Schlager

Ein bisschen Frieden reloaded

»Heilige Erde«: Szene aus Nicoles jüngstem Video, das 2015 in Israel gedreht wurde. Foto: T&T

Israel – twelve points», rief am späten Abend des 24. April 1982 die BBC- Moderatorin Jan Leeming ins Mikrofon. Die Höchstzahl der Punkte an diesem denkwürdigen Tag im International Centre im nordenglischen Harrogate kam also auch aus Israel.

Die erst 17-jährige Sängerin Nicole hatte zuvor ihre Ballade «Ein bisschen Frieden» präsentiert – ein wenig verschüchtert, mit einer weißen Gitarre in der Hand, saß sie da auf einem schlichten Holzhocker mitten auf der riesigen Bühne. Im Hintergrund begleitete sie der Komponist des Songs, Ralph Siegel, auf einem riesigen schwarzen Flügel.

«Ein bisschen Frieden» von Nicole war der musikalische Beitrag aus Deutschland zum Eurovision Song Contest vor 35 Jahren. Als für Nicole in der Künstlerlounge die Punktezahlen der Länder auf der kleinen Anzeigetafel aufleuchteten, drückte Ralph Siegel seinem Schützling ganz fest die Hand.

Musikproduzent «Zwölf Punkte aus Israel, das ist unglaublich», habe er ihr ins Ohr geflüstert, erinnert sich die Schlagersängerin im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen auch 35 Jahre später noch genau. Denn das hatte selbst der erfolgreiche Musikproduzent, der schon seit 1956 für alle deutschen Songs beim Song Contest verantwortlich war, noch nie erlebt.

«Dann hat es auch bei mir Klick gemacht», sagt Nicole rückblickend. Erstmalig wurde ein Titel aus Deutschland zum Sieger des prestigeträchtigen europäischen Musikwettbewerbs gekürt. Der Vorsprung von Nicole und ihrem Lied vor der musikalischen Konkurrenz ist bis heute unerreicht. Er gilt als historisch.

Der Zweitplatzierte von Harrogate, der israelische Sänger Avi Toledano, kam mit seinem Song «Hora» auf satte 61 Punkte weniger als die saarländische Abiturientin Nicole, die insgesamt 161 Punkte erhielt. Die Höchstpunktzahl aus Israel für einen Titel aus Deutschland war ebenfalls eine Premiere. «Wie müssen die Israelis meinen Song und mich, die naive Schülerin, doch mögen», dachte sich Nicole in der nordenglischen Kurstadt Harrogate an jenem Aprilabend. Vier Monate später durfte sie es live erleben.

einladung Es waren politisch schwierige Zeiten im Jahr 1982. England führte einen Krieg gegen Argentinien um die Falkland-Inseln im südlichen Atlantik. In Deutschland stritt die Friedensbewegung gegen die atomare Aufrüstung der NATO auf deutschem Boden, insbesondere die Stationierung von Pershing-Raketen, und Israel steckte seit Juni mitten im Libanonkrieg. Vielleicht war das alles auch ein Grund für den Erfolg von Nicoles musikalischer Friedensbotschaft. Der Song, getextet von Bernd Meinunger, traf punktgenau den Zeitgeist der frühen 80er-Jahre. Im Anschluss an den Eurovision Song Contest sollte sich Nicoles Siegerlied noch mehr als fünf Millionen Mal verkaufen.

Die offizielle Einladung der israelischen Regierung erreichte die Plattenfirma im Frühsommer 1982. Nicole wurde gebeten, in Israel die englische Version, «A little Peace», ihres Siegertitels zu präsentieren, und zwar auf einem geschlossenen Kasernengelände bei Tel Aviv – vor ausschließlich israelischen Soldaten als Publikum also. «Eine richtig große Geschichte», erkannte der Komponist Ralph Siegel sofort.

Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes störte die junge Interpretin Nicole damals nicht. «Das war mir egal. Ich habe nicht lange überlegt, sondern sofort Ja gesagt», erinnert sich die Sängerin. Gemeinsam mit ihrem damaligen Freund und heutigen Ehemann Winfried Seibert sowie ihren Eltern stieg Nicole in Frankfurt in die EL-AL-Maschine nach Tel Aviv. Mit an Bord war auch ein kleines Team des ZDF-Vorabend-Magazins «Drehscheibe».

Was Nicole dann in diesem heißen August in Israel erlebte, beschreibt die Saarländerin als «einen der größten Momente meines Lebens». Auf dem Kasernenareal gab es keine Bühne. Deshalb stellte sich Nicole mit ihrer weißen Eurovision-Gitarre auf eine kleine Anhöhe. «Nach und nach kamen die jungen Frauen und Männer aus den Kasernen. Sie waren in voller Montur, setzten sich auf das Gras und legten ihre Waffen neben sich», lässt Nicole ihren ersten Auftritt in Israel Revue passieren.

Die Technik für dieses Mini-Open-Air-Konzert, ein kleines Mischpult, zwei Standboxen, hatte das Team der «Drehscheibe» inzwischen aufgebaut. Dann legte Nicole los und sang live ihren Song «A little Peace». Stille beim soldatischen Fanpublikum, ein fast andächtiges Lauschen. Dann, als die letzten Akkorde der Ballade verklungen waren, rauschte ein lebhafter Applaus auf. «Die Soldaten waren tief gerührt – das habe ich sofort gemerkt», erinnert sich Nicole an ihren einzigartigen Auftritt. Und sie hat noch etwas gespürt: «Hier in Israel kann mir nichts passieren.»

ölberg Nach dem Auftritt reiste die Sängerin durchs das Land. Fünf Tage später flog sie zurück ins Saarland. Nicole dokumentierte ihre unvergessliche Reise mit ei-ner Super-8-Kamera. Die hatte sie sich extra für ihren Israeltrip gekauft. «Wer weiß, wann solche Augenblicke wiederkommen», hatte sie sich damals gedacht.

In den Jahren nach ihrem Eurovision-Erfolg von 1982 landete Nicole keinen großen Hit mehr. Sie blieb ihrem Beruf als Sängerin jedoch treu, bekam zwei Kinder, legte eine Pause vom Showbusiness ein, ging auf kleinere Tourneen und veröffentlichte regelmäßig neue Alben. Vor gut einem Jahr erschien ihr Album Traumfänger. «Ein Statement für Frieden, Freiheit und Werte», beschreibt es Nicole. Der zweite Song auf dieser CD heißt «Wir sehen uns im Himmel», der zwölfte «Heilige Erde». «Die Texte dafür sind mir aus der Hand geflossen, das sind Friedensbotschaften. Wir brauchen das, gerade jetzt, und ich glaube fest daran», erzählt die heute 52-Jährige.

Die Idee, zu diesen beiden Songs Musikvideos zu produzieren, hegte Nicole schon lange vor der offiziellen Albumveröffentlichung. «Aber nicht im Thüringer Wald als Drehort, das passt ja wirklich nicht», erklärt die Sängerin. Das israelische Tourismusministerium bekam Anfang des vergangenen Jahres Wind von diesem Location-Dilemma und lud Nicole nach Israel ein. Diesmal, 34 Jahre nach ihrem «Kasernen-Konzert», zur Produktion von zwei Musikvideos. Wieder gab es eine Reisewarnung, und wieder ließ sich die Interpretin nicht beirren und machte sich mit einem kleinen Team auf den Weg nach Israel.

«Heilige Erde» und «Wir sehen uns im Himmel» hat Nicole am Strand von Tel Aviv und in Jerusalem auf einem Gelände in der Nähe des Ölbergs gedreht. Der Ölberg war aus Sicherheitsgründen gesperrt. «Es war anders als damals, aber trotzdem wunderschön», sagt Nicole.

Paris

Israel gegen Frankreich: Rauchbomben, Buhrufe und eine Schlägerei

Die Stimmung im Stade de France war spürbar aggressiv

 14.11.2024

Nahost

Waffenstillstand als »Geschenk« für Trump?

Bis Januar soll eine Vereinbarung stehen

 14.11.2024

Thailand

Warnung vor Anschlägen auf Israelis bei Full Moon Party

Die Full Moon Party auf der Insel Koh Phangan gilt als Asiens beliebteste Strandfeier. Aber jetzt ist Vorsicht geboten: Es gibt Angst vor Attacken auf Juden

von Carola Frentzen  14.11.2024

Berlin

Annalena Baerbock gegen Aussetzung des EU-Dialogs mit Israel

Gleichzeitig bringt die Außenministerin Sanktionen gegen israelische Minister ins Spiel

 14.11.2024

Nahost

Sechs israelische Soldaten sterben im Kampf gegen die Hisbollah

Die Lage am Donnerstag

 14.11.2024

USA

Familienbande

Warum es für Israel problematisch werden kann, wenn beide Schwiegersöhne Trumps in der Nahostpolitik mitmischen

von Sabine Brandes  14.11.2024

Medien

»Mit eigenen Augen sehen«

»Welt«-Chefreporter Steffen Schwarzkopf über Herausforderungen der Berichterstattung aus Israel

von Detlef David Kauschke  14.11.2024

Vermisst!

Barmizwa ohne Vater

Ofer Kalderon kann nicht mit seinem Sohn feiern. Seit mehr als 400 Tagen ist er Geisel der Hamas-Terroristen

von Sabine Brandes  14.11.2024

Kiel

»Eckpfeiler für Israels Sicherheit«

Die »Drakon« ist bereits das sechste in Deutschland gebaute U-Boot für Israels Marine - jetzt fand die Schiffstaufe statt

 13.11.2024