Wir müssen zum Wohle Israels zusammenarbeiten», beschwor der alte, neue Premierminister Benjamin Netanjahu am Montagabend seine 21 Kabinettsmitglieder, die kurz zuvor vereidigt worden waren und nun die 33. Regierung Israels bilden. 68 der insgesamt 120 Knessetabgeordneten stimmten für die Leitlinien der neuen Regierung, 48 dagegen. Während der Rede Netanjahus verließen die Vertreter der ultraorthodoxen Parteien den Saal. Seit sehr langer Zeit sind sie nicht mehr in der Regierung vertreten.
Es hat gedauert, bis diese neue Mitte-Rechts-Regierung zustande gekommen ist. Kuhhandel nennen manche das Ergebnis, und andere glauben jetzt schon, die Regierungskoalition sei nicht von langer Dauer. Nicht ohne Grund. Denn ideologisch gibt es zwischen den fünf Parteien kaum Gemeinsamkeiten, sieht man einmal von der nuklearen Drohung des Iran ab, deren Bekämpfung bei Netanjahu höchste Priorität hat.
ultraorthodoxe Königsmacher der Koalition sind Yair Lapid, Vorsitzender der liberalen Zukunftspartei und Naftali Bennett, Chef der nationalreligiösen Partei «Jüdisches Haus». Um Premier zu bleiben, musste Netanjahu die Kröte Bennett schlucken. Zu gerne hätte er den noch rechts von ihm stehenden Politiker und ehemaligen Chef seines Stabes aus der Regierung herausgehalten. Doch den Linksliberalen Lapid und den Rechten Bennett verbindet ein gemeinsames Ziel, das in Israel innenpolitisch einiges verändert: Beide wollen Ultraorthodoxe in die Pflicht nehmen, die bislang auf Kosten des Staates leben. Sie werden künftig Armeedienst leisten und sollen langsam auch in die Arbeitswelt integriert werden.
Mehr Übereinstimmung gibt es allerdings nicht. Zwar profitierten beide von den Wählern aus der Mittelschicht. Doch diese kommen aus völlig verschiedenen Anschauungen und sind damit Ausdruck einer Entwicklung in der israelischen Gesellschaft, die sich immer mehr auseinanderbewegt. Lapids Wähler sind die Israelis, die vor zwei Jahren auf die Straße gingen, um gegen die enormen Lebenshaltungskosten zu protestieren. Zudem steht der smarte ehemalige Journalist für ein säkulares Israel.
bildungssystem Er will etwa öffentlichen Nahverkehr am Schabbat möglich machen und das Bildungssystem bei den Ultra-Orthodoxen verändern. Deren Kinder sollen Grundunterricht in Mathematik, Hebräisch, Englisch und Sport erhalten. Auch die Bildung der arabischen Minderheit soll verbessert werden. Unter anderem dafür hat er seiner Partei den Posten des Bildungsministers erstritten: Rabbiner Schai Piron hat die Aufgabe übernommen.
Der 50-jährige Lapid selbst ist neuer Finanzminister. Diese Aufgabe hatte er lange abgelehnt, weil er weiß: Es ist ein undankbarer Job. Die Finanzsituation Israels ist desolat. So wird es Einschnitte geben müssen, obwohl Lapid Erleichterungen versprochen hat. Die Frage ist auch, wofür künftig Geld ausgegeben, und wie viel Einfluss Lapid haben wird.
Da kommt dann Naftali Bennett ins Spiel, der in Israel als heimlicher Gewinner der Koalitionsverhandlungen gilt. Er konnte seiner Siedlerpartei, die mit elf Sitzen in der Knesset vertreten ist, wichtige Ministerien sichern. Bennett selbst ist Handels- und Wirtschaftsminister, seine Partei hat auch den eminent wichtigen Vorsitz des Finanzkomitees inne.
siedlung Ideologisch ist Bennett der Gegenpart zu Lapid schlechthin. Ihm kann Israel gar nicht jüdisch genug sein. Wie Haaretz berichtete, sollen sich zudem Netanjahus und Bennetts Parteien auf ein Gesetz geeinigt haben, das den jüdischen Charakter des Staates Israel über dessen demokratische Grundwerte stellt. Bennett steht auch für den Ausbau der Siedlungen im Westjordanland. Dabei hat etwa die neu ernannte Justizministerin Zipi Livni, Vorsitzende der Mitte-Links-Partei Hatnua, erklärt, den Friedensprozess anschieben zu wollen. Sie ist in der Regierung auch zuständig für die Koordination eventueller Friedensgespräche. Doch ihre Kompetenzen sind eingeschränkt.
Eine erste Feuerprobe für die neue Regierung steht jedoch schon vor der Tür: Israels Oberstes Gericht hat im Januar die Räumung des Siedlungsaußenpostens Amona im Westjordanland binnen vier Monaten angeordnet. Kommt es so weit, wird sich zeigen, wie gut die Koalition zum Wohle des Landes zusammenarbeitet.