Schockwellen gingen am Samstag durch das Land: Zum ersten Mal sind Israel und der Iran in eine direkte Konfrontation auf syrischem Territorium verwickelt worden. Und zum ersten Mal seit 1982 ist ein israelischer Jet abgeschossen worden.
Am vergangenen Samstag war eine Drohne in den israelischen Luftraum eingedrungen, nach Angaben der Sicherheitskräfte handelte es sich dabei um ein unbemanntes Flugobjekt aus dem Iran. Anschließend kam es zu Kämpfen der Luftwaffe Israels (IAF) in Syrien, während derer die F-16 getroffen wurde.
Seit 2006 hatten es bereits einige iranische Drohnen in den israelischen Luftraum geschafft, und jedes Mal wurden sie entweder von den Iran-Verbündeten Hisbollah oder der Hamas gesendet. Diesmal jedoch, so vermuten die Sicherheitskräfte, wurde Teheran selbst durch in Syrien stationierte iranische Offiziere tätig.
Souveränität »Ich habe seit einer Weile vor den Gefahren der militärischen Einmischungen des Iran in Syrien gewarnt«, hob der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach dem Vorfall hervor. Das Regime in Teheran wolle das syrische Territorium benutzen, um sein erklärtes Ziel, Israel zu zerstören, durchzusetzen. »Der Iran hat Israels Souveränität auf schamlose Weise verletzt. Der Vorfall zeigt, dass unsere Warnungen zu 100 Prozent zutreffend waren. Israel macht den Iran und Syrien für die Aggression verantwortlich. Wir werden alles Nötige tun, um unsere Sicherheit und Souveränität zu schützen.«
Man ist auf jede Entwicklung vorbereitet, heißt es bei der Armee.
Nachdem ihre Maschine auf dem Rückweg nach Israel von Flugzeugabwehrraketen getroffen worden war, konnten sich die beiden israelischen Piloten des Kampfjets mit dem Schleudersitz retten. Sie landeten auf israelischem Boden in Galiläa. Während der Kopilot leichte Verletzungen erlitt, wurde der Pilot schwer verwundet und wird noch immer im Rambam-Krankenhaus in Haifa behandelt. Nach Angaben der Ärzte habe sich sein Zustand jedoch verbessert, er befinde sich außer Lebensgefahr und werde wohl vollständig genesen.
Die Piloten erzählten im Anschluss von dem Moment, als die Maschine getroffen wurde: »Es ist ein sehr unangenehmes Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Und es bleibt so gut wie keine Zeit, nur wenige Sekunden. Der Ausstieg erfolgt mehr oder weniger sofort.«
Doch beide zeigten sich erleichtert, denn es hätte schlimmer ausgehen können: »Die Explosion der Rakete neben unserem Jet hätte uns töten können«, berichteten sie übereinstimmend. Schrapnelle des Sprengkopfes hatten das Flugzeug getroffen, das wenig später als Flammenball zu Boden ging. Während die Ergebnisse der militärischen Untersuchung noch nicht veröffentlicht sind, gab es eine erste Stellungnahme der IDF. Der Chef der Luftwaffe, Amikam Norkin, bestätigte, dass der Pilot im Moment des Ausstiegs richtig gehandelt habe.
Präsident Reuven Rivlin, der die Verletzten im Krankenhaus besuchte, sagte: »Wir schulden unserem Verteidigungsapparat besonders in dieser Zeit großen Dank dafür, dass alle Luftwaffen-Teams ihrer Pflicht ohne zu zögern nachkommen. Jeder, der uns schaden will, muss wissen, dass wir es nicht zulassen werden, dass das Leben unserer Bürger in Gefahr gerät. Wir werden nicht zusehen, wenn jemand dies versuchen sollte.«
In Bezug auf den Iran machte Rivlin deutlich, dass der Premier mit seinen Warnungen recht gehabt habe. »Die ganze Welt weiß es, die Supermächte und alle Länder, dass wir die Einmischung des Iran an unseren Grenzen nicht erlauben können.«
Angriff Nach dem Abschuss der Drohne durch einen Helikopter der IAF in der Nähe der libanesischen Grenze hatte Israel mit Kampfjets Angriffe im Nachbarland geflogen, um das Kontrollfahrzeug in einer syrischen Armeebasis in der Nähe der Stadt Palmyra zu zerstören. Die Militäraktion verlief erfolgreich. Darüber hinaus gab die Armee an, zusätzlich zwölf Ziele in Syrien attackiert zu haben. Wahrscheinlich seien dabei auch iranische Soldaten getötet worden, berichten verschiedene israelische Medien. Die syrische Regierungsarmee feuerte währenddessen mehr als 20 Flugzeugabwehrraketen gegen die israelischen Jets. Eine von ihnen habe die F-16 getroffen, hieß es.
Die Armee sehe den iranischen Angriff und die syrische Reaktion als eine ernst zu nehmende und außergewöhnliche Verletzung der israelischen Souveränität an, so ein Sprecher. Man behalte die Lage im Auge und sei auf jegliche Entwicklung vorbereitet. Gleichsam fragen sich viele Experten, welchen Zweck die iranische Mission gehabt haben könnte.
Auch der stellvertretende Chef der Luftwaffe, Tomer Bar, konnte nur spekulieren: »Es kann von einer Geheimdienstaktion bis zu einem Angriff alles sein«, sagte er auf einer Pressekonferenz. »Es ist möglich, dass sie unsere Reaktion und die Schutzmechanismen unseres Luftraums testen wollten. Wir wollen verstehen, was der Sinn der Aktion war, aber wir wissen es noch nicht.«
Die Überreste der Drohne des iranischen Typs Shahed-141 sind sichergestellt. Nach Auskünften der Behörden enthielt sie keinerlei Waffen oder Explosionsmittel. Einige Experten mutmaßen daher, dass es sich um eine Falle gehandelt haben könnte, um die Luftwaffe Israels in den syrischen Hinterhalt zu locken. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman äußerte sich am Dienstag zu dem Vorfall.
»Israel wird auf jede Provokation reagieren und keine Einschränkungen von russischer Seite hinnehmen, um seine Bevölkerung zu schützen«, sagte er, als er die Absturzstelle besuchte. »Es ist nicht die Zeit, um zu bellen, sondern um zu beißen. Und wir beißen fest zu.« Israel sei mit Russland in Kontakt, die Verbindung sei »effektiv, auch wenn wir nicht übereinstimmen«.
Kabinett Bei einer Kabinettssitzung am Sonntag erklärte Netanjahu, dass die IDF den Streitkräften des Iran und Syriens schwere Verluste zugefügt habe. »Wir machen unmissverständlich für alle klar, dass sich unsere Regeln nicht im Geringsten verändert haben. Wir werden kontinuierlich all jene angreifen, die uns angreifen.« Die IDF gab an, dass etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Luftabwehrraketen der syrischen Armee zerstört worden seien.
Weiterhin berichtete der Premier, dass er mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen habe. Der hätte Netanjahu eindringlich davor gewarnt, weitere Schritte zu unternehmen, die zu einer neuen Konfrontation in der Region führen könnte. »Ich antwortete, dass es unser Recht und unsere Pflicht ist, uns gegen Angriffe aus Syrien zu verteidigen.« Doch die Berichte über Diskussionen um weitere Militärschläge gegen iranische oder syrische Ziele im Nachbarland endeten nach dem Telefonat prompt. Das Pentagon signalisierte derweil Unterstützung für »Israels absolutes Recht auf Selbstverteidigung«. Den Iran rief Washington auf, die Provokationen einzustellen.
Irans Präsident Hassan Rohani meinte am Samstag, dem Jahrestag der Islamischen Revolution, dass die USA und Israel Chaos in der Region stiften wollen. »Sie haben vor, unsere Einheit zu zerstören.« Doch die Wachsamkeit der iranischen Nation und die Haltung der freundlich gesinnten Staaten garantiere den Zusammenhalt.
Währenddessen geht das Leben in Israels Norden wenige Tage nach dem kriegerischen Zwischenfall wieder seinen gewohnten Gang. Die Kinder besuchen Kindergarten oder Schule, die Eltern arbeiten. Doch die Angst, dass der nächste Krieg hier – praktisch direkt vor ihrer Haustür – ausgetragen werden könnte, hat sich unter den Menschen breitgemacht.