Die Fotos werden schon jetzt geknipst. Am Strand von Tel Aviv mit Blick aufs alte Jaffa steht ein überdimensionaler Bilderrahmen, in den Besucher der Metropole am Mittelmeer hineinklettern können. »See you at Eurovision 2019 Tel Aviv« steht in weißen Buchstaben darauf. »Und ob sie mich sehen werden«, ruft eine schwarzhaarige Schönheit auf Hebräisch, zeigt ein Peace-Zeichen und posiert. Tel Aviv ist mittendrin in den Vorbereitungen zur Eurovision, die vom 14. bis 18. Mai hier veranstaltet wird.
Neben den Sängern und Bands aus den teilnehmenden europäischen Ländern und natürlich der israelischen Siegerin aus dem Vorjahr, Netta Barzilai, wird gemunkelt, dass Madonna auf der Bühne stehen soll. Die Queen of Pop habe praktisch schon zugesagt, es gehe nur noch um den Preis, schreiben verschiedene israelische Zeitungen. »Wir arbeiten gerade an der Liste der Künstler, die auftreten werden«, schrieb der Veranstalter Kan dazu, »und werden sie so bald wie möglich veröffentlichen.«
EINKÜNFTE Rund 20.000 Gäste aus der ganzen Welt werden erwartet, um beim jährlichen europäischen Spektakel dabei zu sein – zusätzlich zu den mehr als 3000 Teilnehmern und Offiziellen aus Europa. Es wird die größte Veranstaltung sein, die Israel je zu bieten hatte. Tel Aviv rechnet mit Extraeinkünften aus der Eurovision von etwa 100 Millionen Schekeln (um die 25 Millionen Euro).
Dabei hat sich die Zahl der Touristen in der Stadt in den vergangenen drei Jahren ohnehin bereits verdreifacht. Die Verwaltung versucht derweil, sich mit verschiedenen kreativen Aktionen auf die Massen an zusätzlichen – feierwütigen – Gästen einzustellen. Unter anderem genehmigte sie jetzt ein Zeltlager, weil nicht alle, die dabei sein wollen, sich ein Hotelzimmer leisten können oder überhaupt noch eines bekommen. Es werden schon jetzt Rekord-Vermietungen und immense Preissteigerungen bei den Unterkünften gemeldet. Vor allem Airbnb-Wohnungen und -Zimmer in Strandnähe sind bereits komplett ausgebucht.
Zimmer in Strandnähe sind schon komplett ausgebucht.
Denn dort, im Charles-Chlore-Park, wird das Euro Village aufgebaut. Das Dorf zur Eurovision wird zehn Tage lang Mittelpunkt der Partys sein, bei denen Sänger und Bands des Wettbewerbs auftreten sowie Halbfinale und Finale übertragen werden. Gecampt werden darf im Hayarkon-Park in der Nähe des Veranstaltungsortes EXPO (Tel Aviv Convention Center), wo die Wettbewerbe ausgetragen werden. Zwei volle Monate lang, Mai und Juni, dürfen bis zu 2000 Besucher in der grünen Lunge der Stadt ihre Zelte aufschlagen. Denn anschließend an die Eurovision treffen sich die Feiernden zu den nächsten Partys bei der »GayPride«.
camping Drei Kategorien werden »vom Camping zum Glamping« angeboten, wie die Stadtverwaltung beschreibt. Beim »Basic Camping« bringen die Besucher ihre eigenen Zelte mit oder mieten sie an Ort und Stelle; »Glamping«, ein Wortspiel aus Glamour und Camping, soll gehobenen Ansprüchen im Zelt auf der Wiese gerecht werden; und schließlich gibt es luxuriöse Wohnmobile, die mit Duschen und Klimaanlagen ausgestattet sind. Außerdem werden öffentliche Duschen und WCs, Stände für die Verpflegung, Sport- und Entspannungsanlagen, Partyzone, Fahrradverleih und ein Shuttle-Service zum Euro-Dorf eingerichtet.
Bürgermeister Ron Huldai macht klar, dass Tel Aviv zur Eurovision »ein außergewöhnliches Erlebnis bieten« will. »Die Zeltstadt ist nur ein Beispiel der Aktionen, die wir gerade planen, um sicherzustellen, dass die Gäste alles genießen können, was unsere Stadt Tel Aviv zu bieten hat.«
Anna Arowskaja ist zum ersten Mal hier. Die Polin spaziert mit ihrem Mann Maciej an der Promenade entlang und macht ein Selfie nach dem anderen. »Es gefällt uns fantastisch hier. Wir hätten Tel Aviv gar nicht so bunt und lebendig erwartet.« Das junge Ehepaar hat sich vorgenommen, im Mai noch einmal zu kommen. »Ich würde uns nicht als Fans bezeichnen«, meint Anna, »aber wir schauen schon seit Jahren jede Eurovision. Und da uns Tel Aviv so gut gefällt, haben wir uns überlegt, beides zu verbinden. Das wird ganz sicher ein Riesenspaß.« Im vergangenen Jahr haben die beiden übrigens für Netta die Daumen gedrückt. »Diese quietschfidele Frau ist einfach klasse, und ›Toy‹ geht total ins Ohr.«
EINTRITT Auch israelische Fans wollen mitfeiern. Yael Wasman will sich ihre Karte für das Finale sofort sichern, wenn der Vorverkauf Ende Januar beginnt, und außerdem im Eurovision-Dorf mitfeiern. Die Karten kosten zwischen zehn und 300 Euro, je nachdem, ob man bei einer Probe oder beim Finale dabei ist.
Während der Contest ihrer Meinung nach früher eher »etwas für Insider, Freaks und die LGBT-Gemeinde« war, sei er seit Netta zum absoluten Mainstream geworden. »Man hat ja gesehen, wie die Israelis nach ihrem Sieg vor dem Rathaus abgefeiert haben. Sie ist einfach die Beste und reißt alle von den Stühlen!« Was der 22-jährigen Studentin an der Eurovision besonders gefällt, sind die friedliche Atmosphäre und die Mühe, die sich alle Länder mit ihren Beiträgen geben.
Drei Kategorien gibt es: vom mitgebrachten Zelt bis zum Wohnmobil mit Klimaanlage.
»Es ist so eine riesige Produktion, und jedes Land nimmt das alles wirklich ernst. Ich finde das sehr beeindruckend.« Es sei lustig und interessant, die verschiedenen Musikstile, Bühnenshows, Kostüme und Sprachen zu erleben. »Es ist Gefühl pur. Von sentimentalen Liedern bis zu Comedy-Nummern. Mein absoluter Favorit zum Kaputtlachen war vor einigen Jahren das Lied einer britischen Band, in dem sie die Freundin als Cheesecake – Käsekuchen – besang.«
Zum Finale geht Yael mit ihrer besten Freundin. Natürlich im echten Netta-Style mit dicken Buns in den Haaren und kunterbunten Kleidern. »Die Eurovision ist zum Feiern da. Und wenn sie hier in Tel Aviv veranstaltet wird, ist das ganz sicher die ultimative Party.«