Im Haus von Issachar Ilan weichen die Wände auf: Im Bad tritt Wasser aus den Rohren, die Farbe splittert ab, die Kacheln sind lose. Das Haus ist aus dem Jahr 1944 – und damit 18 Jahre jünger als Ilan selbst.
Der 92-jährige Holocaust-Überlebende, der aus dem Raum Aachen stammt, wohnt in Jerusalem in der Nähe des Herzlbergs. Geld für Renovierungen ist knapp, sagt er.
Seit 2003 reisen für zwei Wochen im Monat Helfer der »Sächsischen Israelfreunde« in den jüdischen Staat.
FLEISSIG Doch seit zwei Tagen wird in Ilans Badezimmer fleißig gespachtelt, gefliest und gestrichen. Denn ein sächsischer Verein schickt deutsche Handwerker nach Israel, um kostenlos Wohnungen von Holocaust-Überlebenden zu renovieren. »Was sie hier machen, ist unglaublich«, sagt Ilan auf Deutsch. »Vor einigen Jahren kamen sie bereits und fällten einen Baum, der gefährlich gegen das Haus kippte.«
Seit 2003 kommen für zwei Wochen im Monat Helfer der »Sächsischen Israelfreunde« nach Israel. Sie sind Handwerker, Gärtner, Maurer, Rentner oder einfach nur Freiwillige, die bereit sind zu helfen. »Sie opfern Kraft, Geld und ihren Urlaub«, erzählt Jochen Peter, der örtliche Koordinator.
Die meisten seien berufstätig und gäben Urlaubstage für das Projekt her. Zudem müssten sie 950 Euro selbst zahlen. Die Spendengelder des Vereins seien knapp. Das Geld reiche kaum für die Miete des Hauses, in dem die Freiwilligen leben, für alle Materialien, die Verpflegung und die Gehälter der Koordinatoren.
Jochen erinnert sich an Momente, in denen die Menschen nach Jahrzehnten plötzlich wieder anfingen, Deutsch zu sprechen.
SUPPENKÜCHE In 15 Jahren waren bereits 800 Freiwillige bei 600 Menschen im Einsatz. Die meisten sind Holocaust-Überlebende, jedoch helfen die Handwerker auch Armen oder renovieren Suppenküchen.
»Diese Menschen haben Leid von den Deutschen erfahren. Ihr letzter Gedanke an Deutsche soll nicht schlecht sein«, sagt der Gärtner Uwe Wenzel über seine Motivation. Er ist bereits zu seinem dritten Handwerkereinsatz in Israel. »Die Dankbarkeit der Menschen berührt mich immer wieder«, sagt Wenzel.
Ilan bereitet in der Küche mittlerweile das Mittagessen für sich und das Team vor. Ilan sagt, er sei »für alles im Haus verantwortlich«. Seine Frau Tirza ist immer noch als Sozialarbeiterin tätig.
SPUR Ilan erzählt seine Lebensgeschichte: Er ist noch ein kleines Kind, als seine Eltern in den frühen 30er-Jahren vor den Nazis aus Aachen nach Belgien fliehen. In den folgenden Jahren verliert sich auf der weiteren Flucht die Spur der Eltern. Sein Bruder wird mit anderen Kindern in die Schweiz geschmuggelt.
»Die Menschen, denen wir helfen, leben oft von kleinen Renten«, sagt Jochen. »Deshalb helfen wir.«
Ilan bleibt in Frankreich, kommt in ein Kinderheim und erhält französische Papiere. Er beginnt eine Kochausbildung in einem Hotel. 1944 wird das Gebäude in der französischen Provinz von der deutschen Wehrmacht für ihre Offiziere beschlagnahmt. »In diesem Moment wusste ich: Es ist zu gefährlich«, erinnert sich Ilan.
Er flieht in die Schweiz und trifft seinen Bruder wieder. Nach dem Krieg wandern beide gemeinsam ins damalige Palästina aus. 1946 heiratet Ilan seine Frau Tirza. In der Wohnung nahe dem Herzlberg, wo sie heute noch wohnen, ziehen sie drei Kinder groß. Mittlerweile haben sie auch 15 Enkel und 40 Urenkel, wie Ilan sagt.
ANNÄHERUNG Jochen Peter, der seit zwei Jahren die Einsätze des christlichen Vereins in Israel koordiniert, sagt: »Die Menschen, denen wir helfen, leben oft von kleinen Renten.« Sie könnten sich keine umfassenden Renovierungen leisten. Peter erinnert sich an Momente, in denen die Menschen nach Jahrzehnten plötzlich wieder anfingen, Deutsch zu sprechen.
»Dann geschieht Versöhnung«, sagt er, »die Menschen öffnen sich, wenn sie sehen, dass wir es gut meinen.«