Hitzewelle

Dörrobst fürs Fest

Rund 40 Prozent der Ernte des Red Delicous sind zerstört, auch der Granny Smith hat zu viel Sonne abbekommen. Foto: imago

Knackig und süß sollen sie sein, damit das nächste Jahr ein gutes wird. Wenn dieser Tage zu Rosch Haschana »Schana Towa u’Metuka« durch alle Häuser der Juden in Israel und der Welt klingt, werden wieder unzählige Apfelspalten in Honig getaucht. Besonders gern verschwinden sie in den Mündern von kleinen Leckermäulern mit klebrigen Fingern. Diesen Elul jedoch war es nicht selbstverständlich, dass die Ernte den Bedarf an Äpfeln, auf Hebräisch Tapuchim, decken würde. Die außergewöhnliche Hitze, die Israel einen Monat lang zum Schwitzen und Stöhnen brachte, vernichtete einen großen Teil der Früchte, die noch an den Bäumen hingen.

»Besonders betroffen ist der rote Delicious«, weiß Gabi Coneal, Leiter der landwirtschaftlichen Abteilung des Kibbuz Merom Golan, »der traditionell für Rosch Haschana benutzt wird«. Die Plantagen hätten zu der Zeit, als die Hitzewelle anrollte, noch vollgesessen und waren ungeschützt der prallen Sonne ausgesetzt. An 19 Tagen im August herrschten in den Golanhöhen für viele Stunden am Tag über 36 Grad Celsius. »Das ist gänzlich ungewöhnlich für unsere Region und viel zu heiß für das Obst. Bei diesen Temperaturen wurden die Äpfel regelrecht an den Zweigen gebacken. Wir haben uns das ganze Jahr um die Pflanzen gekümmert und dann so etwas – es bricht einem wirklich das Herz.«

Um die 40 Prozent der Ernte des Red Delicious seien zerstört oder zumindest stark beschädigt worden. Auch die grünen Sorten wie der Golden Delicious und der Granny Smith hätten zu viel Sonne abbekommen und Schaden genommen. »Doch hier ist es nicht ganz so schlimm«, so Coneal, »weil die Früchte schon reifer waren, als die Hitze kam, so dass wir noch schnell abernten konnten«. In der vergangenen Woche war Landwirtschaftsminister Schalom Simhon vor Ort, um sich das Ausmaß der Zerstörung anzusehen. »Er war geschockt«, berichtet Coneal, »wie viel tatsächlich kaputt ist«. Nach den Feiertagen werden die Verhandlungen über Kompensationen für die Anbauer beginnen.

Klima Jetzt ist es auch amtlich, dass das Ende des Jahres 5770 heiß war. So heiß wie noch nie, bestätigten Meteorologen in der vergangenen Woche. Seit Beginn der Wetteraufzeichnung in Israel gab es keinen August mit höheren Temperaturen. Dieser achte Monat sei sogar wesentlich wärmer als die gleichen in den Jahren 1981 bis 2000 gewesen, verkündeten die Wetterkundler. An vielen Abenden lagen die Temperaturen drei bis vier Grad über den für diese Zeit gewöhnlichen. Während des Tages stieg das Quecksilber in der Küstenregion um 1,5 bis zwei Grad höher, in den Bergen sogar durchschnittlich 2,5 bis vier Grad Celsius. Der August 2010 war damit ein Monat der Rekorde: Auf dem Berg Canaan in der Nähe der nördlichen Stadt Safed wurden 40,6 Grad gemessen, die höchste Temperatur seit 1939. In Jerusalem stieg das Thermometer bis auf 41 Grad, und der nördliche Kibbuz Kfar Blum, sonst bekannt für seine kühlen Kajaktouren auf dem Jordanfluss, verzeichnete schier unerträgliche 45,4 Grad im Schatten.

Überhaupt ist die gesamte Bergregion im Norden, vor allem die Golanhöhen, von kühlerem Wetter geprägt. »Bei uns ist es generell im Winter kalt und im Sommer angenehm kühl, so wie es Äpfel lieben«, erklärt Coneal. Israel liegt am Rande des Apfelanbaugebietes. Höhere Temperaturen als in dem kleinen Nahoststaat normalerweile herrschen, können die Pflanzen nicht mehr ertragen, sagt der Experte. »Doch dieses Jahr war ja alles anders.«

Wachstum Nicht nur für Äpfel zu heiß, sondern generell für Obst und Gemüse. Anbauer berichteten, dass die Temperaturen in ihren Gewächshäusern auf 70 Grad und mehr anstiegen. Eine Zahl, die eher geröstetes als frisches Gemüse produziert. Besonders bitter, dass oft auch die Staubgefäße der Blüten verbrannten. So können die Pflanzen nicht befruchtet werden und tragen auch nach der großen Hitze keine Früchte mehr, etwa Tomaten. Insgesamt sollen die Verluste viele Millionen Euro betragen, gab die Vereinigung israelischer Obst- und Gemüseanbauer bereits bekannt. Besonder schlecht sieht es in den Gewächshäusern für Gurken, Tomaten und Kräuter aus, auf den Feldern litten die Honig- und in Israel im Sommer so beliebten Wassermelonen. Dass irgendeine Sorte gänzlich vom Markt verschwindet, wird indes nicht angenommen. »Doch während des großen Bedarfs zu den Feiertagen kann es bei der ein oder anderen Obst- wie Gemüsesorte knapp werden. Und ganz sicher werden die Preise wieder steigen, keine Frage«, gab die Vereinigung bereits bekannt.

Davon geht auch Coneal bei seinen Äpfeln aus. Dasselbe gilt übrigens für die Granatäpfel, die dicken, knallroten Rimonim, wie sie auf Hebräisch genannt werden. Auch ihnen wird an Rosch Haschana eine besondere Bedeutung zugemessen, sie dürfen auf keiner Festtafel fehlen: Die vielen säuerlich-herben Kerne im Innern symbolisieren die Mizwot – der perfekte Rimon soll 613 Kerne enthalten – so viel wie es Mizwot gibt. Außerdem stehen sie für Fruchtbarkeit, die man sich im Judentum gern für das Neue Jahr wünscht. Auch die Ernte der Granatäpfel habe stark gelitten, ein Engpass sei nicht ausgeschlossen. Alle Anbauer hoffen, dass die extreme Hitze nicht zurückkehrt und auf mildere Temperaturen für Tischrei, den ersten Monat des neuen Jahres 5771.

Feiertage Dass trotz des großen Schadens dennoch genug Früchte für Rosch Haschana und Sukkot zu haben sein werden, verdanken die Israelis der Tatsache, dass 99 Prozent der Äpfel für den lokalen Markt angebaut werden. Coneal weiß das: »Wir produzieren jährlich etwa 120.000 bis 130.000 Tonnen, und fast alles bleibt im Land. Zitrusfrüchte, Avocado, Mango und anderes gehen in den Export, nicht aber die Äpfel.« Warum? »Es hat nichts mit der Qualität zu tun, unsere Äpfel sind topp. Aber die anderen Länder, Europa und die USA etwa, haben selbst genug davon. Unsere Arbeitskräfte sowie Wasser sind hier zu teuer, es würde sich schlicht nicht lohnen.« Importiert werden pro Jahr etwa 8.000 bis 10.000 Tonnen, vornehmlich aus den USA, ein kleiner Teil kommt aus Italien. »Doch die sind kein Ersatz«, so der Obstexperte aus dem Kibbuz, »Äpfel für Rosch Haschana müssen aus Eretz Israel stammen, das ist doch klar«.

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