Iran

Eine Fluglänge voraus

Ein israelischer Kampfjet vor dem Abflug in den Iran, wo am Samstag unter anderem Raketenfabriken zerstört wurden Foto: picture alliance / Anadolu

In Israel ist man sich einig: Die Luftwaffe der israelischen Armee (IDF) hat mit der jüngsten Reaktion auf die Angriffe des Iran »erstklassige operative Fähigkeiten und Luftüberlegenheit demons­triert«. Das meinen Regierung und Opposition übereinstimmend. Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf das Ausmaß des Gegenschlags. Israel hatte am Samstag Luftabwehrsysteme, Militärstützpunkte und Raketenfab­riken in verschiedenen iranischen Gegenden als Antwort auf die Attacke am 1. Oktober angegriffen, bei der Israel mit fast 200 ballistischen Raketen aus dem Iran beschossen worden war.

»Unsere Botschaft ist sehr, sehr klar«, kommentierte Generalstabschef Herzi Halevi noch am Samstag. »Israel wird jeder Bedrohung, wo und wann auch immer sie auftaucht, entgegentreten.« Dies habe Israel durch die jüngsten Angriffe gegen den Iran untermauert. Halevi warnte außerdem: »Wir können viel mehr tun.«

»Präzise und mächtig«

Nach den Worten des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sei der Angriff »präzise und mächtig« gewesen. »Wir haben Irans Verteidigungssysteme und seine Fähigkeit, Raketen zu exportieren, schwer beschädigt. Das waren keine Basiswerkzeuge, die wir angegriffen haben. Das sind industrielle Todesfabriken, und wir haben sie hart getroffen.« Der Premier dankte den USA für Abstimmung und Unterstützung, machte jedoch bei einer Ansprache an die Knesset am Montag klar, dass »wir Entscheidungen selbst entsprechend unseren Interessen und Erwägungen treffen«.

Offenbar als Reaktion auf die jüngste Kritik an Netanjahu, dass dem anhaltenden Krieg klare strategische Ziele fehlten, vor allem von seinem eigenen Verteidigungsminister Yoav Gallant, fügte der Premier hinzu, dass Israels Ziele gegenüber Iran und seinen Stellvertretern klar seien: »Unsere langfristige Strategie ist es, die Achse des Bösen zu zerschlagen, ihr im Süden und im Norden die Waffen abzuschneiden, Iran und seinen Stellvertretern einen hohen Preis abzuverlangen und Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu besitzen.«

Israel hat klargemacht, dass seine Fähigkeiten zum Angriff diejenigen des Iran übertreffen.

Nach Meinung des Oppositionsführers Yair Lapid von der Zentrumspartei Jesch Atid war der Preis, den der Iran durch den israelischen Angriff gezahlt habe, allerdings nicht hoch genug: »Die Entscheidung, keine strategischen und wirtschaftlichen Ziele im Iran anzugreifen, war falsch. Wir hätten einen viel höheren Preis vom Iran verlangen können und sollen.«

Tamir Hayman, der Direktor des Instituts für nationale Sicherheitsstudien (INSS), ist überzeugt, dass der israelische Angriff dem iranischen Regime klare Botschaften übermittelt habe: »Einerseits hat Israel wesentliche Komponenten der iranischen Boden-Boden-Raketenindustrie angegriffen und darüber hinaus die iranischen Luftabwehrsysteme zerstört.« Damit habe Israel klargemacht, dass seine Angriffsfähigkeiten die des Iran übertreffen.

Eskalation oder Entspannung

»Israel gelang es, alle beabsichtigten Ziele anzugreifen, während der Iran dies zuvor nicht geschafft hatte.« Andererseits sei seit Samstag klar, dass »die Entscheidung, einen größeren Konflikt auszulösen, beim iranischen Anführer Khamenei liegt«. Denn der Umfang des Angriffs ermögliche es dem Regime in Teheran, zwischen einer Eskalation oder einer Entspannung zu wählen, ist Hayman sicher.

»Man kann sagen, dass Israel gezielt die strategischen militärischen Fähigkeiten des Iran ins Visier genommen hat«, so Hayman. Das ebene allerdings auch den Weg für eine weitere Gegenreaktion des Iran. Der iranische Führer stehe vor einem schwierigen Dilemma: Keine Reaktion würde eine historische Schwäche bedeuten, während eine Reaktion es Israel ermöglichen würde, dort zuzuschlagen, wo es wirklich wehtut. »All dies geschieht, während die Hisbollah, die erhebliche Bedrohung für Israel, geschwächt ist«, fasst der Experte zusammen.

Der Iran könnte bald reagieren. Manche Kommentatoren hoffen sogar darauf.

Moshe Fuzaylov, Senior Fellow am Misgav-Institut für nationale Sicherheit und ehemaliger hochrangiger Beamter des Schin Bet, kommentiert in der rechtskonservativen Gratis-Tageszeitung »Israel Hayom«, dass Israel auf einen Gegenschlag des Iran »hoffen« solle: »Verletzter Stolz und wachsender innerer Druck könnten den Iran zu hastigen Vergeltungsschlägen drängen, vielleicht durch einen weiteren Raketenbeschuss Israels. Sollte dies im Umfeld der US-Wahlen geschehen, könnte es Israel den nötigen Schwung verleihen, um gezieltere Angriffe auf die iranische Atominfrastruktur zu starten.«

Amos Harel von der linksliberalen Tageszeitung »Haaretz« findet ebenfalls, dass »die Bedrohung durch den Iran in der Tat erheblich ist«, es sei allerdings für die Netanjahu-Regierung momentan auch praktisch, die Aufmerksamkeit davon abzulenken, dass Israel mit den Kriegen im Libanon und in Gaza »in einer Falle« feststecke. »Und dies trotz der beeindruckenden Erfolge der israelischen Armee und anderen Sicherheitsorganisationen in den vergangenen Monaten«, gibt Harel zu bedenken.

Ohne einen umfassenden diplomatischen Schritt, der die Amerikaner einbezieht und den dringend notwendigen Kompromiss in der Frage der Freilassung der Geiseln beinhaltet, meint Harel, würde der Krieg noch sehr lange andauern – »und damit einhergehend wird der Preis, den wir zahlen, weiter in die Höhe schnellen«.

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