Dafür, dass Israel nur 9,4 Millionen Einwohner hat, ist die nationale Fluggesellschaft EL AL recht groß. Die Flotte mit 16 Boeing 787 (Dreamliner), sechs Boeing 777 und 24 für Kurz- und Mittelstrecken ausgelegte Boeing 737 kann sich sehen lassen. Dennoch reichen diese 46 Maschinen offenbar nicht aus.
Denn das EL-AL-Management ist derzeit mit Einkäufen beschäftigt. Laut Dina Ben Tal Genansia ist bislang unklar, ob EL AL bei dem Flugzeughersteller Boeing bleibt oder zum europäischen Unternehmen Airbus wechselt. »Es steht 50 zu 50«, sagte die erste weibliche CEO in der EL-AL-Unternehmensgeschichte dem israelischen TV-Sender »Channel 13«.
Weitere Flugzeuge von Boeing zu kaufen hätte einen Vorteil: Die bereits beschäftigten Piloten müssten nicht umständlich und teuer umgeschult werden. Einen Nachteil hätte eine solche Entscheidung aber auch: Boeing hat nach gravierenden Zwischenfällen bei seinem 737-Max-Programm weiterhin mit Problemen zu kämpfen. Die Alternative, nämlich die Airbus A220- und A320-Maschinen, sind derzeit zuverlässiger.
Warten auf die Konkurrenz
Der Einkauf von Flugzeugen kostet Geld, das aber für EL-AL derzeit kein Problem darstellt: In der vergangenen Woche gab die Fluggesellschaft bekannt, dass der Gewinn von Oktober bis Dezember 2023 rund 39,7 Millionen Dollar betrug. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es nur achteinhalb Millionen Dollar gewesen. Der Umsatz stieg von gut 570 auf gut 678 Millionen Dollar. Der EL-AL-Aktienkurs stieg um fünf Prozent an.
EL AL kommt derzeit bei der Ticket-Nachfrage kaum hinterher. Bei der »Mind the Tech«-Konferenz in New York erklärte Dina Ben Tal Genansia: »Wir haben normalerweise 6000 Kundenanrufe pro Tag bekommen. Nun sind es 60.000 Anrufe pro Tag.« Dies ist die Situation, obwohl die Touristen seit dem 7. Oktober mehr als vorsichtig sind.
Einer der zentralen Gründe für die enorme Nachfrage bei EL AL: Die Konkurrenz-Airlines sind seit den Attacken der Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023 noch nicht komplett nach Israel zurückgekehrt. »Wir warten darauf, dass die ausländischen Fluglinien wieder nach Israel kommen, denn wir können die Nachfrage nicht befriedigen«, sagte die EL-AL-Chefin.
Vernetzung mit der Welt
Dennoch ist klar: Dina Ben Tal Genansia und ihr Management-Team haben es geschafft, Schwierigkeiten zu überwinden, die auch mit der Tatsache zu tun hatten, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch spürbar waren.
Die Anzahl der Flüge, die vom Ben Gurion-Flughafen starten und dort landen, wurde so gut es geht erhöht. Das Ziel ist hier noch nicht erreicht: »Wir sind immer noch bei 85 Prozent, im Vergleich zu normalen Zeiten«, so Ben Tal Genansia. Die Fluglinie habe in den vergangenen Monaten gelernt, welche Bedeutung Flexibilität habe.
»Um Israel mit der Welt zu vernetzen, brauchen wir mehr Flugzeuge«, sagte die Chefin auf der Konferenz in Amerika. »Wir haben weniger Arbeiter, Piloten und Techniker als vor der Pandemie.« Der Krieg sei nicht erwartet worden, so die Managerin. »Außerdem gab es zuvor noch nie eine Situation, in der nur eine Linie nach Israel flog.«
Künstliche Intelligenz als Helferin
Neben der Anschaffung von Flugzeugen und Neueinstellungen soll nun auch Künstliche Intelligenz (KI) helfen. Zum Teil wird diese schon eingesetzt: »Wir haben ein KI-Tool entwickelt, das eine schnellere Suche nach freien Plätzen ermöglicht«, sagte die El Al-Chefin. Demnächst soll KI in alle Anwendungen integriert werden.
Derweil schlafen die Mitbewerber auch nicht. Lufthansa, ihre Tochtergesellschaft Swiss und Air France, sind dazu übergegangen, ihre Israel-Routen langsam wieder aufzunehmen. British Airways und United wollen ebenfalls wieder Maschinen nach Tel Aviv schicken.
Laut Ben Tal Genansia war das vierte Quartal 2023 »eine Achterbahn«. Zuerst führte die Terrorattacke vom 7. Oktober dazu, dass Reservisten eingeflogen und reguläre Passagiere umgebucht werden mussten. »Die Erholung kam dann im Dezember und hielt bis ins erste Quartal hinein an.«
Kunden äußern Frust
Probleme hat EL AL mit negativen Kommentaren von Passagieren in sozialen Medien, die sich darüber beschweren, dass die Fluggesellschaft ihre derzeitiges Monopol für Preiserhöhungen ausnutze. Laut Ben Tal Genansia kommen diese Beschwerden oft von Reisenden, deren Flüge anderer Linien gestrichen wurden und die daher kurzfristig EL-AL-Flüge kaufen. Diese fallen ihr zufolge naturgemäß teurer aus.
Die israelische Luftfahrtbehörde stellte unlängst fest, dass sich der Marktanteil von AL AL bei Flügen von und nach Israel im vergangenen Jahr um fast ein Drittel auf 5,5 Millionen Passagiere erhöht hat. Der Marktanteil der israelischen Fluglinie am Ben Gurion-Flughafen steht bei 26,3 Prozent, was zum Teil auf die aktuellen Umstände zurückzuführen ist.
Wie sich die Gespräche mit Airbus und Boeing über den Kauf von bis zu 30 neuen Flugzeugen gestalten, dürfte sich in den nächsten Wochen zeigen. Dina Ben Tal Genansia weiß, wo die Probleme liegen: »Es gibt Schwierigkeiten mit der Lieferkette. Auch die Tatsache, dass wir uns im Krieg befinden, hat die Gespräche etwas verzögert. Hauptsächlich weil die relevanten Gesprächspartner nicht besonders erpicht darauf sind, nach Israel zu kommen.«