»Wir freuen uns auf eine weitere Stärkung der strategischen Partnerschaft« – mit diesen Worten bedankte sich Indiens Premier Narendra Modi für die Glückwünsche seines israelischen Amtskollegen. Denn Benjamin Netanjahu war einer der Ersten, die ihm für seine Wiederwahl vor wenigen Wochen gratulierte. Und das geschah nicht ohne Grund. Schließlich ist Indien zum wichtigsten Kunden aufgestiegen, wenn es um Waffenverkäufe geht. 46 Prozent aller israelischen Rüstungsexporte gehen mittlerweile auf den Subkontinent. Einige Quellen sprechen von einem Volumen von rund zwei Milliarden Dollar im Jahr – eine bemerkenswerte Entwicklung, wenn man bedenkt, dass Neu-Dehli früher nicht unbedingt zu den Freunden des jüdischen Staates gehörte und es erst seit 1992 diplomatische Beziehungen gibt.
Die Palette israelischer Waffen beginnt bei den teilweise auch vor Ort in Lizenz produzierten Tavor-Galil oder Negev-Maschinengewehren, die schon länger bei Spezialeinheiten der indischen Armee in Gebrauch sind, und setzt sich fort über Spezialequipment zur Terrorbekämpfung bis hin zu dem Barak-1-Flugabwehrraketensystem, das auf 15 Schiffen der indischen Marine installiert wurde, darunter auf der »INS Vikramaditya«, einem der beiden Flugzeugträger Indiens.
Etwa 20 der in Hyderabad produzierten Nachbauten der Hermes-900-Drohne gingen nach Israel.
Sollten sich also einige der vielen Tausend jungen israelischen Rucksacktouristen, die Indien nach ihrem Armeedienst monatelang bereisen, zufällig auf eine indische Militärbasis verirren, dürfte ihnen vieles aus ihrer eigenen Zeit als Soldaten ziemlich bekannt vorkommen. Doch das Ganze ist schon lange keine Einbahnstraße mehr. Indien ist in jüngster Zeit ebenfalls als Lieferant von Munition oder Waffensystemen an Israel in Erscheinung getreten. Ein prominentes Beispiel dafür ist das in Bengaluru ansässige Unternehmen Tonbo Imaging, dessen spezialisierte elektrooptische Technologie bereits seit einigen Jahren in Israels präzisionsgelenkten Bomben verbaut wird.
Und nicht nur das. Offensichtlich werden auch ganz andere Rüstungsgüter Richtung Israel geschickt. So sorgte im Mai dieses Jahres ein Vorfall in der spanischen Hafenstadt Cartagena für Schlagzeilen. Dort verweigerte man der »Marianne Danicar«, einem Schiff, das 27 Tonnen Munition geladen hatte, die für die israelische Armee bestimmt waren, den Zwischenstopp. Die Herkunft des Frachters: Madras in Indien. Viel wichtiger aber ist die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Entwicklung von Waffensystemen, allen voran Drohnen.
So präsentierte im Januar die indische Marine ein unbemanntes Luftfahrzeug vom Typ Drishti-10-Starliner, das noch im laufenden Jahr in Dienst gestellt werden soll. Dieses Modell, produziert in Hyderabad, besteht zu rund 70 Prozent aus in Indien hergestellten Komponenten, basiert aber auf der Hermes-900-Drohne des israelischen Herstellers Elbit Systems, das eigens mit dem indischen Rüstungsproduzenten Adani Defense and Aerospace eine Kooperation eingegangen ist.
Es ist nicht die einzige Zusammenarbeit in diesem Segment.
Doch nicht nur am Himmel im Himalaja, wo die Drishti-100 einen Beitrag zur Sicherung des indisch-chinesischen Grenzgebiets leisten soll, ist sie zu sehen. Etwa 20 der in Hyderabad produzierten Nachbauten der Hermes-900-Drohne gingen kürzlich auf eine Reise, und zwar nach Israel, wo sie an die Armee ausgeliefert wurden und im Krieg gegen die Hamas zum Einsatz gekommen sein sollen. Man griff auf die Drohnen made in India zurück, weil in den eigenen Arsenalen bald Ebbe herrschte.
Es ist nicht die einzige Zusammenarbeit in diesem Segment. Auch Israel Aircraft Industries (IAI) oder Rafael Advanced Defence Systems haben sich mit dem Who’s who der indischen Hersteller bereits zusammengetan oder gründen neue Unternehmen vor Ort. So wie IAI im März Aerospace Service India (ASI). »IAI ist stolz, ASI als unseren ersten großen Meilenstein auf dem Weg zur Umsetzung von Indiens Bharat-Atmanirbhar-Vision von einer Selbstständigkeit zu präsentieren«, erklärte IAI-Präsident Boaz Levy anlässlich der Präsentation des neuen Unternehmens im März dieses Jahres. Dabei bezog er sich auf einen prominenten Slogan in Hindi: »Atmanirbhar Bharat Abhiyan«, was auf Deutsch so viel heißt wie: »Mission selbstständiges Indien«. Dieser wurde von Premier Modi 2020 als politische Forderung ins Spiel gebracht und verweist auf das ambitionierte Ziel, Indien als eigenständigen und ernst zu nehmenden wirtschaftlichen und militärischen Player in der Weltpolitik zu etablieren.
»Gemeinsam werden wir Bharat Atmanirbhar verwirklichen«, sagte Boaz Levy dann auch weiter. Langfristig gesehen könnte die Zusammenarbeit auf militärischem Gebiet zwischen beiden Ländern an Bedeutung gewinnen oder sich sogar zu einem Gamechanger entwickeln.
»Derzeit werden indisch-israelische Projekte dieser Art als Ergänzung zu den Lieferungen von Munition und anderen größeren Rüstungsgütern aus den Vereinigten Staaten betrachtet«, lautet dazu die Einschätzung von Sameer Patil, eines Sicherheitsexperten aus Mumbai, im »Tablet Magazine«. »Sobald aber Indien entsprechende Kapazitäten selbst aufgebaut hat und die Nachfrage im eigenen Land bedienen kann, lassen sich in Zukunft auch die amerikanischen Lieferungen für eine Vielzahl von technologisch fortschrittlichen Systemen sowie für gewöhnliche Munition ersetzen.«
Langfristig könnte die Zusammenarbeit zu einem Gamechanger werden.
Dabei geht es nicht nur um eine größere Unabhängigkeit Israels von Washington für den Fall, dass Waffenlieferungen wieder einmal als Druckmittel gegen die Regierung in Jerusalem benutzt werden. Vielmehr bringen solche engen Verbindungen weitere Vorteile für alle Beteiligten. »Im weiteren Sinne können die robusten indisch-israelischen Militärbeziehungen ebenfalls für die USA von Vorteil sein, da Indien sich als Bollwerk gegen den chinesischen Expansionsdrang versteht«, glaubt Patil.