Am 30. Oktober 1991 versammelten sich erstmals Delegationen aus Israel, Ägypten, Syrien und Libanon sowie eine gemeinsame jordanisch-palästinensische Delegation in der spanischen Hauptstadt Madrid zu einer dreitägigen Nahost-Friedenskonferenz. Den Vorsitz übernahmen US-Präsident George H. W. Bush und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow in der spanischen Hauptstadt Madrid.
AUFTAKT Bereits im März 1991 hatte Bush öffentlich gesagt, es sei nun die »Zeit gekommen, dem israelisch-arabischen Konflikt ein Ende zu setzen.« In der Einladung zu dem Treffen hieß es dann: »Nach ausführlichen Konsultationen mit den arabischen Staaten, Israel und den Palästinensern glauben die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion, dass eine historische Chance besteht, die Aussichten auf echten Frieden in der gesamten Region voranzutreiben«. Das erklärte Ziel: ein Friedensabkommen durch Verhandlungen, bilateral und multilateral, die sich unmittelbar an die Konferenz anschließen sollten.
Israels Begeisterung für die internationale Konferenz hielt sich in Grenzen. So wurden die Palästinenser nur im Rahmen einer jordanischen Delegation akzeptiert, und nur solche Vertreter, die keine offene Verbindungen zur »Palästinensischen Befreiungsorganisation« (PLO) pflegten.
Begleitet wurden die Tage von Protesten radikaler Muslime im Westjordanland und im Libanon, von Zusammenstößen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee und israelischen Militärschlägen im Südlibanon. Aber sie gingen auch einher mit Hoffnung auf eine friedliche Lösung, wie sie in Bildern von Palästinensern zum Ausdruck kam, die mit Ölbaumzweigen in den Händen auf die Straßen gingen.
EMOTIONEN Ermöglicht wurde die Initiative nach Einschätzung von Nahostexperten durch den vorangegangenen Golfkrieg, der es möglich erscheinen ließ, unter amerikanischer Führung eine neue friedliche Ordnung für Nahost zu schaffen. Emotional und denkwürdig sei Madrid für alle Beteiligten gewesen; kein Auge sei etwa trocken geblieben, als Syrer und Israelis sich die Hände schüttelten, erinnerte sich der amerikanische Diplomat Kenton Keith in einem Interview von 1998. Keith war von US-Außenminister James Baker zum Assistenten für die Konferenz ernannt worden. Dieser »Beginn eines Prozesses« sei die »wahre Leistung von Madrid«.
Rückblickend wird in Israel das Ereignis als ähnlich historisch bewertet wie in den USA. Dem in Madrid angestoßenen Friedensprozess wird zugeschrieben, dass das Land seine diplomatischen Beziehungen mit vielen Staaten und seinen Status in internationalen Organisationen deutlich verbessern konnte.
BEWERTUNG Einen weniger euphorischen Blick auf die Lage hatten journalistische Beobachter in Deutschland. »Die historische Konferenz von Madrid offenbarte nur eines: Araber wie Israelis stehen sich weiter unversöhnlich und voller Hass gegenüber«, urteilte der »Spiegel« am 4. November 1991. Das prunkvolle Ambiente im königlichen Palast in Madrid habe ebenso wenig wie die geschliffenen Reden über die frostige Atmosphäre hinwegtäuschen können.
Auch in der »Tagesschau« gab man sich skeptisch. Optimismus sei verfrüht, scharfe Rededuelle und gegenseitige Vorwürfe seien eher Zeichen fehlender Kompromissbereitschaft auf allen Seiten. Die schlimmste Befürchtung, ein verfrühter Abbruch der Konferenz, blieb aus. Aber mit dem bleibenden Eindruck des Gruppenbildes zum Abschluss der drei Tage blieb auch die Ungewissheit, wie es weitergehen solle.
HANDSCHLAG De facto folgten bis Juli 1993 etliche weitere Verhandlungsrunden in Washington. Echte Fortschritte blieben jedoch aus. Den vorläufigen Durchbruch erzielten unterdessen parallele, zunächst geheime Verhandlungen, für die die norwegische Regierung einen geschützten Rahmen geschaffen hatte. Sie waren es, die 1993 zum ikonischen Bild der Friedensprozesse führten: der Handschlag von Jitzhak Rabin und Jassir Arafat wenige Momente, nachdem sie in Washington ihre Unterschrift unter das erste Oslo-Abkommen gesetzt hatten.
Fünf Jahre sah Oslo als Zeitplan bis zur Verwirklichung zweier souveräner Staaten Israel und Palästina. Stattdessen wurde aus dem Ausgangspunkt ein zementierter Status Quo. Die amerikanischen Vermittler haben sich spätestens seit der Anerkennung des Golan und dem Umzug der Botschaft nach Jerusalem in der Ära Trump in den Augen der Palästinenser selbst diskreditiert. Ob die Madrider Konferenz ein Ereignis weltgeschichtlicher Dimension ist, dürfte zweitrangig sein: Der von ihr angestoßene Friedensprozess ist längst Geschichte. kna