Ich hatte schon immer einen etwas ausgefallenen Geschmack in Sachen Hobbys. Vom begeisterten Graffiti-Sprüher über einen eifrigen Münzen-aus-aller-Welt-Sammler bis hin zum emotionalen Facebook-Blogger – über Langeweile konnte ich mich noch nie beklagen.
Über eines meiner Hobbys der letzten Jahre will ich nun etwas mehr erzählen. Warum ausgerechnet heute? Weil heute der erste, vom Oberhaupt der islamischen Republik Iran, Ayatollah Ali Khamenei, höchstpersönlich ausgerufene, virtuelle Al-Quds-Tag stattfindet.
AL-QUDS-TAG Zum ersten Mal marschieren am heutigen Al-Quds-Tag Tausende Antisemiten nicht durch die Straßen Teherans und Berlins, sondern verbreiten ihren Hass auf Juden und Israel ausschließlich über das Internet.
Was also ist mein Hobby? Ich verfolge täglich aufmerksam die Propaganda des islamischen Regimes in den sozialen Netzwerken. Sowohl Khamenei als auch der iranische Außenminister Zarif und andere hochrangige iranische Politiker verbreiten ihre Staatspropaganda zunehmend über das Netz.
Zugegeben, sie machen keinen schlechten Job. Sie bleiben am Ball. Jeden Tag aufs Neue. Und ihr Einsatz zum Erhalt der eigenen Macht hat keine Grenzen.
Iran droht Israel wieder einmal mit der Auslöschung. Doch mit der Drohung will Teheran auch die Bundesregierung in Berlin brüskieren.
Sie nehmen kein Blatt vor den Mund und wer die iranische Kultur kennt, und das tue ich, der weiß, dass sie einerseits gerne angeben, ohne dass wirklich etwas dahinter steckt, andererseits findet sich in jedem ihrer Sprüche, Posts, Tweets, Warnungen und Drohungen auch knallharte Wahrheiten.
Jedes Wort ist sorgfältig gewählt. Jede Message hat einen Empfänger.
Sie schießen immer wieder Richtung Washington, gegen Israel, gegen die arabische Welt und auch Europa ist immer mal wieder beliebtes Ziel ihres Zorns.
»JUDENFREI« Pünktlich zum virtuellen Al-Quds Tag heute, der in Israel als »Jerusalem-Tag« gefeiert wird, haben die Islamisten ein Poster von Jerusalem veröffentlicht, das sowohl in Bild, als auch – und insbesondere – in Text, spektakulär ist. Sie haben ganze Arbeit geleistet und lassen keine Fragen offen.
In der Überschrift haben sie das Wort »Endlösung« benutzt. Selbstverständlich mit voller Absicht. Sie sind sich natürlich bewusst, dass dieses ganz spezielle Wort den Tiefpunkt in der Geschichte zwischen den Deutschen und den Juden auf den Punkt bringt. Und um dieses spezielle Wort auch im Bild zu untermauern, damit es ja keine Missverständnisse gibt, kann man ein von Muslimen erobertes Jerusalem, mit Plakaten von Ayatollah Khomeini, Kassem Soleimani, Abu Mahdi al Muhandis, einer Hisbollah-Flagge und vieles mehr begutachten. Jerusalem »befreit« von den Juden.
Zum ersten Mal marschieren am heutigen Al-Quds-Tag Tausende Antisemiten nicht durch die Straßen Teherans und Berlins, sondern verbreiten ihren Hass auf Juden und Israel ausschließlich über das Internet.
Kurze Zeit nachdem Teherans engster Verbündeter, die Terrororganisation Hisbollah, in Deutschland ein Betätigungsverbot ausgesprochen bekommen hat, richtet sich diese ganz spezielle »Endlösung«-Message nicht nur an Jerusalem, sondern auch an Berlin.
Denn während Israel damit zum Tausendsten Male gedroht werden soll, ist das Ziel bei den Deutschen ein anderes: Das Regime in Teheran will die Deutschen in Verlegenheit bringen.
All die Jahre haben die Mullahs den Deutschen immer einen gewissen »Spielraum« gelassen, damit die Regierung in Berlin – aber auch in Paris und London und anderswo in im Westen – ohne ihr Gesicht zu verlieren, weiter auf »Appeasement« setzen können. Man hat es immer wieder geschafft, sich selbst davon zu überzeugen, es gäbe keine ernst zu nehmenden Indizien, die apokalyptischen Drohungen der Vernichtung Israels aus Teheran wirklich ernst nehmen zu müssen. Man hat sich selbst Geschichten erzählt: Die Iraner fühlen sich doch »nur« bedroht von den Amerikanern. Nein, sie wollen doch »nur« ihren Platz, der ihnen in der Region zusteht, einnehmen. Sie wollen doch »nur« ein bisschen mehr in der muslimischen Welt zu sagen haben und da zieht die »Juden-« und »Israelkarte« bekanntlich immer.
Aber jetzt, wo das Wort »Endlösung« gefallen ist, gibt es keine Ausreden mehr. Kein »nur« dies, oder »nur« das mehr. Keine Geschichten mehr!
Hitler hatte die »Endlösung« angekündigt - und umgesetzt.
Warum sollte das im Fall der schiitischen Radikalislamisten aus dem Iran anders sein? Warum?
STOPPSCHILD Deutschland sollte die Message aus Teheran nicht unter den Teppich kehren, sondern sie als das wahrnehmen, was sie ist: ein Stoppschild.
Ein Stoppschild, bei dem man stehen bleiben muss. Ein Stoppschild, durch das die deutsch-iranischen Beziehungen endlich fundamental überdacht werden müssen.
Der Autor ist ein deutsch-iranisch-israelischer Politologe und Publizist.