Gaza

Der Untergrund-Kampf

Eingang zu einem Tunnel Foto: IDF

Der Krieg in Gaza dauert an, und mit jedem Tag steigt die Zahl der Toten – auch auf israelischer Seite. Momentan noch scheint die Mehrheit der Israelis den Einsatz zu befürworten. Nach rund zwei Wochen Krieg gegen die Hamas in Gaza sind bis Dienstag 27 israelische Soldaten gefallen.

Das sind doppelt so viele wie bei der letzten Bodenoffensive 2009. Vielen Israelis ist dabei nicht klar, wie das Ergebnis der Bodenoffensive aussehen soll: »Sollen wir Gaza wieder besetzen?«, »Kann es nicht sein, dass nach der Hamas noch Schlimmeres kommt?«, »Schlittern wir in einen endlosen Kampf?«, »Wie sieht der nächste Schritt nach der Zerstörung der Tunnel aus?«.

Fragen, die von Premierminister Benjamin Netanjahu bisher nur teilweise beantwortet worden sind. Nur so viel: Das Ziel sei, die Infrastruktur der Hamas in Gaza zu zerstören. Eine Garantie für einen »hundertprozentigen Erfolg« der derzeitigen Offensive gebe es jedoch nicht, so der Premier.

ausgegraben Obwohl bekannt war, dass beispielsweise Waffen in den unterirdischen Tunneln zwischen dem Gazastreifen und Israel versteckt werden, ist das ganze Ausmaß ihrer Gefahr erst vergangene Woche deutlich geworden. So konnte die israelische Armee gerade noch verhindern, dass 13 Terroristen durch einen Tunnel nach Kerem Schalom gelangen.

Bislang hat die Armee nach eigener Aussage 66 Tunnelschächte und 23 Tunnel ausgegraben, 28 Verdächtige festgenommen und 183 Terroristen getötet. Die Tunnel, die bis auf israelischen Boden reichen, sind zum Teil mehr als 30 Meter tief und bestens ausgestattet. Sie verfügen über Strom, Wasser und sanitäre Anlagen, viele sind mit Betonwänden befestigt. Es dauere Jahre, bis so ein Tunnelsystem gegraben sei, meinen Experten. Andererseits ist die Bodenbeschaffenheit in diesem Gebiet sandig, was den Grabungsfortschritt beschleunigt.

Viele der Tunneleingänge hat die Armee inzwischen in Häusern in Gaza entdeckt. Nicht nur das, sogar unter einer Moschee und einem Krankenhaus sollen sich Tunnel und Waffenlager befunden haben. Shimon Daniel, ein pensionierter Brigadegeneral, sagte im israelischen Fernsehen, es sei der Armee bekannt gewesen, dass die Tunnel existierten und für einen Überfall auf Israel vorgesehen waren. Nur sei es schwierig gewesen, sie zu entdecken.

Und es sei schwierig, sie zu zerstören. Denn man müsse davon ausgehen, dass die Gänge vermint seien. Die Soldaten würden zuerst das Gelände abriegeln und nach anderen Ausgängen suchen. Dann würden die Tunnel mit Sonden abgesucht. Erst danach würden sie zerstört – »entweder von der Luft aus, durch Sprengungen oder mit schwerem Gerät«, so Daniel. Inzwischen sei klar geworden, dass diese Tunnel nicht nur als Versteck dienten, sondern vielmehr als Basis für Angriffe auf israelische Dörfer, sagte Armeesprecher Moti Almoz.

Nachbar Auch das Nachbarland Ägypten, dessen jüngst gewählte Regierung nichts mit der Hamas zu tun haben will, hat in den vergangenen Monaten Tunnel zerstört. Medienberichten zufolge soll es sich dabei um die erstaunliche Anzahl von rund 1300 handeln. Sie dienten dem Schmuggel von Waffen und anderen Materialien.

In den Konflikten in den Jahren zuvor hatte die Hamas über die Tunnel auch Nachschub erhalten. Es sei deshalb davon auszugehen, dass die militanten Brigaden der Hamas mit der Bodenoffensive Israels entscheidend geschwächt werden. Insgesamt habe man Fortschritte bei der Zerstörung von Abschussrampen und der Infrastruktur der Hamas erzielt, hieß es. Der Raketenbeschuss habe deshalb bereits um 25 Prozent abgenommen.

Am Dienstag jedoch verstörte die Nachricht das Land, dass ein Soldat offensichtlich vermisst wird. Zwar gehe man davon aus, dass er bei einem Feuergefecht zusammen mit sechs anderen israelischen Soldaten umgekommen sei, teilte die Armee mit. Aber sicher ist das nicht. Die Leiche des Soldaten lag nicht bei den anderen. Damit wächst die Befürchtung, er könnte entführt worden sein. Genau das hatte die Hamas vor einigen Tagen behauptet.

Unterstützung Trotzdem scheinen die schlechten Nachrichten die Mehrheit der Israelis noch nicht zu beirren – die Unterstützung für den derzeitigen Einsatz in Gaza ist nach wie vor hoch. Ein Eindruck, der sich in den Medien, bei Diskussionen zwischen Israelis in der Mittagspause, am Abend in den Bars oder auf Zugfahrten manifestiert.

Mit Unverständnis und zum Teil heftigen Aggressionen reagieren die Menschen dagegen auf Landsleute, die ein Ende des Krieges fordern. So etwa, als am vergangenen Wochenende ein Bus mit Friedensaktivisten nach Sderot fuhr, um dort für das Ende der Besatzung und Friedensgespräche zu werben. Noch bevor die Mitglieder verschiedener Organisationen – wie etwa die »Israelisch-Palästinensische Vereinigung trauernder Eltern« – aus dem Bus aussteigen konnten, wurden sie von einer verärgerten Menge von Bewohnern Sderots empfangen: »Kommt hierher mit euren Kindern, dann seht ihr, wie das ist, wenn man keine Nacht schläft«, riefen sie. Und: »Haut ab hier, geht nach Gaza.« Der Bus fuhr schließlich weiter.

Auch bei Demonstrationen in Haifa, Tel Aviv und Jerusalem kam es in den vergangenen Wochen immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Friedensbefürwortern und zum Teil rechtsgerichteten Israelis. Oftmals musste die Polizei eingreifen, um die Gruppen voneinander fernzuhalten.

Druck Trotz des momentanen Rückhalts in der Bevölkerung – Experten glauben, dass mit jedem gefallenen Soldaten auch der Druck auf die Regierung zunehmen wird, die Bodenoffensive zu beenden. Dazu trägt auch die Situation bei, in der sich die Soldaten in Gaza jetzt befinden. Je mehr sie in einen Häuserkampf verwickelt werden, umso größer wird die Gefahr, aus einem Hinterhalt erschossen zu werden – und umso lauter werde auch die Forderung nach einem Ende der Offensive werden, glaubt Yehuda Ben-Meir vom Institut für Nationale Sicherheit.

Ähnlich argumentiert der auf Sicherheitsthemen spezialisierte Journalist Yossi Melman auf der Internetseite des Fernsehsenders »I24«. Trotz der Tragödie um die gefallenen Soldaten könnten sich Netanjahu und Verteidigungsminister Mosche Yaalon derzeit der Unterstützung der Öffentlichkeit erfreuen – noch: »Ein Blankoscheck ist das jedoch nicht«, so Melman. »Die öffentliche Meinung kann unberechenbar sein und sich innerhalb einer Sekunde völlig ändern.«

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