr, das zu Eurem schockierenden Mord geführt hat. Wir haben es geschafft, Deutschland dazu zu bringen, das Bittere einzugestehen.« Die Angehörigen waren am 5. September nach München zur zentralen Gedenkfeier gereist.
»Wir wollten den Kreis schließen und ins Olympische Dorf zurückkehren«, so Romano weiter. »Wir standen da, und du hast uns die Tür geöffnet, deine Anwesenheit war zu spüren. Auf dem Balkon nach 50 Jahren fühlte es sich an wie ein Bild des Sieges.«
Sie sei stolz auf die Generationen der Nachfahren, die Yosef nicht zwar kannte, aber trotzdem das Vermächtnis fortführte. »Nun hoffen wir, dass die Schweigeminute zu ihrem Gedenken bei den Olympischen Spielen unvergessen bleibt.«