Bei Rettungsgrabungen haben Archäologen im israelischen Beit Schemesch eine in Größe und Ausgestaltung für ihre Zeit beeindruckende Kirche gefunden. Inschriften geben Aufschluss über Stifter und Entstehungszeit im 6. Jahrhundert, unter anderem floss Geld des byzantinischen Kaisers. Auch, wem zu Ehren die Stätte errichtet wurde, lässt sich – fast – entnehmen: dem »glorreichen Märtyrer«, dessen Identität den Forschern bislang ein Rätsel ist.
Wann immer gebaut wird, ruft dies in Israel die Archäologen auf den Plan. Nicht selten finden sie in ihren Bestandsaufnahmen Indizien für unentdeckte Altertümer. Was jedoch in drei Jahren auf 1500 Quadratmetern in Beit Schemesch freigelegt wurde, ist für Grabungsleiter Benjamin Storchan in vieler Hinsicht herausragend bis einzigartig.
fundort Da ist das Baptisterium, 1,20 Meter mal 1,20 Meter, in Kreuzform geschnitten aus einem monolithischen Block örtlichen Tropfsteins – laut Storchan der einzige bekannte Taufbrunnen dieser Art. Ursprünglich war er möglicherweise halb in den Boden eingelassen, damit erwachsene Täuflinge in das Becken steigen konnten. Mit dem Übergang zu Kindertaufen, so eine Theorie des Archäologen, wurde er an seinen ebenerdigen Fundort gebracht.
Die Chorschranken aus in Kreuzmustern durchbrochenem Marmor sind seit Donnerstag mit weiteren Funden in einer Sonderausstellung zu sehen.
Da sind die Chorschranken aus in Kreuzmustern durchbrochenem Marmor, die seit Donnerstag mit weiteren Funden in einer Sonderausstellung im Jerusalemer Bible-Lands-Museum zu sehen sind. Auch sie, sagt Kuratorin Oree Meiri, »sind extrem selten und ein deutlicher Hinweis auf die Pracht der Kirche«. Da sind Reste von Glaslampen und -fenstern, nach Storchan der bisher größte Glasfund in einem byzantinischen Bau, für Kuratorin Meiri »eine der unverkennbaren Merkmale der Stätte«.
Dazu zählt auch eine Steinbank an der Südwand: »Bänke finden wir in dieser Zeit üblicherweise nur in sehr großen und sehr bedeutenden Kirchen«, sagt Storchan. Beit Schemesch scheint beides zu erfüllen. Die Größe der 1500 Jahre alten Kirche und des Atriums seien »für ihre Zeit massiv«, so der Archäologe. Von vier vergleichbaren, mit Märtyrern assoziierten Kirchen in Israel und Jordanien, sei diese die am besten erhaltene.
inschriften Die Zahl der Pilger muss laut Storchan so hoch gewesen sein, dass die Mönchsgemeinschaft, auf deren Existenz die in den Inschriften genannten Äbte hinweisen, ihr Einkommen nicht aus der Landwirtschaft beziehen mussten. Allein aus dem 9. Jahrhundert fanden die Forscher mehr als 300 intakte Ton-Öllämpchen, wohl pilgerliche Opfergaben.
Die Märtyrerkirche ist nicht nur eine der wenigen im Heiligen Land gefundenen Kirchen mit einer Krypta – die Doppeltreppe in den marmorverkleideten Raum werten die Forscher als weiteres Indiz für den Zuspruch: Bei großem Andrang konnten die Pilger durch die Stätte geleitet werden, ohne liturgische Handlungen im Hauptraum zu stören.
Der namenlose Märtyrer selbst bleibt unterdessen ein Rätsel. »Wir haben eine Reihe von literarischen Zeugnissen, mehrheitlich Pilgerberichte, aber wir konnten ihn noch nicht identifizieren«, sagt Storchan. Und Kuratorin Meiri ergänzt: »Dass wir keinen Namen finden, heißt, dass er so bekannt war, dass man ihn nicht erst nennen musste!«
Die islamische Eroberung hat die Kirche offenbar unbeschadet überstanden.
Grabungsleiter Storchan vermutet, dass die Kirche tatsächlich am Ort des Martyriums errichtet wurde, nicht aber, dass die Gebeine dorthin gebracht wurden. Die im Winter wegen Überschwemmungen ungünstige Tal-Lage ergebe anderweitig keinen Sinn.
nutzung Die islamische Eroberung hat die Kirche offenbar unbeschadet überstanden. Münz- und Keramikfunde deuten auf eine Nutzung bis ins neunte Jahrhundert. Danach habe der Ort eine »ernsthafte wirtschaftliche Erstickung« erlitten. »Wir finden keine Zeichen von menschlicher Zerstörung oder einer Naturkatastrophe. Jemand hat die Zugänge zur Kirche sorgfältig mit Steinen verschlossen, in der Annahme, dass man wiederkommen werde«, so Storchan.
Stattdessen kamen die Archäologen, nach Jahrhunderten, in denen Erdschichten die Ruinen schützten. Deren Entfernung, sagt Storchan, »erschüttert die Stabilität der Stätte«. Dass die Kirche erhalten werden soll, steht für die Archäologen außer Frage. »Zum Glück waren auf diesem Abschnitt noch keine Gebäude geplant, sondern nur Wasserleitungen, für die wir eine andere Lösung finden konnten.« Wie die weitere Zukunft des Ortes genau aussehen soll, darüber müssen nun die zuständigen Behörden entscheiden.