Nach einer Massenpanik mit Dutzenden Toten hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine umfassende Untersuchung angekündigt. Eine solche Katastrophe dürfe sich nicht wiederholen, sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros am Freitag im Wallfahrtsort Meron im Norden des Landes. »Es gab hier herzzerreißende Szenen.«
Der 71-Jährige sprach von einer der größten Katastrophen des Staates Israel. Für Sonntag kündigte er einen nationalen Trauertag an. Weltweit bekundeten Menschen ihr Mitgefühl. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel sprachen ihr Beileid aus.
Mindestens 45 Menschen waren nach offiziellen Angaben bei der Massenpanik während einer Lag-Baomer-Feier gestorben. Nach Angaben Netanjahus sind unter ihnen auch Kinder. Rund 150 Menschen wurden nach Angaben der Rettungskräfte verletzt, einige von ihnen schwer. In Tel Aviv spendeten Hunderte Blut für die Opfer.
Tausende - vor allem Ultrareligiöse - hatten am Donnerstagabend auf dem Meron-Berg den Feiertag Lag Baomer begangen. Die Behörden hatten die Teilnehmerzahl auf 10.000 begrenzt, nach Medienberichten reisten aber bis zu zehnmal mehr Menschen an. In sozialen Netzwerken war vor dem Unglück in Videos zu sehen, wie die Menschen sehr dicht gedrängt und ausgelassen sangen, tanzten und hüpften. Augenzeugen berichteten von gefährlichem Gedränge.
Die Polizei nahm Ermittlungen zur Ursache des Unglücks auf. Nach ersten Erkenntnissen begann die Panik, als Menschen auf einer abschüssigen Rampe mit Metallboden und Wellblech-Trennwänden auf beiden Seiten ins Rutschen kamen. Die dicht gedrängten Feiernden fielen dann übereinander. Viele wurden erdrückt. Ein Sprecher des Rettungsdienstes Zaka sprach von einem »unerträglichen Ereignis«.
Bundespräsident Steinmeier zeigte sich bestürzt. »Diese Katastrophe, die vielen Menschen das Leben gekostet hat, macht uns fassungslos. Es ist eine Tragödie, die uns zutiefst erschüttert«, schrieb Steinmeier an den israelischen Präsidenten Reuven Rivlin. Dieser entzündete für jeden Toten eine Kerze. Kanzlerin Merkel übermittelte ihre Anteilnahme. Den Verletzten wünschte sie schnelle und vollständige Genesung.
Am Freitag wurden erste Vorwürfe gegen die Polizei laut. Sie habe Leute in das abgesperrte Areal gelassen, obwohl es schon extrem voll gewesen sei. Nach Beginn der Panik habe die Polizei dann nicht schnell genug Ausgänge auf der anderen Seite geöffnet, so die Kritik. Insgesamt waren rund 5000 Sicherheitskräfte im Einsatz.
Die Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht, einige auch per Rettungshubschrauber. Selbst Soldaten waren im Einsatz, darunter eine Eliteeinheit der Armee. Die Polizei sperrte Zufahrtsstraßen und räumte das Gelände.
Berichten zufolge weigerten sich am frühen Morgen Hunderte Beter zu gehen, weil sie beten wollten. Es sei auch zu Konfrontationen gekommen. Der Polizei zufolge gab es Probleme mit dem Handyempfang, viele verzweifelte Menschen konnten Angehörige in Meron telefonisch nicht erreichen.
Ein Zaka-Sprecher sagte am Morgen im Fernsehen, viele Kinder seien von ihren Eltern getrennt worden. Man bemühe sich, sie wieder zusammenzuführen. »Ich bin seit mehr als 20 Jahren beim Rettungsdienst, so etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte er. »Das sind unfassbare Zahlen.« Viele Opfer sollten am Freitag noch vor Beginn des Schabbats begraben werden. dpa/ja