Israel/Gaza

Diskussion um IDF-Offensive in Rafah dauert an

Diese Satellitenaufnahme zeigt Zelte für aus ihren Wohnungen geflohene Bewohner des Gazastreifens. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Ägypten versucht weiterhin, die Sicherheit entlang seiner Grenze zum Gazastreifen mit Soldaten, Zäunen und gepanzerten Fahrzeugen zu erhöhen, um zu verhindern, dass es zu einem Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die Halbinsel Sinai kommt. Auch sie leiden unter dem von ihrer eigenen Führung – der Terrororganisation Hamas – begonnenen Krieg.

Ägypten hat laut dem »Wall Street Journal« angeblich sogar gedroht, seinen Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, sollte es dazu kommen. Wie die US-Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf ägyptische Beamte und Sicherheitsanalysten berichtete, baut Ägypten jetzt in der Wüste nahe der Grenze auf einer Fläche von 20 Quadratkilometern ein Auffanglager, in dem mehr als 100.000 Menschen untergebracht werden könnten. Das geplante Lager sei weit von ägyptischen Siedlungen entfernt gelegen, hieß es.

Sollte sich Israel zu der Offensive entschließen, würde das israelische Militär versuchen, die Zivilbevölkerung von Rafah nach Norden – aus der Kampfzone heraus, aber innerhalb des Gazastreifens – zu verlagern, zitierte die Zeitung einen ranghohen Vertreter des israelischen Militärs. Netanjahu hatte dem Militär kürzlich den Befehl erteilt, Pläne für eine Offensive auf Rafah sowie für die Evakuierung der dortigen Zivilisten vorzulegen.

Zerschlagung der Hamas

Israel geht es darum, die letzten Kampfeinheiten der Hamas zu zerschlagen – zur Sicherheit seiner Bevölkerung. Eine weitere Motivation für das geplante Vorgehen in Rafah ist die Befreiung weiterer Geiseln.

In Rafah halten sich nach UN-Angaben derzeit rund 1,3 Millionen Menschen auf. Die meisten flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs. Inzwischen ist die Stadt die letzte Hamas-Hochburg.

Israels Armee begann am Donnerstag einen Einsatz in einer Klinik in Chan Junis, das wie Rafah im Süden Gazas liegt. Soldaten drangen in das Nasser-Krankenhaus ein, um Leichen von Geiseln zu bergen, teilte das Militär mit. Es seien Dutzende Tatverdächtige festgenommen worden, sagte der israelische Militärsprecher Daniel Hagari am Donnerstagabend.

Telefonat mit Biden

Einige seien am Massaker in Israel beteiligt gewesen. Aus Verhören mit den Verdächtigen sowie dank Aussagen der freigelassenen Geiseln könne die Armee bestätigen, dass aus Israel entführte Menschen auf dem Gelände der Klinik festgehalten wurden. Es lägen zudem Information vor, dass sich dort auch Leichen von Geiseln befinden.

Israels Armeesprecher Hagari betonte, das Militär sei bei allen Einsätzen in Krankenhäusern im Gazastreifen im Einklang mit dem Völkerrecht vorgegangen und werde dies auch weiterhin tun. »Wir haben nicht die Absicht, den Betrieb des Krankenhauses zu stören«, sagte er in einer Reaktion auf die Kritik aus dem Ausland.

Israels Ministerpräsident Netanjahu bekräftigte unterdessen nach einem Telefonat mit US-Präsident Biden seine Ablehnung einer Zweistaatenlösung. »Israel lehnt das internationale Diktat hinsichtlich einer dauerhaften Regelung mit den Palästinensern kategorisch ab«, schrieb Netanjahu in der Nacht zum Freitag auf X.

Verhandlungen ohne Vorbedingungen

Eine solche Regelung könne nur durch direkte Verhandlungen zwischen den Parteien und ohne Vorbedingungen erreicht werden. Israel werde sich auch gegen die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates wehren. Dies würde den Terrorismus »belohnen und jede künftige Friedensregelung verhindern«, schrieb er.

Israel hat laut der israelischen Zeitung »Maariv« die Sorge, die USA könnten im Rahmen der Bemühungen um eine Zweistaatenlösung einen palästinensischen Staat auch ohne Zustimmung Israels anerkennen. Mit einer Zweistaatenlösung ist ein unabhängiger palästinensischer Staat gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existiert.

Auch die islamistische Palästinenserorganisation Hamas, die 2007 ein Jahr nach ihrem Wahlsieg gewaltsam die alleinige Macht im Gazastreifen an sich gerissen hatte, lehnt das ab. In den vergangenen Jahrzehnten hatten die Palästinenserführer Arafat und Abbas Friedenspläne abgelehnt, die eine Zweistaatenlösung ermöglicht hätten.

Sunak gegen Militäroffensive

Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak schloss sich unterdessen den internationalen Warnungen vor den Folgen eines Militäreinsatzes in Rafah an. Sunak habe am Donnerstag mit Netanjahu telefoniert, teilte die Regierung in London mit. Sunak habe dabei erklärt, dass Großbritannien zutiefst besorgt sei wegen des Verlustes von Menschenleben in Gaza und der »potenziell verheerenden humanitären Folgen einer militärischen Intervention in Rafah«.

Es habe Priorität, eine humanitäre Pause zu verhandeln, um die Freilassung der Geiseln und deutlich mehr Hilfslieferungen nach Gaza zu ermöglichen. Sunak forderte Israel zudem auf, den Grenzübergang Kerem Schalom vollständig zu öffnen.

Israel hat indessen die Vereinten Nationen aufgefordert, die Verteilung von Hilfsgütern für die Menschen im Gazastreifen zu verbessern. Seit Tagen würden Hunderte Lastwagen-Ladungen mit humanitären Hilfsgütern am Grenzübergang Kerem Schalom nicht abgeholt, schrieb die für Kontakte mit den Palästinensern und humanitäre Hilfe zuständige israelische Cogat-Behörde am Donnerstag auf der Plattform X (vormals Twitter).

500 Lkws pro Tag

Hilfsorganisationen werfen Israel vor, die Verteilung von Hilfsgütern zu blockieren. Die Cogat-Behörde dementiert das. Israel kontrolliere mehr Lastwagen, als letztlich von den Vereinten Nationen abgefertigt und weitergeleitet würden. Bundesaußenministerin Baerbock sprach sich am Donnerstag in Israel für deutlich mehr Hilfslieferungen aus – konkret 500 Lastwagen am Tag.

So viele Lkws mit humanitären Gütern fuhren vor Kriegsbeginn täglich durch Israel in das abgeriegelte Küstengebiet – bis die Hamas auch die Grenzübergänge angriff und damit die Versorgung ihrer eigenen Bevölkerung mit voller Absicht gefährdete. Trotz allem wird Israel für die Versorgungslage verantwortlich gemacht.

Während die Kämpfe im Gazastreifen weitergehen, dauern die Bemühungen um eine Feuerpause und Freilassung der Geiseln an. Bisher gab es jedoch keinen Durchbruch. dpa/ja

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