Angesichts einer drohenden Neuwahl hat Regierungschef Benjamin Netanjahu am Sonntag erklärt, er nehme einen Kompromissvorschlag in Israels Etatstreit an. Sollte ein Stichtag für eine Einigung bis Montagabend um Mitternacht (Ortszeit) nicht verschoben werden, käme es zur vierten Neuwahl binnen eineinhalb Jahren. Dies würde die Lage in dem Land, das von hohen Corona-Infektionszahlen sowie einer schweren Wirtschaftskrise betroffen ist, weiter verschlechtern.
PRESSEKONFERENZ »Dies ist eine Zeit für Einheit, nicht für Wahlen«, sagte Netanjahu während einer überraschend angesetzten Pressekonferenz. Der Vorsitzende der rechtskonservativen Likud-Partei rief seinen Koalitionspartner, das Mitte-Bündnis Blau-Weiß, dazu auf, »für gemeinsame Ziele zu arbeiten«. Nach dem historischen Abkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten strebe man Vereinbarungen mit weiteren Staaten in der Region an, sagte Netanjahu.
Das Parlament löst sich nach israelischem Gesetz im Falle einer Nicht-Billigung des Haushalts automatisch auf. Ein entsprechender Zeitrahmen endet am Montagabend. Der Kompromissvorschlag des Abgeordneten Zvi Hauser sieht eine Verschiebung des Stichtags bis Dezember vor. Die Initiative muss aber am Montag noch im Parlament gebilligt werden.
In der erst seit Mai bestehenden Koalition kommt es immer wieder zu großen Spannungen. Zuletzt mehrten sich Spekulationen über eine Neuwahl. Die jüngste Krise entzündete sich an einem Konflikt darüber, ob die Regierung einen Haushalt nur für das laufende Jahr oder auch für 2021 verabschieden sollte.
KOALITIONSABKOMMEN Im Koalitionsabkommen war zwar eindeutig festgelegt worden, dass die Regierung einen Haushalt für 2020 und 2021 verabschieden wird. Zuletzt hatte Netanjahu diese Zusage jedoch zurückgezogen. Er erklärte dies mit der Corona-Krise.
Kritiker gingen jedoch davon aus, dass er mit dem Schritt verhindern wollte, dass Verteidigungsminister Benny Gantz vom Mitte-Bündnis Blau-Weiß im Herbst kommenden Jahres vereinbarungsgemäß das Amt des Ministerpräsidenten übernimmt. dpa