Es bewegt sich etwas im Nahen Osten. Nach den Vereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Golfnationen Bahrain sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten redet Jerusalem nun auch mit seinem Nachbarn im Norden – dem Libanon. Zum ersten Mal seit drei Jahrzehnten haben direkte Gespräche stattgefunden.
KRIEGSZUSTAND Offiziell befinden sich die beiden Länder nach wie vor im Kriegszustand. Das Thema, um das es geht, ist eine maritime Grenze, die zwischen Jerusalem und Beirut umstritten ist. Der Disput soll gelöst werden, damit die Bohrungen beider Länder nach Erdgas im Mittelmeer weitergehen können.
Während die Regierung in Jerusalem die Bedeutung herunterspielt, weil es sich lediglich um eine »kleine Auseinandersetzung« handele, sprechen einige Nahostexperten dennoch von einem »historischen Ereignis«.
Wir müssen realistisch sein. Es geht hier um einen Versuch, ein technisches und wirtschaftliches Problem zu lösen.
Energie- und Wasserminister Yuval Steinitz
Auch Delegationsleiter, Energie- und Wasserminister Yuval Steinitz, gibt sich verhalten. »Wir müssen realistisch sein«, machte er klar, »denn es geht hier nicht um Friedensgespräche oder Normalisierung, sondern um einen Versuch, ein technisches und wirtschaftliches Problem zu lösen, das uns hindert, die natürlichen Ressourcen im Meer für unsere Völker zu nutzen«. Steinitz meint gleichwohl, dass der Streit vielleicht bereits nach einigen Wochen oder Monaten beigelegt sein könnte.
TREFFEN Die Verhandlungen hatten am Mittwoch begonnen und werden auf israelischer Seite von Steinitz angeführt. Das erste Treffen endete nach rund eineinhalb Stunden, ein zweiter Termin ist für den 28. Oktober angesetzt.
Der libanesische Chef der Delegation, Waseem Yassin, äußerte sich optimistisch nach dem ersten Treffen. Man erwarte keine sofortigen Ergebnisse, aber wohl in geraumer Zeit. »Es ist der erste Schritt in einem Tausend-Meilen-Marsch.«
Auch der Präsident des Libanons, Michel Aoun, dämpfte Hoffnungen, dass die Unterredungen zu mehr führen könnten. Die offizielle libanesische Nachrichtenagentur schrieb, Aoun hätte betont, es gehe bei den Verhandlungen um »technische und spezielle Grenzangelegenheiten«. Und dabei solle es auch bleiben.
Es ist der erste Schritt in einem Tausend-Meilen-Marsch.
Delegationsleiter Libanon, Waseem Yassin
Vermittelt wurden die Gespräche von den USA und den Vereinten Nationen. Israel hatte sich 1999 aus dem Südlibanon zurückgezogen, die UN ist seitdem dort stationiert. Landesgrenzen werden vorerst allerdings nicht auf der Tagesordnung stehen. Die USA schickten den stellvertretenden Sekretär für Nahost-Angelegenheiten, David Schenker, der Libanon ein Team aus Armeevertretern.
SÜDLIBANON Die Treffen finden im Südlibanon nahe der Grenze zu Israel in einer Kaserne der Vereinten Nationen statt. »Die USA heißen die Gespräche zwischen den beiden Nahost-Nachbarn willkommen«, sagte der amerikanische Außenminister Mike Pompeo. »Es ist ein bedeutender Schritt für die Interessen beider Länder, die Region und die USA.«
Obwohl die Parteien zusammen in einem Raum sitzen, um zu verhandeln, habe das libanesische Team verschiedenen Medienberichten zufolge nicht vor, die Israelis direkt anzusprechen. Sie wollen stattdessen durch Vertreter der UN mit ihren Nachbarn zu reden.