Porträt

Ein Neuer in München

Er ist blond, hat kurze Haare, ist 1,90 Meter groß, verdient sein Geld als Fußballtorwart, und wenn ihm auf Pressekonferenzen eine Frage gestellt wird, dann legt er etwas in seine Antwort, das sowohl Scheuheit als auch Nachdenklichkeit bedeuten könnte. Das erinnert Bayern-Experten an den jungen Manuel Neuer, der mit 25 Jahren nach München kam. Und nun ist da einer, der der Nachfolger des berühmten Torwarts werden könnte: Daniel Peretz, 23 Jahre alt, geboren in Tel Aviv. »Manu ist mein Vorbild«, sagt Peretz und berichtet stolz davon, ihn auf dem Gelände des FC Bayern schon getroffen zu haben.

Fünf Millionen Euro erhält Maccabi Tel Aviv dafür, dass der junge Israeli künftig beim FC Bayern spielt. Vom Dritten der vergangenen israelischen Saison zum deutschen Rekordmeister. Es gilt als einer der größten Deals in der Fußballgeschichte des kleinen Mittelmeerlandes. Bis zu einer Million Euro an Boni sollen auf Peretz warten, wenn er beim FC Bayern erfolgreich agiert. Doch genau hier beginnen die großen Fragezeichen. Welche Rolle wird Daniel Peretz in München spielen? Spielt er überhaupt?

PERSPEKTIVE Bayern-Trainer Thomas Tuchel nennt Peretz »ein junges Talent und einen sehr guten Charakter«. Peretz selbst sagt: »Ich freue mich, dass ich mit allen Torwarten zusammenarbeiten darf.« Und Jan-Christian Dreesen, der neue Vorstandsvorsitzende des Klubs, drückt es so aus: »Mit Daniel Peretz sind wir in unserem Torwart-Team perspektivisch sehr gut aufgestellt – für diese Saison und für die Zukunft.« Der Israeli sei »ein Torwart mit großem Potenzial«, daher habe er auch einen Fünfjahresvertrag bis 2028 erhalten. Das sind keine Worte, die man über jemanden äußert, von dem sofort große Taten erwartet werden.

Die Torwartsituation, die Peretz bei Bayern München angetroffen hat, ist etwas kompliziert: Stammtorwart Manuel Neuer (37), der als einer der weltbesten Keeper gilt, ist schon seit vergangenem Dezember verletzt. Ein Beinbruch beim Skiwandern hat ihn zurückgeworfen, aber mittlerweile ist Neuer wieder im Training. Ersetzt wird er aktuell von Sven Ulreich (35), der mit nur einem Jahr Unterbrechung seit 2015 beim FC Bayern unter Vertrag ist – und immer Nummer zwei war, auch wenn man ihm ebenfalls stets »großes Potenzial« attestierte. Bei den ersten zwei Saisonspielen, die die Münchner einmal 4:0, einmal 3:1 gewannen, stand Ulreich im Tor – und auf der Bank saß nicht Daniel Peretz.

Es gibt da nämlich noch ein paar Namen im Kader. Zuletzt durfte Tom »Ritzy« Hülsmann auf der Reservebank sitzen. Der ist 19 Jahre alt, 2,05 Meter groß und hat ebenfalls im August bei den Münchner Bayern unterschrieben, so wie Daniel Peretz. Zwei andere Riesentalente aus der eigenen Jugend, Ron Thorben Hoffmann und Christian Früchtl, hat der Klub gerade erst zu Eintracht Braunschweig beziehungsweise Austria Wien ziehen lassen.

Bei der sensationellen EM des israelischen U21-Teams war er einer der besten Spieler.

Reichlich Konkurrenz also für den jungen Israeli, der sich bislang überall durchsetzen konnte, wo er auftrat. Angefangen hat er schon mit sechs Jahren bei Maccabi Tel Aviv, wo er sämtliche Jugendmannschaften durchlief. 2019 verlieh ihn Maccabi an Beitar Tel Aviv Bat Yam, und auch da wurde er bald Stammtorwart und sogar Mannschaftskapitän.

Er kehrte zu Maccabi Tel Aviv zurück, gab 2020 sein Debüt in der ersten Profimannschaft, und als sich in der Saison 2021/22 Maccabis erster Torwart, Daniel Tenenbaum, verletzte, rückte Peretz auf die Nummer eins vor – und blieb, als Tenenbaum genesen war. Es folgten etwa 100 Spiele für Maccabi, davon 71 Ligaspiele, 43-mal konnte er zu null spielen, also ohne Gegentreffer. In Israels U21-Team, das in diesem Jahr sensationell das Halbfinale der Europameisterschaft erreichte, war er einer der tragenden Spieler.

AUFTRITT Dieser Auftritt war es, den auch der FC Bayern bemerkte. »Er hatte ein sehr beeindruckendes Turnier bei der U21-EM, wo er gleich beim Auftaktspiel gegen Deutschland zwei Elfmeter gehalten hatte«, erinnert sich der Trainer Thomas Tuchel. »Das war der finale Moment, in dem wir entschieden haben, dass er eine sehr gute Ergänzung für unsere Torhütergruppe und den Klub werden kann.«

Was die Bayern, die ihren Torwarttrainer mehrere Wochen zum Sichten von Peretz losschickten, zusätzlich überzeugt haben könnte, ist die deutsche Staatsbürgerschaft von Peretz. Weil er deutsche Vorfahren hat, besorgte er sich irgendwann neben dem israelischen auch den deutschen Pass. Das erweitert seine Chancen auf dem EU-Arbeitsmarkt für Fußballprofis.

Da ist noch etwas, zumindest behauptet Bayern-Boss Dreesen das. »Daniel ist der erste Spieler aus Israel, den der FC Bayern verpflichtet.« Das sei einerseits etwas Besonderes, »vor dem Hintergrund unserer jüdischen Geschichte«, aber zugleich beteuert Dreesen, das spiele keine Rolle, es gehe nur um fußballerische Leistung.

spielermarkt Und es gibt noch ein Detail, das Peretz interessant für den internationalen Spielermarkt machen könnte. Seit dem 28. Juli, so die offizielle Bekanntgabe, ist der junge Fußballer mit Noa Kirel liiert. Die Sängerin gewann mit ihrem Lied »Unicorn« beim Eurovision Song Contest den dritten Platz für Israel.

Schließlich wird im Profifußball seit David Beckham die Konkurrenz um Einsätze, Vereine und Marktanteile nicht nur auf dem Rasen ausgetragen. Ein interessanter Werbeträger zu sein, ein die Medien beschäftigendes Privatleben zu haben und auch in der Yellow Press immer für Schlagzeilen gut zu sein, ist kein Nachteil.

In Israel sorgt Peretz vor allem wegen seiner prominenten Freundin für Gesprächsstoff.

Das gilt umso mehr, sieht man sich die Liste der Torhüter an, die beim FC Bayern schon gehandelt wurden, ehe Daniel Peretz unterschrieb. Nachdem klar war, dass der kurzfristig verpflichtete Manuel-Neuer-Ersatz Yann Sommer, immerhin Schweizer Nationaltorwart, an Inter Mailand transferiert wurde, waren die Münchner noch unentschlossen, ob sie einen Weltklassetorwart holen oder auf die baldige Rückkehr Neuers hoffen sollten.

Der von der jüngsten WM in Katar noch bekannte marokkanische Nationaltorwart Yassine Bounou alias Bono war im Gespräch, andere Namen ebenso. Mit dem Spanier Kepa Arrizabalaga vom FC Chelsea waren sich die Bayern angeblich schon einig, als der ein Angebot von Real Madrid annahm. Gerónimo Rulli von Ajax Amsterdam verletzte sich an der Schulter. Glücklich agierten die Münchner nicht auf dem internationalen Markt.

ENTWICKLUNG Aber da war auch die Hoffnung auf die Rückkehr des alten Stammtorwarts Neuer und dann die Aussicht, nach dem 37-Jährigen (und dem 35-jährigen Ulreich) ein Talent langsam aufzubauen. Und hier kommt Daniel Peretz ins Spiel. »Peretz befindet sich in der Entwicklung. Er muss auf einem höheren Niveau spielen, um sich zu verbessern«, sagte der Leiter der Uefa-Scouting-Abteilung, Leslie Reed, zum Magazin »Forbes«. Der 70-jährige Reed hat große internationale Erfahrung, und er lobt Peretz sehr: »Er ist ein moderner Torwart, der Wert auf Ballbesitz legt, das würde zu Bayern passen.«

Das wäre wieder eine Ähnlichkeit mit Manuel Neuer. So argumentiert auch ein anderer Experte, der israelische Ex-Profi Almog Cohen, der beim 1. FC Nürnberg und beim FC Ingolstadt gespielt hat. Der »Bild«-Zeitung sagte Cohen, Peretz habe »absolut den Charakter und das Potenzial«, um Stammspieler bei Bayern zu werden. »Wenn Peretz noch ein Jahr mit Neuer und Ulreich bei Bayern arbeiten darf, kann er irgendwann in den Zirkel der 15 besten Torhüter der Welt kommen – und durchaus auch Bayerns Nummer eins werden, wenn Neuer irgendwann aufhört.«

Und wenn Peretz sich wohlfühlt. Und dass das so ist, beteuert Peretz fleißig. »Als ich zum Training kam, wurde ich gleich angenommen«, berichtet er. Der Trainer behandele die Spieler »wie Söhne«, und der gesamte FC Bayern sei »wie eine Familie«. Als Rückennummer auf dem Trikot wählte sich Peretz die 18. »Wir haben uns nichts dabei gedacht«, beteuerte Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen bei der Präsentation von Peretz, aber der erinnerte daran, dass die 18 eine spirituelle Bedeutung hat: »In Israel ist die 18 sehr populär, wir feiern das Leben. Daher habe ich diese Nummer gewählt.«

Jerusalem

Israels Polizeiminister betet erneut auf dem Tempelberg

»Für die rasche Rückführung aller Geiseln und den vollständigen Sieg mit Gottes Hilfe«, schrieb der Rechtsextremist Ben-Gvir auf der Plattform X

 26.12.2024

Israel

Härtere Reaktion auf Angriffe der Huthi angekündigt

Nach Verteidigungsminister Katz äußert sich ein General: »Wir werden die Häufigkeit der Angriffe und ihre Stärke nach Bedarf weiter erhöhen«

 25.12.2024

Gaza-Verhandlungen

Streit über Geisel-Liste behindert Fortschritte

Israelische Medien: Terrororganisation Hamas lehnt es ab, eine vollständige Liste der noch Lebenden zu übermitteln

 25.12.2024 Aktualisiert

Nahost

Bericht: Israels Truppen tiefer im Grenzgebiet zu Syrien

Die israelische Armee teilte mit, ihre Streitkräfte seien »im Süden Syriens im Einsatz, innerhalb der Pufferzone und an strategischen Punkten«

 25.12.2024

Chanukka

Es leuchtet wieder

Viele Stadtverwaltungen in Israel stellen Leuchter auf – Botschaften der Koexistenz, während der Krieg in Gaza weitergeht

von Sabine Brandes  25.12.2024

Israel

Armee: Weitere Rakete aus dem Jemen abgefangen

Sie sei noch außerhalb der eigenen Landesgrenzen abgeschossen worden

 25.12.2024

Lewiwot

Seelenfutter zu Chanukka

In einem Jahr voller Raketenalarm und grausamer Nachrichten wurde das gemeinsame Kochen für die Familie unserer Israel-Korrespondentin zur mentalen Überlebensstrategie. Ein Blick zurück - und nach vorn

von Sabine Brandes  25.12.2024

Israel/Gaza

Ehemalige Geisel stirbt

Hanna Katzir aus dem Kibbutz Nir Oz war nach Gaza verschleppt worden. Ihr Mann und Sohn wurden von der Hamas ermordet

von Sabine Brandes  24.12.2024

Israel

Netanjahu spricht von Fortschritten bei Geisel-Gesprächen

Weihnachtsbotschaft des Ministerpräsidenten: »Wir streben nach Frieden mit all jenen, die Frieden mit uns wollen«

 24.12.2024 Aktualisiert