Wieder steht alles still in Israel. Eine Woche nach dem Holocaust-Gedenktag Jom Haschoa erinnert das Land jetzt an seine gefallenen Soldaten und die Opfer von Terrorismus. Um Punkt 20 Uhr am Sonntag tönte der erste Sirenenton durch die schwüle Abendluft. Die Menschen standen schweigend mit gesenktem Kopf und gedachten der 25.664 Getöteten.
Bei der zentralen Veranstaltung an der Kotel in Jerusalem erklärte Staatspräsident Schimon Peres vor IDF-Soldaten und deren Familien: »Wir Israelis sind nicht wie andere Völker. Unsere Freude ist nie ganz, eine Wolke aus Trauer umgibt uns ständig. Sie mag verborgen sein und starrt doch direkt aus unseren Augen.«
Friedhof Es gibt in Israel kaum eine Familie, die nicht im Verwandten- und Bekanntenkreis einen Lieben hat, der durch Krieg oder Terror ums Leben gekommen ist. Zu ihren Ehren werden am Montag etwa anderthalb Millionen Besucher auf den 44 Militärfriedhöfen erwartet. Wegen der Hitzewelle, die bereits seit zwei Tagen andauert, sind zusätzliche Kranken- und Feuerwehrwehrwagen im Einsatz. Auch werden die Trauernden mit gekühlten Getränken versorgt.
Am Montag um elf Uhr schrillt die Sirene zum zweiten Mal in einem gleichbleibenden Ton in allen Gegenden des Landes. Wieder hält das gesamte Leben der kleinen Nahost-Nation für zwei Minuten inne. Fahrzeuge stoppen mitten auf der Straße, die Fahrer steigen aus und stehen still neben ihren Autos, Maschinen werden angehalten, das Leben macht eine Pause. Auf den Werbebildschirmen an den Kreuzungen flackern zwei virtuelle Kerzen.
Herzlberg Mittags wird auf dem Jerusalemer Herzlberg in einer separaten Zeremonie der 2495 bei Terroranschlägen Ermordeten gedacht. Einer von ihnen ist Elad Hirschsohn. 1995 verlor der damalige Teenager seinen Bruder bei einem Terroranschlag auf eine Soldaten-Cafeteria. Als fünf Jahre später Elads bester Freund ebenfalls von Terroristen getötet wurde, verfiel der 19-Jährige in tiefe Depressionen. Nur drei Wochen darauf nahm er sich das Leben. Elad und sein Bruder waren Fans des Fußballvereins Hapoel Jerusalem. Heute sind zwei Bankreihen im Stadion der Hauptstadt nach den Hirschsohns benannt, damit die viel zu früh gestorbenen jungen Männer nie in Vergessenheit geraten.
Während der zentralen Zeremonie, bei der Israels gesamte Politelite anwesend war, sagte Premier Benjamin Netanjahu zu den Familien der Gefallenen: »An diesem Tag nimmt uns die Nation auf, vereint sich mit uns. Die Toten kamen aus allen Bereichen, allen Gesellschaftsschichten. Ohne ihr Opfer wären wir nicht hier – das ist die schlichte Wahrheit.« Auch Netanjahu selbst gehört zu den Opferfamilien. Sein Bruder Yoni war beim Einsatz für die militärische Rettungsaktion von jüdischen Geiseln in Uganda getötet worden.
schwert Trotz der überwältigenden Trauer an diesem Sonntagabend schloss Präsident Peres mit optimistischen Worten: »Es ist wahr, wir leben noch immer mit dem Schwert – doch in unseren Herzen tragen wir den Frieden. Wir bieten unseren Nachbarn eine wahre Partnerschaft und ein neues Leben an. Und ich bin mir sicher, dass wir alle diesen Tag noch kommen sehen.«
Am Montagabend wird der Trauerflor in die Ecke gelegt, wenn es auf die Feiern zum Unabhängigkeitstag geht. Mit riesigen Partys, Feuerwerken und Straßenparaden wird der Jom Haazmaut laut und fröhlich gefeiert. In diesem Jahr nach dem Motto: »Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an ...«.