Eden Golan lässt sich nicht unterkriegen! Schon gar nicht von einem Hurrikan des Hasses. Selbstbewusst und strahlend stand sie am Donnerstagabend auf der Bühne des Eurovision Song Contest (ESC) in der schwedischen Stadt Malmö und präsentierte ihr Lied »Hurricane«. Einige Pfiffe waren aus dem Publikum auszumachen, doch die wurden von Beifall und Jubel meist übertönt. Mit ihrer kraftvollen Ballade wurde die Israelin von Menschen an den Bildschirmen in aller Welt ins Finale des weltgrößten Gesangswettbewerbs gewählt.
Insgesamt qualifizierten sich an diesem Abend zehn von 16 Teilnehmern. Am Dienstag kamen im ersten Halbfinale bereits zehn Länder weiter, darunter auch Luxemburg, für das ebenfalls eine Israelin antritt: Tali Golergant mit »Fighter«. Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien, die sogenannten großen Fünf, ziehen jedes Jahr wegen ihrer Finanzierung des ESC automatisch ins Finale ein, das am Samstag ausgestrahlt wird.
Eden und ihr Team jubelten frenetisch mit Fähnchen
Im Green Room, einer Art Künstlerlounge, wo die Sänger, Sängerinnen, Bands und Tänzer während der Abstimmung und Auszählung der Stimmen warten, jubelten Eden und ihr Team jedes Mal frenetisch, wenn die Kameras herüberschwenkten, mit blau-weißen Fähnchen in der Hand.
Die Eurovision steht für große Balladen, grellbunte Kostüme, nicht immer geschmackvolle Tanzeinlagen und zum Teil schlicht groteske Darbietungen. Doch vor allem soll es um eines gehen: die Freude am Gesang und den Spaß an der Freude. Den hätte sich Golan leicht verderben lassen können. Im Vorfeld des ESC gab es Israelhass und Antisemitismus in selten da gewesener Form. Tausende demonstrierten am Tag ihres Auftritts in der südschwedischen Stadt, um Stimmung für eine Ausschluss Israels vom Wettbewerb zu machen.
»Ich bin hier, um meine Liebe mit allen zu teilen.«
eden golan
Es muss ein unvorstellbar großer Druck sein, der auf der jungen Künstlerin lastet. Vor der Reise nach Malmö gab ihr der israelische Inlandsgeheimdienst mit auf den Weg, das Hotel nur zu offiziellen Veranstaltungen zu verlassen und ansonsten den Zimmerservice zu bestellen. Keine Stadttouren durch Malmö, keine ausgelassenen Partys mit Gesangskolleginnen und -kollegen von überallher. Zu der Veranstaltung am Donnerstag wurde sie in einem Konvoi gefahren, dessen Sicherheitsmaßnahmen an den Papst oder einen der mächtigsten Regierungschefs erinnerten. Bei den Proben gab es Buhrufe und Pfiffe.
Während die Welt zuschaute, musste sie auch bei der Live-Veranstaltung damit rechnen, ausgebuht oder niedergeschrien zu werden, und doch professionell ihren Beitrag präsentieren. Und das tat sie. Ganz und gar souverän sang sich Eden Golan ins Finale. Doch nicht nur Professionalität und künstlerisches Talent bescherten ihr den Einzug. Auch die Sensibilität der erst 20-Jährigen im Umgang mit dieser unfairen Situation war bemerkenswert.
RAI: Golan hat in Italien 39 Prozent der Stimmen erhalten
Vor der Show sagte sie in einem Interview, der ESC sei ein »Ort, der sicher für alle ist«, und verkündete ganz im Einklang mit dem Motto des diesjährigen Wettbewerbs »Vereint durch Musik«, für sie gehe es darum, »ihre Liebe mit allen zu teilen«.
Die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt Italiens RAI veröffentlichte am Tag nach dem Halbfinale angeblich versehentlich die Abstimmungsergebnisse im Land. Demzufolge habe Golan in Italien 39 Prozent der Stimmen erhalten. Das nächstbeste Ergebnis habe Holland mit sieben Prozent erreicht, berichtete die israelische Nachrichtenseite Ynet.
Wie auch immer das Ergebnis beim Finale am Samstag aussehen mag – Eden kann schon jetzt von sich sagen: Ich kam, ich sang, ich siegte.