Dürfen sich Abgeordnete der Knesset mit den Familien von palästinensischen Attentätern treffen? Der Ethikausschuss des israelischen Parlaments gab darauf am Montag eine klare Antwort und suspendierte die drei arabischen Abgeordneten der Vereinigten Arabischen Liste, die in der Woche zuvor genau das getan hatten.
Hanin Zoabi und Basel Ghattas werden vier, Jamal Zahalka zwei Monate lang nicht mehr an Plenums- und Ausschussdiskussionen teilnehmen dürfen. Sie können aber weiterhin abstimmen. Für Hanin Zoabi ist es nicht das erste Mal: Vor zwei Jahren wurde sie für ihre Aussage, die Entführer der drei Jugendlichen im Sommer 2014 im Westjordanland seien keine Terroristen, von der Knesset suspendiert.
attentäter Das Treffen mit den Familien der Attentäter wurde von zahlreichen Politikern, auch aus der Opposition, kritisiert. »Ich glaube, dass die meisten Bürger Israels sich durch diese Abgeordneten nicht repräsentiert fühlen. Wir geben uns große Mühe und investieren viel, um die arabischen Bürger in die israelische Gesellschaft zu integrieren. Und sie tun genau das Gegenteil. Sie bauen Mauern des Hasses«, sagte Premierminister Benjamin Netanjahu zu Beginn der wöchentlichen Kabinettssitzung. »Ich versuche mir vorzustellen, was passieren würde, wenn Mitglieder des britischen Parlaments oder des US-Kongresses in stiller Andacht für die Mörder von britischen oder amerikanischen Bürgern verharren würden – ich denke, es gäbe einen großen Aufschrei, und zwar zu Recht.«
Auf Netanjahus Bitte hin hat Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit die Polizei mit der Untersuchung des Besuches beauftragt, um zu evaluieren, ob rechtliche Schritte gegen die drei arabischen Abgeordneten möglich sind. Den Regierungsparteien gehen die bisherigen Maßnahmen nicht weit genug. Sie haben einem neuen Gesetzentwurf für die Suspendierung von Knessetabgeordneten zugestimmt.
plenum Demnach sollen zukünftig Abgeordnete durch eine Abstimmung im Plenum mit einer Mehrheit von 90 Stimmen für einen jeweils zu definierenden Zeitraum suspendiert werden können. Die Basis für eine Suspendierung soll einem Bericht der Zeitung Haaretz zufolge dann gegeben sein, wenn ein Abgeordneter die Existenz Israels als jüdischer und demokratischer Staat infrage stellt, zum Rassismus anstiftet oder den bewaffneten Aufstand von Terrororganisationen oder feindlichen Staaten unterstützt.
Zunächst sah der Gesetzentwurf vor, dass Abgeordnete nur aufgrund von »unziemlichem Verhalten« suspendiert werden können. Dieser Vorschlag empörte Politiker des linken wie des rechten Spektrums. Oppositionsführer Isaac Herzog vom Zionistischen Lager sagte Medienberichten zufolge, man begebe sich damit aufs Glatteis; das Parlament verfüge bereits über die nötigen Maßnahmen, um die drei arabischen Abgeordneten zu maßregeln.
ethikausschuss Bislang ist es Aufgabe des Ethikausschusses, Sanktionen zu verhängen. Er kann Knessetmitglieder unter anderem für maximal sechs Monate suspendieren, ihnen das Rederecht im Plenum oder in einem Ausschuss für zehn Sitzungen entziehen oder ihnen verbieten, Gesetzesentwürfe einzubringen. Die Vereinigte Arabische Liste verteidigte unterdessen das Treffen mit den Familien der Attentäter und sprach von einer »Hetzkampagne, angeführt von Netanjahu«.
Man lasse sich auch durch die Suspendierung nicht davon abhalten, gegen rassistische und faschistische Politik vorzugehen, heißt es in Zeitungsberichten. Den drei Abgeordneten wird vorgeworfen, sich nicht nur mit den Familien getroffen, sondern auch an einer Schweigeminute für die getöteten Terroristen teilgenommen zu haben; auch von »Märtyrern« soll einer von ihnen gesprochen haben.
Leichname Die drei Parlamentarier sagen dagegen, es sei bei dem Treffen mit den Familien darum gegangen, die Freigabe der Leichname der Attentäter zu unterstützen. »Die Tatsache, dass Leichname für vier Monate in einem Gefrierfach zurückgehalten werden, ist furchtbar. Nicht nur arabische Knessetabgeordnete – jeder mit einem Hauch von Bewusstsein sollte sich dagegen wehren«, soll Jamal Zahalka während einer Fraktionssitzung am Montag gesagt haben.
Laut Medienberichten hat sich Israel mittlerweile mit den Familien der Terroristen geeinigt. Die Leichname werden unter der Bedingung zurückgegeben, dass die Beerdigung nachts stattfindet, innerhalb von zwei bis drei Stunden endet und dass maximal 50 Gäste anwesend sind.
Der Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan (Likud), hat lange gegen diesen Plan gekämpft – mit der Begründung, die Beerdigungen böten einen Anreiz für weitere Terrorakte. Vonseiten der Armee hieß es hingegen, die Zurückhaltung der Leichname sorge für Unruhe.