Anerkennung

Die anderen Flüchtlinge

Knapp eine Million Juden aus arabischen Ländern wurden in den Jahren nach der Staatsgründung im Jahr 1948 zu Flüchtlingen. Foto: Flash 90

Für den Knesset-Abgeordneten der Likud-Partei, Shimon Ohayon, war die Entscheidung des israelischen Parlaments im Juli dieses Jahres eine Genugtuung. »Mit dem Beschluss, einen ›Nationalen Gedenktag für jüdische Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und dem Iran einzuführen, geht eine historische Ungerechtigkeit zu Ende«, sagte der aus Marokko stammende Professor der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv damals. Der 69-Jährige war einer der Initiatoren für den Gedenktag, der zum ersten Mal am Sonntag, 30. November, landesweit begangen wird.

Hintergrund ist das Schicksal von knapp einer Million Juden aus arabischen Ländern in den Jahren nach der Staatsgründung im Jahr 1948, die zu Flüchtlingen wurden. Ursache war die Entscheidung der UN am 29. November 1947, Palästina aufzuteilen und so die Gründung des Staates Israel zu ermöglichen. Danach, so heißt es einer Pressemitteilung der Regierung zum Gedenktag, hätten die arabischen Staaten damit begonnen, die jüdischen Gemeinden dort zu attackieren. Ziel sei gewesen, einen jüdischen Staat zu verhindern.

In den ersten beiden Jahrzehnten nach Gründung des Staates Israel verschwanden beispielsweise in Marokko und im Irak fast alle jüdischen Gemeinden, sodass von mehr als 850.000 Juden, die in allen arabischen Ländern vor 1948 lebten, im Jahr 2001 nur knapp 7800 geblieben waren. Einige dieser Gemeinden blickten auf eine mehr als 2600 Jahre währende Geschichte zurück.

Gerechtigkeit Bislang wird in Israel ausschließlich der Opfer des Holocaust in Form eines nationalen Gedenktages, des Jom Haschoa, gedacht. Das ganze Land steht minutenlang still, wenn die Sirenen heulen.

Ein Gedenktag, der an Leid, Verfolgung und Vertreibung der Juden aus ihren arabischen Heimatländern erinnert, war jahrzehntelang kein Thema. Zum einen, so schreibt der Journalist Ben Cohen, weil die Schrecken des Holocaust keinen Vergleich finden. Zum anderen, weil viele Politiker die Vertreibung der Mizrachim, wie Juden aus Asien und dem Nahen Osten genannt werden, nicht als solche anerkannten.

»Außerdem, wie oft im Jahr soll ein Land innehalten und trauern?«, fragt Cohen, der selbst ein Mizrachi ist. Dennoch habe das Schicksal dieses Teils der israelischen Bevölkerung im Laufe der Zeit immer mehr Menschen beschäftigt. »Und je mehr Zeit vergangen ist, desto bewusster wurden sich die Leute in Israel, dass nicht nur die Juden aus Europa gelitten haben, sondern auch die aus den arabischen Staaten.« Deshalb sei ein nationaler Gedenktag die richtige Entscheidung.

Diskriminierung Auch Shimon Ohayon geht es bei dem Gedenktag nicht darum, mit dem Holocaust zu konkurrieren. Aber man müsse anerkennen, dass die Geschichte der Juden, die ursprünglich aus Nordafrika und dem Nahen Osten stammen und etwa die Hälfte der heutigen Bevölkerung in Israel ausmachen, »zu lange ignoriert worden ist«. Es sei zudem ein entscheidender Schritt im Kampf gegen diejenigen, die die Anwesenheit der Juden generell infrage stellen würden und behaupteten, sie gehörten nicht hierher, ergänzte der Likud-Abgeordnete und bezog sich auf die Palästinenser, die Israel als kolonialen Eindringling in eine muslimisch-arabische Region betrachten. »Juden haben Tausende Jahre in islamischen Ländern gelebt.«

So lobenswert der Ansatz ist – der Gedenktag findet in Israel bislang jedoch wenig Aufmerksamkeit. Viele wissen überhaupt nicht, dass es ihn nun gibt und dass er heute begangen wird. Das passt zu dem Bild, das die Mizhrachim noch immer von sich selbst haben und wie sie oft von den Aschkenasim gesehen werden: als Israelis zweiter Klasse. In einem Bericht im israelischen Fernsehen auf Kanal 8 beispielsweise kamen neulich Dutzende arabische Juden zu Wort: vom Professor bis zum schwulen Friseur. Unisono sagten sie, sie fühlten sich diskriminiert. Dass das nicht nur ein Gefühl ist, sondern dass nach wie vor große kulturelle Unterschiede bestehen, belegen zudem Statistiken und Studien.

Gegensätze Soziologen haben zahlreiche Faktoren ausgemacht, die die Integration der Mizrachim von Beginn an beeinträchtigten, darunter etwa der Ausbildungsgrad vor der Ankunft im Land, aber auch Ablehnung von Seiten des aschkenasischen Establishments. Insgesamt jedoch sind die Gegensätze nicht mehr ganz so groß wie früher.

Der Gedenktag wird mit verschiedenen Zeremonien begangen, darunter auch eine in der Knesset. In Schulen wird das Thema im Unterricht aufgegriffen, und israelische Diplomaten sollen es ebenfalls ins Gespräch bringen.

Nahost

Siedlergruppe dringt nach Syrien ein: IDF nimmt acht Personen fest 

Mehrere Menschen überqueren die Grenze. Medien zufolge wollen sie im Nachbarland eine Siedlung gründen. Es ist nicht ihr erster Versuch

 28.11.2025

Staatsbesuch

Kanzler Merz reist am nächsten Wochenende nach Israel

Das Datum steht: Bundeskanzler Merz reist in gut einer Woche zum Antrittsbesuch nach Israel. Der Gaza-Krieg hatte die Reise verzögert, durch die Waffenruhe wird sie jetzt möglich

 28.11.2025

Wirtschaft

Wenn Krembo zum Luxus wird

Die Lebenshaltungskosten steigen weiter. Mittlerweile befürchtet ein Drittel aller Israelis, sich bald nicht mehr ausreichend Lebensmittel leisten zu können

von Sabine Brandes  28.11.2025

Medien

Krieg an vielen Fronten

Israelische Journalisten spielen seit dem 7. Oktober eine undankbare Rolle. Sie sind der Wahrheit verpflichtet, aber nicht jeder im Land will wirklich sehen und hören, was ist

von Susanne Stephan  28.11.2025

Luftfahrt

Wizz Air will eigene Basis in Israel eröffnen

Nach dem Rückzug von RyanAir vom Ben-Gurion-Flughafen will Wizz Air dort kräftig investieren. Die Regierung erhofft sich dadurch sinkende Ticketpreise

 28.11.2025

Nahost

IDF zerschlägt Terrorzelle in Südsyrien

Bei der Operation in Beit Dschinn werden mehrere Mitglieder der Terrororganisation Jaama Islamiya getötet und zwei festgenommen

 28.11.2025

Sport

Basketball zurück in Israel: Hamburger beginnen in Jerusalem

Israelische Basketball-Teams tragen ihre Heimspiele im Eurocup und in der Euroleague bald wieder im eigenen Land aus. Zum Auftakt kommt ein Team aus Deutschland

 28.11.2025

Berlin

Israel, der Krieg gegen die Hamas und die Völkermord-Legende

Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach stellte im Bundestag eine Studie und aktuelle Erkenntnisse zum angeblichen Genozid im Gazastreifen vor – und beklagt eine einseitige Positionierung von UN-Organisationen, Wissenschaft und Medien

 27.11.2025

Gazastreifen

Kapitulation oder Tod

Die zahlreichen in den Tunneln fest sitzenden Hamas-Terroristen wollen ihre Waffen nicht niederlegen

von Sabine Brandes  27.11.2025