Es ist das Fest von Käse, Quark und Joghurt. Das jüdische Wochenfest Schawuot steht kurz bevor, und von Naharija bis nach Eilat preisen die einheimischen Milchproduktehersteller ihre Ware auf bunten Plakaten an. Doch die Kunden sind in Sorge, dass der heiß geliebte israelische Hüttenkäse vielleicht bald chinesischen Produkten Platz machen muss. Denn Israels größtes Unternehmen auf dem Milchmarkt, Tnuva, wurde jetzt von der Bright-Food-Gruppe aus dem Reich der Mitte aufgekauft. Chinesische Geschäftsleute strömen ins Heilige Land, in den Händen Koffer voller Geld. Die China-Connection wächst stetig.
Und Premierminister Benjamin Netanjahu tut alles dafür, dass der Tnuva-Deal erst der Anfang ist. Im vergangenen Jahr reiste er persönlich nach China, um die Zusammenarbeit mit der fernen Weltmacht anzukurbeln. In der vergangenen Woche traf er sich mit der chinesischen Vize-Premierministerin Liu Yandong in Jerusalem, um ein Abkommen für den Austausch in den Bereichen Technologie, Innovation und Wissenschaft zu unterzeichnen.
Anschließend verkündete Netanjahu freudig: »Wir feiern den Erfolg der immens wachsenden Kooperation zwischen Israel und China.« Auch Yandong frohlockte: »Ich bin hier, um bewährte Methoden in diesen Bereichen von Israel zu lernen und unsere Beziehung auf eine neue Ebene zu heben. Es ist eine Reise der Freundschaft zwischen unseren Völkern.«
Konstruktion Für den jüdischen Staat geht es hauptsächlich darum, in den Wirtschaftszweigen, in denen er Vorreiter ist, einen Fuß in die Tür des riesigen chinesischen Marktes zu bekommen, beispielsweise Medizin, Landwirtschaftstechnologie und Hightech. Die Chinesen indes sind in Israel wegen ihrer Fähigkeiten bei der Konstruktion großer Projekte angesehen. So baute eine chinesische Firma die Carmel-Tunnelanlage in Haifa, eine andere ist für die Tel Aviver U-Bahn im Gespräch.
»Es ist eine ideale Zusammenarbeit zwischen den zwei Volkswirtschaften«, ist Amir Lati überzeugt, der das Fernöstliche Referat im Außenministerium leitet. Denn die Länder hätten verschiedene Schwerpunkte und würden sich keine Konkurrenz machen, sondern stattdessen gegenseitige Lücken füllen. Klar ist jedoch auch, dass China seine Position in der Region sichern will, um auf deren Energieressourcen für seinen wachsenden Markt zugreifen zu können.
Wissenschaft Auch im Bereich der Wissenschaft blüht die Zusammenarbeit. Die Universitäten Tel Aviv (TAU) und Tsinghua in Peking unterschrieben kürzlich eine 300-Millionen-Dollar-Kooperationsvereinbarung. Ziel ist es, Studenten und Lehrkräfte auszutauschen und sich gegenseitig im Bereich der Nanotechnologie zu unterstützen. »Es ist ein Abkommen von ungewöhnlicher Größe und Auswirkung«, sagte TAU-Präsident Joseph Klafter, das von unten nach oben aufgebaut werde. »Es hat damit begonnen, dass sich unsere Wissenschaftler getroffen und regelrecht ineinander verliebt haben.«
Doch während Regierungspolitiker die Kooperationen mit den Chinesen in den höchsten Tönen loben, gibt es aus den Reihen der Opposition Kritik: »Kein normales Land der Welt überträgt seine Lebensmittelsicherheit an China oder ein anderes Land«, tönte Schelly Jachimowitsch von der Arbeitspartei nach dem Tnuva-Deal wütend. »Wir sehen hier ein weiteres und deprimierendes Beispiel für das genaue Gegenteil von Investitionen in Israel. Stattdessen finden Ausbeutung und Kontrolle statt.«
Die Politikerin forderte, Tnuva solle stattdessen ein öffentliches Unternehmen am Aktienmarkt werden, und fragte, ob der Deal nicht eine besondere Genehmigung benötige. Auch ihr Parteigenosse Avishai Braverman verlangte in einem Gesetzesvorschlag, dass der Verkauf strategischer Firmen ein spezielles Prozedere durchlaufen müsse. Doch die Offiziellen im Finanzministerium stellten bereits klar, dass sie chinesische Käufe nicht durch ein Veto einschränken würden.
Skepsis Ein Großteil der Kunden steht dem Deal skeptisch gegenüber. Hüttenkäse von Tnuva ist in Israel so etwas wie ein Nationalgericht, fast täglich steht er auf dem Abendbrottisch. Preiserhöhungen beim körnigen Cottage haben vor vier Jahren zu einer regelrechten Revolution auf den Straßen geführt. Für viele Israelis ist die Verbindung zu China zudem angsteinflößend, sie haben Sorge, dass der Einfluss des Riesenreiches im Ministaat Israel zu schnell zu groß werden könnte. »Ich werde Tnuva nicht mehr kaufen«, schrieben verunsicherte Konsumenten im Internet. Und andere: »Ein zionistisches Unternehmen wurde an den höchsten Bieter verhökert – das ist schade.«
Dabei befand sich Tnuva schon längst nicht mehr in israelischer Hand. Die Mehrheitsanteile waren bereits im Jahr 2008 an den britischen Investitionsfonds Apax verkauft worden. Der übertrug jetzt die Mehrheitsbeteiligung an die Chinesen.
Know-how Obwohl keine Details zum Verkauf bekannt wurden, gehen Experten davon aus, dass die Investoren mehr als anderthalb Milliarden Euro mitbringen mussten, um die israelische Traditionsfirma zu übernehmen. Sie seien allerdings gar nicht so sehr an den Produkten interessiert, erklärte ein Sprecher von Bright Food, als vielmehr am Know-how und der Technologie. »Israel ist ein Land mit einer hoch entwickelten Landwirtschaft und herausragenden Tierhaltungstechniken«, hieß es aus der chinesischen Firmenzentrale.
Die Lebensmittelhersteller sind nicht die Einzigen mit Interesse am jüdischen Staat. In der vergangenen Woche trafen sich israelische und chinesische Geschäftsleute auf einer Hightech-Konferenz, um weitere Kooperationen zu besprechen. Auch die größte Versicherungsfirma des Landes, Clal, ist offenbar im Visier der fernöstlichen Investoren.
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Während Israel für den wirtschaftlichen Giganten in Fernost noch ein Winzling ist, hat China für Jerusalem große Bedeutung. Im Vergleich zu 2010, als der Handel zwischen den Ländern 6,7 Milliarden Dollar betrug, waren es 2013 schon 8,4 Milliarden. Das jetzt unterschriebene bilaterale Abkommen sieht vor, die israelischen Exporte in den kommenden fünf Jahren auf etwa fünf Milliarden Dollar zu verdoppeln – womit China zu Israels Handelspartner Nummer eins avancieren könnte.