Armeedienst

Die Frist für die Ultraorthodoxen ist um

»Lieber sterben als eingezogen werden«, steht auf dem Plakat bei dem ultraorthodoxen Protest in Jerusalem. Foto: Flash90

Die Frist für die ultraorthodoxen jungen Männer ist abgelaufen. Der Kabinettsbeschluss, der Jeschiwa-Studenten im Wehrpflichtalter vom Militärdienst ausnimmt, läuft am 1. April aus. Danach wäre der Staat gesetzlich verpflichtet, sie einzuziehen. Die israelische Generalstaatsanwältin Gali Baharav Miara erklärte, dass sie die Rekrutierung vorbereite.

Zwar beantragte die Regierung noch in letzter Minute eine Verlängerung bis zum Donnerstag, doch Baharav-Miara bat die Minister bereits um ihre Kommentare, bevor sie die offizielle Antwort des Staates an den Obersten Gerichtshof fertigstellte. Sie fügte hinzu, dass der Staat die Finanzierung jener Jeschiwas einstellen werde, die es versäumen, Studenten in die Armee zu schicken. Wer an einer Jeschiwa eingeschrieben ist und nicht dient, erhält vom Staat mehr Geld als als IDF-Soldat.

Premierminister Benjamin Netanjahu und die Vorsitzenden der ultraorthodoxen Parteien hatten am Dienstagabend über verschiedene Entwürfe für einen Vorschlag zur Gesetzesänderung diskutiert, jedoch keine Einigung erzielt. Die strengreligiösen Parteien weigern sich, irendwelche Quoten festzulegen, worauf die Generalstaatsanwältin jedoch besteht.

Ausnahmen bei der Wehrpflicht zeigen Kluft in der Gesellschaft

Die Zentrumspartei Jesch Atid von Oppositionsführer Yair Lapid erklärte daraufhin: »Für diese gescheiterte Regierung, die ständig Wehrdienstverweigerern hinterherläuft, statt echte Gleichheit anzustreben, ist jeder andere schuld. Das ist eine Täuschung.« Dieses Mal jedoch würden sie nicht damit durchkommen. »Denn Ihr Gesetz ist eine Beleidigung für die IDF und ihre Kämpfer. Der Makel wird allein Netanjahu und seinen Kabinettsmitgliedern zufallen und zu ihrer ewigen Schande führen.«

Während Israel noch immer Krieg gegen die Hamas in Gaza führt, haben die Ausnahmen von der Wehrpflicht für Ultraorthodoxe die tiefe Kluft in der Gesellschaft offengelegt. Der Oberste Gerichtshof hat das derzeitige System als diskriminierend eingestuft und der Regierung Zeit gegeben, bis zum 1. April einen Gesetzentwurf vorzulegen und ihn bis zum 30. Juni zu verabschieden.

»Aus politischer Sicht ist es die konkreteste Bedrohung für die Regierung.«

gilad malach, IDI

Doch statt an der Gleichberechtigung zu arbeiten, und ein Gesetz vorzulegen, das die Rekrutierungswahrscheinlichkeit in der ultraorthodoxen Gemeinschaft erhöht, präsentierte die rechtsreligiöse Koalition einen Entwurf, der Charedim bis 35 Jahre gänzlich vom Dienst in der Armee ausnimmt und zudem jegliche Strafen für Verweigerer ausschloss.   

Als Folge erklärten Kriegsminister Benny Gantz und Verteidigungsminister Yoav Gallant, dass sie eine derartige Gesetzgebung nicht unterstützen würden. »In gewöhnlichen Zeiten ist es eine rote Linie, in Kriegszeiten eine schwarze Flagge«, kommentierte Gantz.

»Aus politischer Sicht ist es die konkreteste Bedrohung für die Regierung«, meint der Experte für die ultraorthodoxe Gemeinschaft am Israel Democracy Institut (IDI), Gilad Malach. Der Mangel an Kompromissbereitschaft der ultraorthodoxen Anführer habe in Zeiten, in denen die israelische Gesellschaft erhebliche Opfer bringt, einen Großteil der Öffentlichkeit befremdet, so Malach. Mit dieser Koalition aber sehe er keine Chance für Veränderungen, seiner Meinung nach könnten »Neuwahlen allerdings einen Wandel bringen«.

12.000 junge Charedim hätten in IDF eingezogen werden sollen

Mit ihrer extrem hohen Geburtenrate ist die charedische Gemeinde mit etwa vier Prozent pro Jahr die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Jedes Jahr erreichen etwa 13.000 ultraorthodoxe Jungen das Wehrpflichtalter von 18 Jahren. Doch weniger als zehn Prozent von ihnen melden sich zum Dienst. In den letzten Jahren hätten der IDF zufolge etwa 12.000 Ultraorthodoxe in die Armee eingezogen werden können, was jedoch nicht geschah.

Seit Beginn des Krieges wurden knapp 300.000 Reservisten einberufen. Viele von ihnen sind derzeit entlassen, werden aber voraussichtlich in den kommenden Monaten wieder in den aktiven Dienst zurückkehren. Der umfassende Reservedienst und die Diskussion über eine allgemeine Verlängerung der Wehrpflicht verstärken die Wut auf die Regierung und die Ultraorthodoxen noch. Die jedoch demonstrieren gegen jegliche Einberufung und machen auf Protesten mit Parolen und Plakaten klar, dass sie »lieber sterben würden als in der israelischen Armee zu dienen«.

Der sefardische Oberrabbiner Israels, Yitzchak Yosef, sagte zu einer bevorstehenden Zwangsrekrutierung, dass dann »alle Charedim ins Ausland ziehen werden«. Der Post ging viral – doch neben Ärger brachte er vor allem Spott. Denn viele säkulare Israelis scheinen kein Problem damit zu haben, wenn Ultraorthodoxe das Land verlassen. Einige fragten höhnisch, »Wann geht es denn endlich los?« und boten sogar an, die Flugtickets zu zahlen.

Israel

Kurz nach Freilassung: Ex-Geisel Daniella Gilboa beeindruckt mit Gesangseinlage

Wenige Tage nach ihrer Freilassung sang sie ein Geburtstagsständchen für Liri Albag

von Imanuel Marcus  05.02.2025

Nahost

Hamas bezeichnet Trumps Gaza-Plan als »absurd«

Palästinenser und Ägypten reagieren auf das Vorhaben, die Enklave zu einem »internationalen Ort« machen zu wollen

von Sabine Brandes  05.02.2025

Interview

»Trump zwingt jetzt alle, ihre Positionen zu überdenken«

Der frühere stellvertretende nationale Sicherheitsberater Israels Chuck Freilich über die umstrittenen Gaza-Pläne des US-Präsidenten

von Michael Thaidigsmann  05.02.2025

Umsiedlung

Benny Gantz zu Trumps Gaza-Idee: »Kreativ und originell«

Reaktionen aus Israel, Deutschland und den USA zum Vorstoß des US-Präsidenten, die 2,3 Millionen Bewohner des Küstenstreifens umzusiedeln, und ihn unter amerikanischer Vorherrschaft wieder aufzubauen

 05.02.2025 Aktualisiert

Washington D.C.

Trump: Die USA werden Gaza übernehmen

Im Zweifel werden US-Truppen dabei helfen. Aus Gaza könne eine »Riviera des Nahen Ostens« werden

von Christiane Jacke, Dennis Düttmann, Imanuel Marcus, Luzia Geier  05.02.2025 Aktualisiert

Washington D.C.

Netanjahu berät über Verhandlungen mit der Hamas

Die Verhandlungen über die zweite Phase des Geisel-Deals hätte schon am Montag beginnen sollen

 04.02.2025

Israel

Steffen Seibert trifft Gadi Moses

Der deutsche Botschafter besuchte die freigelassene Geisel im Krankenhaus

 04.02.2025

Washington D.C.

»Israel ist ein kleines Land«

Donald Trump wird gefragt, ob die USA einer Annexion des Westjordanlandes durch Israel zustimmen würden. Seine Antwort ist typisch und bezeichnend

 04.02.2025

USA/Israel

Trump empfängt Netanjahu im Weißen Haus

Als erster ausländischer Staatsgast in Trumps zweiter Amtszeit kommt der israelische Regierungschef nach Washington. In dem Republikaner hat der israelische Besucher einen wohlwollenden Unterstützer gefunden

 04.02.2025