Sie sind wieder da. Und mit ihnen kommt die Angst. Weniger als ein Jahr nach dem Ende der israelischen Militäroperation »Gegossenes Blei« im Gasastreifen fliegen die palästinensischen Raketen wieder mit erschreckender Regelmäßigkeit gen Sderot, Aschkelon, Netiwot und die umliegenden Kibbuzim und Moschawim im Süden des Landes. Die Armee Israels reagierte umgehend mit Luftangriffen auf verschiedene Ziele im Gasastreifen, zerstörte dabei unterirdische Schmuggelwege.
Am 7. Januar waren es mindestens zehn Geschosse, die einschlugen, einen Tag darauf zwei und am vergangenen Wochenende insgesamt sieben. Seit dem Ende der Operation am 18. Januar 2009 sind mehr als 300 Raketen auf israelischem Gebiet gelandet. Verletzt wurde dabei niemand. Noch nicht. Die Hamas hatte erklärt, sie versuche, die extremistischen Gruppen, die auf Israel feuern, dingfest zu machen. Die Populäre Front für die Befreiung Palästinas (PFLP) hatte zuvor die Verantwortung für die Gradraketen übernommen, andere Splittergruppen für weitere Raketensalven. Wer auch immer dahinterstecken mag, die Gefahr ist wieder einmal akut.
Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte daraufhin am Sonntag, dass er die Angriffe als sehr schwerwiegend ansieht. »Die Politik in Jerusalem ist eindeutig: Jeder Angriff wird sofort aufs Schärfste erwidert.« Der Kommandant der Armee für den Süden, Yoav Galant, warnte die Bewohner der Region, dass die relative Ruhe, die sie nahezu ein Jahr lang genießen konnten, lediglich vorübergehend sei und dass sie sich »auf eine weitere Runde des Kämpfens« einrichten sollten.
Sind die Bewohner der Städtchen und Dörfer des Südens vorbereitet? Meir Abergil, Sekretär der Regionalverwaltung Eschkol, zuckt resigniert mit den Schultern. »Wir sind hier immer vorbereitet, denn wir wussten ja, dass diese Ruhe nur eine Phase ist. Das Feuern wird wieder stärker werden, viel stärker. Da bin ich mir leider sicher.« Abergil lebt seit fast fünf Jahrzehnten an der Grenze zum Gasastreifen. Ans Weggehen denkt er nicht. »Nie im Leben. Wenn wir diese Gegend hinter uns lassen würden, kommen uns die Raketen hinterher. Irgendwann müssten wir dann auch Tel Aviv aufgeben.« An einen Frieden mit der Hamas glaubt der 66-Jährige nicht. »Die wollen uns hier nicht, deshalb wird das auch nichts.« So müsse man halt mit der Situation leben. Wie das geht? »Mit viel Stärke und Zusammenhalt«, ist Abergil überzeugt. In seinem Verwaltungsbezirk ist gerade eine neue Schule für 1.000 Kinder gebaut worden. »Das ist ein Zeichen für die Zukunft, dass wir hierhergehören und hierbleiben werden.«
Abwehrsystem Hoffnung auf mehr Ruhe verspricht die »Eiserne Kuppel«. Das Abwehrsystem für Kurzstreckenraketen hat in den vergangenen Tagen erfolgversprechende Tests durchlaufen und funktioniert offenbar zuverlässig. In Stellung gehen soll es im Mai und nicht nur Kassams und Grads abschießen, bevor sie Schaden anrichten können. Es soll auch erkennen, welche Geschosse zu vernachlässigen sind, weil sie in unbewohnter Gegend landen würden. Die Firma »Rafael Advanced Defense Systems« hat das System innerhalb von zweieinhalb Jahren mitentwickelt. Es soll Schutz für Geschosse mit einer Reichweite von vier bis 70 Kilometer bieten. Damit würden Kassams der Hamas, Katjuschas der Hisbollah und sogar iranische Fadscher-Raketen abgefangen werden können, die im Gasastreifen in Umlauf sind. Um den gesamten israelischen Süden und Norden auszustatten, würden um die 20 dieser Geräte benötigt, jedes einzelne kostet etwa zehn Millionen Euro. Die Eiserne Kuppel soll Teil eines mehrschichtigen Abwehrmechanismus werden. Dazu gehören der »Zauberstab« für Mittelstrecken- sowie das System mit Namen »Pfeil« für Langstreckengeschosse.
Die meisten Politiker der südlichen Gefilde zeigen sich ob des Abwehrsystems erfreut, haben jedoch auch ihre Zweifel. Der kommissarische Bürgermeister von Aschkelon, Schlomo Cohen, ist froh, dass die Eiserne Kuppel kommt, wünscht sich genauere Details, wann und wie es eingesetzt werden soll. Außerdem macht er klar, dass die Regierung trotzdem nicht umhin kommt, in zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für Schulen und Kindergärten zu investieren. »Wenn man die Kosten des Systems mit der Sicherheit für die Bildungseinrichtungen vergleicht, ist es lächerlich wenig für Letzteres. Das muss in jedem Fall auch gemacht werden.«