Dicke Daunenjacken, Mützen, Schals und Kinder, die jauchzend Schlitten hinter sich herziehen – ein Bild, das kaum mit Israel in Verbindung gebracht wird. Doch dieser Tage ist es in vielen Teilen des Landes Realität. Der Winter ist im Nahen Osten eingekehrt – mit all seinen Freuden und Widrigkeiten.
In der vergangenen Woche hatte es in Jerusalem, Obergaliläa und im Golan heftig geschneit. Als die Jerusalemer am Donnerstagmorgen aufwachten und aus dem Fenster schauten, sahen sie ihre Stadt in anderen Farben: Die Goldene war über Nacht weiß gepudert worden. Rund 20 Zentimeter Schnee blieben liegen und verzückten Groß und Klein. Sogar Präsident Isaac Herzog konnte nicht widerstehen und warf sich im Garten seiner Residenz Beit Hanassi mit seiner Gattin Michal Schneebälle um die Ohren.
Schlitten Etwa alle zwei bis drei Jahre schneit es in Jerusalem, allerdings bleibt in den wenigsten Fällen der Schnee auch liegen. Dieses Mal aber schon. Überall in der Stadt jauchzten die Bewohner ob der seltenen Pracht, holten ihre Schlitten hervor, rodelten Hügel hinunter und bauten überall Schneemänner.
Etwa alle zwei bis drei Jahre schneit es in Jerusalem, allerdings bleibt in den wenigsten Fällen der Schnee auch liegen.
Miriam Schechter lebt in Jerusalem und ist begeistert: »Mit dieser Pracht aufzuwachen, ist wundervoll. Die Stadt wirkt wie verzaubert. Meine Kinder sind seit dem frühen Morgen draußen und toben wie wild herum. Sie haben bestimmt schon zehn Schneemänner gebaut.«
Städtische Angestellte hatten die Nacht mit 250 Schneepflügen durchgearbeitet und fast 150 Tonnen Salz auf die Straßen gestreut. Schulen und Kindergärten blieben am Donnerstag aber geschlossen, damit die Kinder der Stadt den Schnee genießen konnten.
strassenbahn Am Morgen blieben trotzdem mehrere Hauptverkehrsadern, die in die Stadt führen, gesperrt. Auch der öffentliche Nahverkehr mit Ausnahme der Straßenbahn wurde vorübergehend eingestellt. Die Zugverbindung Jerusalem-Tel Aviv allerdings blieb in Betrieb, sehr zur Erleichterung der Pendler, die es sonst nicht zur Arbeit in die Stadt geschafft hätten.
Doch der Wintereinbruch löst nicht nur Freude aus. Im Jahr 2013 hatte ein außergewöhnlich starker Schneesturm in mehreren Stadtteilen für Stromausfälle gesorgt, nachdem er die Stadt mit mehr als 30 Zentimeter Schnee bedeckt hatte. Tausende Bewohner waren tagelang von der Außenwelt abgeschnitten und saßen im Dunkeln und Kalten.
In den Küstengebieten und im Süden sind die Häuser meist kalt und klamm.
Stromausfälle während der kalten Jahreszeit geschehen alle Jahre wieder. Dieser Tage verzeichnete der israelische Stromversorger IEC einen Allzeitrekord beim Stromverbrauch im Winter. An einem besonders kalten Tag wurde ein Verbrauchsrekord von etwa 14.300 Megawatt erreicht, da die Israelis die Elektroheizer aufdrehen und die Klimaanlagen auf Wärme stellen, um nicht zu frieren.
Denn Zentralheizungen gibt es lediglich in den Höhenlagen im Norden und in Jerusalem. Das System des Stromnetzwerks sei veraltet und müsste dringend angepasst werden, um sich den neuen Herausforderungen zu stellen, kritisieren Experten bereits seit Jahren. »Der Winter kommt ja schließlich regelmäßig.«
schweden In den Küstengebieten und im Süden sind die Häuser meist kalt und klamm. »Ganz schlimm«, findet Maayan Levi aus Raanana die Winterzeit in ihrer Heimat. Nach einigen Jahren in Europa weiß sie die Vorteile einer zentralen Heizung zu schätzen. »Ich habe in Schweden gelebt, da gab es in jedem Raum Fußbodenheizung. Ein Traum. Dort habe ich nie so gefroren wie hier, obwohl es im Winter immer in die Minusgrade ging.«
Auch nasse Wände gebe es in Israel überall. »Die Wohnungen sind einfach nicht auf die kalte Jahreszeit ausgerichtet. Kaum etwas ist richtig isoliert.«
Levi versucht, die eigenen vier Wände – so gut es geht – mit elektrischen Radiatoren zu wärmen. »Doch die ziehen Unmengen von Strom, das wird richtig teuer.« An besonders kalten Abenden setzt sie sich mit Daunenjacke und Wärmedecke vor den Fernseher. »Manchmal setze ich mir sogar eine Mütze auf. Lustig ist das vielleicht, aber gemütlich wahrlich nicht.«
stromrechnung Das als Elpis bezeichnete Unwettersystem hatte die ungewöhnlich kalten Temperaturen aus Griechenland und der Türkei mitgebracht. In Jerusalem lagen sie teils um den Gefrierpunkt, in Tel Aviv und Küstengebieten bei fünf Grad Celsius.
Vor allem arme und ältere Israelis leiden in den Wintermonaten unter der Kälte. Zwar gibt es seit Beginn der Pandemie einen sogenannten Notfallknopf, der Strom liefern soll, auch wenn die Elektrizitätsrechnung nicht bezahlt wurde, doch viele trauen sich nicht, die Heizgeräte einzuschalten. Auch wegen der potenziellen Gefahr – immer wieder gibt es durch defekte oder unsachgemäß benutzte Heizgeräte Hausbrände mit Verletzten und Toten, wie vor wenigen Tagen in Jerusalem.
Die Ski-Hotels auf dem Golan sind fast komplett ausgebucht.
Gemütlichkeit wie in europäischen Skigebieten können die Israelis aber auch erleben, Zentralheizungen und knisternde Kamine inklusive. Die Hotels des Skidorfes Neve Ativ in den Golanhöhen sind dieser Tage fast komplett ausgebucht, denn der Hermon, Israels einziges Skigebiet, lockt mit »Ski und Rodel gut«. Auf bis zu 2040 Meter Höhe gibt es fünf Sessellifte, eine Seilbahn und 45 Kilometer Pisten.
In den oberen Lagen liegen derzeit zwei Meter Neuschnee. »Ich freue mich, sagen zu können, dass der Elpis-Sturm hier hart gearbeitet hat«, sagt Miki Inbar, Sprecherin des Hermon Ski Resorts. »Wir hatten großartige stürmische Tage. Der Schnee hörte nicht auf zu fallen. Jetzt können die Gäste kommen.«